„Born in The Purple“ ist ein interdisziplinäres Ausstellungsprojekt des in Berlin und Istanbul lebenden Künstlers Viron Erol Vert. Dieses findet seine Schwerpunkte in akuten globalen Problemen, in Auseinandersetzungen um kulturelle Vormachtstellung, den Folgen tendenziöser Identitätspolitik und in Überlegungen zur Unumstößlichkeit von Menschenrechten.“
Come on. Eat my A***.
Bei dem offiziellen Text kriegt man ja einen narkoleptischen Anfall. Dabei ist das, was Viron Erol Vert in zwölf Arbeiten zeigt, der positiveste aller Kunst-Overkills der letzen Zeit. Böse, schlau, traurig, berührend, erhellend. Alles das, was wir uns von einem großen Event (fällt da jemandem Kassel ein?) erwarten. Die Vernissage des Kunstraum ist wahrlich ein Event. Der Gast aus Berlin-Mitte ist bass erstaunt, das es echt noch Punker gibt. Die in trauter Eintracht mit Hipstern am Bierchen nuckeln.
Kulturaustausch. Mit Impetus: Der Kunstraum Bethanien, ein Ort der Aufrechten, der ewig Guten, der Gutmenschen, die jedem Asly gewähren wollen, die eine letze Bastion des Kreuzberger Spirit ist, als die Gegend noch So 36 hieß. Das war vor dem Mauerfall… Der Spirit lebt weiter, ohne Grenze. Die Fragen die im Gruppenprojekt „Prophyra Club“ bei (laufenden) öffentlichen Diskussionen gestellt werden:
„Wer hat das Recht zu regieren?“, „Wer hat das Recht zu bleiben?“,
„Wer hat das Recht Zuflucht zu finden?“
Zeig´s mir Baby:
Über die Linoleumauslegwahre vorbei, Einblicken in die Toiletten mit versprayten Türen und Wänden (was will uns der Vandale damit sagen?) eine Conciergebox. Grabgestecke. Türkische Banderolen. Ein Video. Der Titel der Arbeit „Glücklich ist, wer Türke ist.“ Bitter sweet.
Wer das sieht, ist ja schon weit. Der hat vorher ambitioniertes bei der Austellung des Lette Vereins im ersten Stock gesehen. Instagram töte Fotografie und einige haben es nicht verstanden. Jung und mutig stürzen sich Nachwuchsfotografen auf tausend Mal gesehenes. Um zu Überraschen: Porträts von Gescheiterten, die den Betrachter abholen, Brutalismus Architektur Fotos und dazu die Bewohner vor den Gebäuden als Porträts – eine feine Reportage, die nach Veröffentlichung schreit.
High-light: starre Bilder von Andreas Lisander Strauch. Große Formate, feiner Druck, da steht das Bild. Bitte keine Reißzwecken und angepinnte „Schnappschüsse“ – wie gesagt: Instagram…..
Aber zurück in die langen Gänge, in denen sich der Mann von der Berghain Kasse austobt.
Irgendwie schwebt das anarchische, das „schmutzige“ von Berlins von „cool“ zu „Easy Jet“ Club über allem.
Viron Erol Evert hat den Avantgarde Moment des Berghains transformiert. In eine bürgerliche Kunstverständniss Sprache (die ja nicht schlecht sein muss) und in Bilder. Er war, um das eindeutig klar zu stellen, übrigens wirklich an der Kasse vom Berghain. Jetzt steht er, groß und breit wie ein Fels, in einem Kronleuchter bestrahlten türkis-grünen Raum.
Türkis grün von den Wänden, dem Teppichboden bis zu den Sitzgelgenheiten. Freundlicher Gastgeber in einem Raum, der als „Installation“ läuft. Es gibt Regale mit Büchern, deren Rücken noch die Kleber einer Bibliothek zieren und das ist alles „Konzept“. Ohne tiefer ein zu steigen: ganz nett.
Das BÄM sind die Räume in der Summe. Eine Wohnung, mit „“Bir Ermeni kadın mutfakta, bir rum kadın yatakta/ Eine Armenierin in der Küche, eine Griechin im Bett“ – so der Titel einer Installation. In der „Küche“ liegt Bambis Schädel aus Porzellan übergroß mitten im Raum.
Das Spiel mit dem Kitsch und mit Proportionen beherrscht der Künstler ohne die Symbole zu trivialisieren.
Dann der Favorit des Rezensenten: eine Teppich-Tableau aus einzelnen Motiven der türkischen Kultur, die meisten in sich gerahmt mit Röschen, Blümchen und Bling-Bling und dazwischen der Künstler bei der Arbeit. Das Künstlerleben als „Flickenteppich“? Mitten im Raum ein Springbrunnen, rote Lämpchen, eine Fontäne. Die steigt aus einer Nirosta-Spüle auf, die die Form einer Hocktoilette hat auf. Der Titel: „„Entschuldigen Sie, sind Sie Türke?“. Jeder Erläuterung überflüssig.
Aber eine Bewertung sei erlaubt: Brilliant.
Eine Austellung wie die Musik von Michale Nyman & David McAlmont. Komplex, auf den ersten Blick süßlich, macht Lust zu erobern und „verkauft“ sich über Oberfläche.
Aber dann geht es los!
„Born in the Purple. Ausstellungsprojekt von Viron Erol Vert“
24. Juni bis 27. August 2017
Kunstraum Kreuzberg/Bethanien
Mariannenplatz 2
10997 Berlin-Kreuzberg
tägl. von 11 – 20 Uhr, Eintritt frei
PORHYRA CLUB on 17.08.2017 within the exhibition „Born In The Purple“ by Viron Erol Vert
LECTURES / TALKS / MUSIC
food & drinks
17:00 Walking Lecture (en)
Övül Ö. Durmusoglu & Pauline Doutreluingne
18:00 Uhr: Talk / Vortrag (en)
„Parrhesia and Autopiesis: Speaking (about) Oneself as Alternative Political Becoming“
Jonas Tinius (CARMAH/European Ethnology, HU Berlin)
19:00 Uhr: Talk / Vortrag (en)
„Ubi terrarum? (Where in the world?) – To the Memory of my Families“
Beral Madra (Curator, Art Critique, Istanbul)
20:00 Uhr: Talk / Vortrag (en)
„Born in the Purple“ Who hast he right to Future Shelter? 3D Printing and the Manufacturing of Human Habitat“
Kouroush Zarghani (Architect, Berlin)
21:00 Uhr: Late-Night at Born in The Purple / PURPLE SOUNDS
26.8 Saturday | Samstag
16:00 Video-première: Porphyrogennetos & Artist Talk | Künstlergespräch (en) Viron Erol Vert with | mit Stéphane Bauer, Didem Yazıcı, Melina Gerstemann
17:30 Qanun performance by Hasan Al Nour (Musician, Berlin)
18:30 Talk | Vortrag
How do the Biographical Elements Contribute to the Understanding of Art Works? (en) Misal Adnan Yıldız (Curator, Berlin)
19:30 Performance
Guest appearance by | Gastauftritt von Isabel Lewis (Artist, Berlin)
20:30 Meze Evening & Finissage Party | Mezze-Abend & Finissage-Party PURPLE SOUNDS
PURPLE MEYHANE: Die Gegabelte Hand
Autor: Andreas Toelke
Photo Credit: Eric Tschernow