In der Kombination aus Kunsthalle, Kuriositätenkabinett, Souvenirshop und Café tritt Thomas Olbricht vielen auf ihre empfindlichen Hochkultur-Zehen. Aber der Professor für Endokrinologie und innere Medizin, der wie Sammlerehepaar Ströher zur Wella-Familie gehört, möchte mit dem me Collectors Room nicht nur Berlin, sondern auch sich selbst ein Geschenk machen. Deshalb hält er als Kompass für sein Kunstengagement an seiner subjektiven Sammelleidenschaft fest, deren Früchte er in der ersten Ausstellung „Passion Fruits“ präsentierte. Die zweite Ausstellung ist ganz dem jungen chinesischen Künstler Ouyang Chun gewidmet, den der Asien-begeisterte Thomas Olbricht auf einer seiner Bejing-Reisen für sich entdeckte.
THOMAS OLBRICHT: ERSTE SCHRITTE ALS KUNSTSAMMLER
Herr Olbricht, wie sind Sie Kunstsammler geworden? Ich bin nicht nur Kunstsammler. Ich sammle ganz verschiedene Dinge. Angefangen habe ich mit Briefmarken. Sie sind bis heute mein Rückzugsgebiet geblieben. Man kann sie schlecht öffentlich zeigen, weil sie im Licht verblassen, und bewahrt sie deshalb in dunklen Schubladen auf. Immer, wenn ich die Schubladen öffne, freue ich mich an diesen wunderbaren Unikaten. Der Brief, das Eckstück, der Stempel sind Raritäten. Besonderheit ist für einen Sammler etwas höchst Erstrebenswertes. Das hebt ihn ab – nicht durch das Monetäre, sondern durch die Außergewöhnlichkeit der Gegenstände.
Hat man denn beim Briefmarkensammeln dasselbe Gefühl wie beim Kunstsammeln?
Nein, bei der Kunst kommt noch ein zusätzlicher Reiz dazu. Ich sehe in der Kunst Dinge, die neu für mich sind und die ich zuerst nicht verstehe. Kunst stellt mir neue Fragen: Muss ich das verstehen? Will ich das verstehen? Das ist bei den Briefmarken nicht der Fall, da weiß man, was man sieht.
Das hört sich für mich so an, als seien Sie in der Kunst eher ein Findender als ein Suchender…
Genau. Wenn wir morgen zusammen nach New York fliegen würden, um neue Künstler zu entdecken, würde ich zuvor keinen Plan festlegen. Wir würden einen Rundgang durch die Galerien machen und intuitiv entdecken. Erst dann würden wir nachschauen, wer das ist, den wir faszinierend finden. Das passt in mein Weltbild der Kunst und zu meiner Sammelphilosophie.
Das ist mein Ansatz.
THOMAS OLBRICHT ÜBER DEN EHRGEIZ EINES SAMMLERS
Herr Olbricht, Sie sammeln nicht im stillen Kämmerchen, braucht man als Sammler Bestätigung?Ein Kunstverständnis kann man entwickeln, wie jedes Handwerk auch. Dazu kommt ein gewisses ästhetisches Grundverständnis. Wenn Sie das nicht haben und immer danebenliegen, dann ist das sicherlich sehr frustrierend. Diese Sammler gibt es ja auch.
Ich persönlich brauche als Sammler Bestätigung. Sonst ist es wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Bestätigung bedeutet für mich, dass man etwas sammelt, was weniger oder gar nicht bekannt ist, und dann kommt irgendwann der Anruf eines Museums: Könnten wir das Kunstwerk bei uns zeigen? Das ist dann wie eine Goldmedaille, die man als Sammler bekommt.
Wenn das so weitergeht, dann werden diese Werke am Kunstmarkt bekannter und, nach den heutigen Kriterien, auch der Preis. Dann soll mir einer kommen, der abstreitet, dass er es gut findet, dass seine Werke auch preislich steigen. Das ist noch mal eine Goldmedaille, das gibt eine ganz neue Schubkraft, um weiterzumachen. Wenn all die Künstler, die ich sammle, nach fünf Jahren verschwinden würden, dann wären mir in meinem Sammlerleben fünf Jahre genommen worden. Dann war ich ja immer auf der falschen Spur. Ich will natürlich Anerkennung für das, was ich sammle. Nicht nur für die Künstler, sondern auch für mich als Sammler.
Sie stammen aus einer kunstsinnigen Familie. Ist hier der Keim für Ihre Kunstliebe gelegt worden? In der Familie Ströher wurde sicherlich ausgehend von dem Sammler Karl Ströher, meinem Großonkel, ein Keim gelegt, sich für Kunst zu interessieren. Aber wir treffen uns nicht regelmäßig zum Austausch: Was sammelst du – was können wir machen …
THOMAS OLBRICHT: AUS PRIVATER SAMMLUNG WIRD BERLINER AUFTRAG Hat denn der me Collectors Room entscheidende Veränderungen in Ihr Leben gebracht? Man macht sich ja nicht nur Hoffnungen, sondern hat auch Ziele und natürlich Ängste. Das ist ein Lebenswerk, wenn man seine Dinge, die man immer nur zu Hause gesammelt hat, plötzlich in die Öffentlichkeit stellt. Und zwar nicht nur die Sammlung, sondern auch sich selbst. Das ist eine neue Erfahrung für mich. Eine, die man vorher nicht bedenkt.
Was genau möchten Sie mit dem me Collectors Room bewirken?Verwunderung. Ich möchte meinen Besuchern etwas zeigen, was viele von ihnen noch nicht kennen. Auch und vor allem denjenigen, die vielleicht gar nichts mit Kunst zu tun haben.
Eines der großen Ziele, das ich hier verwirklichen wollte, war mein schräges subjektives Kunstempfinden weiterzugeben mit allem Respekt, aber auch mit aller Kritik, die man hieran führen kann.
Die Besucher wundern sich im wahrsten Sinne des Wortes über die Dinge, die sie hier sehen. Ich kann nicht den Anspruch eines Museums haben, ich bin kein Lehrbetrieb. Ich habe keinem Kunstkanon zu folgen, deshalb kann ich auch nicht verstehen, dass immer gesagt wird, die privaten Sammler stülpten ihren Geschmack den Museen über. Kunst entsteht nicht nur durch den Geschmack von Sammlern. Kunst wird am Ende durch sich selbst entstehen. Das ist ein Prozess, der mehrere Generationen überdauert. Ob von den Kunstwerken, die im me Collector’s Room zu sehen sind, eines als Weltkunst überlebt, das ist fraglich. Dennoch interessiert es mich, dennoch möchte ich damit umgehen, denn es ist die Kunst meiner Zeit.
Wie Thomas Olbricht mit der Medienkritik an seiner Person und dem me collectors room umgeht, haben wir für das ARTINVESTOR Magazin herausfinden dürfen. Herausgekommen ist ein spannungsgeladenes Gespräch, das ihr in der aktuellen Ausgabe von ARTINVESTOR ab dem 2.12. lesen könnt.