Axel Haubrok: Es soll rau und ruppig bleiben
Ein bisschen verloren stehen wir auf dem großen, rauen Gelände in der Herzbergstraße 40-43 im tiefen Berlin-Lichtenberg. Wir sind auf der Suche nach der Sammlung Haubrok. Um uns herum brummt der alltägliche Gewerbebetrieb. Man hört eine Kreissäge arbeiten, irgendwo wird auf Metall gehämmert und es riecht nach Staub, Öl und Holz. Zwischen Autos ohne Kennzeichen stoßen wir auf einen Mechaniker im blauen Overall. Ob er wüsste, wo Axel Haubrok sich gerade befände? Der liefe hier wahrscheinlich irgendwo herum.
Kurze Zeit später treffen wir ihn, er strahlt. Zusammen mit seiner Frau Barbara Haubrok haben die Sammler von Konzeptkunst und Minimal Art Anfang des Jahres das 19.000 qm große Areal gekauft und damit ein neues Zuhause für ihre Sammlung und Stiftung geschaffen. Den White Cube, ihre früheren Ausstellungsräume am Strausberger Platz, haben sie zurück gelassen. Zu schick sei es geworden auf der Karl-Marx-Allee.
Zur Sammlung Haubrok, Schwerpunkt und Künstler im ARTBERLIN SAMMLUNG GUIDE: https://www.artberlin.de/sammlung/haubrok/
Ich will mehr zu den Künstlern als zu den Galeristen
Ich mag nicht mehr dieser Erwartungshaltung bedienen und in genau definierten Zeitabständen zu Ausstellungen und Eröffnungen einladen. Wir haben funktioniert wie ein Kunstverein. Das wollen wir ändern.
Ich will einen Ort für Kunst schaffen, wo die Leute gerne hingehen. Der offen ist, wo was passiert.
Was das genau heißt? Das kann noch nicht im Detail verraten werden, weil es keinen Masterplan dafür gibt. Sicher ist, es wird Ausstellungen geben, z.B. die kommenden Beiden zum Gallery Weekend Berlin und natürlich eine zur abc im Kunstherbst. Die Haubroks denken darüber nach ein Artist-in-Residence-Programm in Zusammenarbeit mit der Kunstakademie Wien einzuführen und ein Kunststipendium für politisch-gesellschaftlich arbeitende Künstler anzubieten. Man spürt: Haubrok will sich frei machen
Wir verändern unser Konzept fast tagtäglich. Ich lass mich nicht unter Druck setzen. Wenn Künstler hier ihre Ateliers beziehen wollen. Super. Wenn nicht, auch gut. Das Gelände finanziert sich auch so durch den Gewerbebetrieb.
Vielleicht auch, weil das Bezirksamt die Bewilligung in der Fahrgemeinschaft Ausstellungen zu veranstalten noch nicht final abgenickt hat. Das Kunstgeschehen hier wird bislang mit halbgeschlossenen Augen geduldet.
FAHRBEREITSCHAFT LICHTENBERG: West-Autos, Sauna, Bar du Werkstatt
Die Fahrbereitschaft Lichtenberg war zu DDR Zeiten ein hoch geheimer Ort, an dem Fahrer samt Autos untergebracht waren, die wichtigen Besuch aus dem Westen durch die Gegend kutschierten. Offiziell hieß das: Abteilung für Verkehr der SED. Was das Areal heute magisch macht, war damals völlig autark: keiner wusste von anderem, wer in der Auto-Werkstatt arbeitete, betrat sehr wahrscheinlich niemals die Büros der Einsatzleitung, die Kegelbahn oder die fantastische Bar. Ganz zu schweigen von der hauseigenen Sauna.
Wir ziehen mit Axel Haubrok los, um die Räume näher zu erkunden. Zwischen Baustellen und Bauschutt stoßen wir in jeder Ecke auf Reminiszenzen der Vergangenheit. Vieles in den Räumen ist unberührt. Der Linoleumboden, die kitschige Blümchentapete und das DDR Mobiliar – je mehr Zeit Axel Haubrok auf dem Gewerbehof verbringt, desto weniger will er verändern.
Es soll rau und ruppig bleiben. Je mehr wir uns mit dem Ort hier auseinandersetzen, desto weniger wollen wir ändern und desto schöner wird er.
Auch die rund 60 Gewerbebetriebe aus Kfz-Werkstätten, Schreinereien und Schrauber Buden werden bleiben und sich den Raum mit Künstlern teilen. Zu den zehn Ateliers, die hier bereits seit ein paar Jahren genutzt werden, sollen mehr Künstler und Studios dazu kommen.
Wir wollen auf jeden Fall die Mischung aus Handwerk und Kunst beibehalten. Die Künstler sehen das genauso, sie wollen nicht in so ein Kunstghetto ziehen.
Trotzdem beschleicht uns das Gefühl in einem riesigen Kunstwerk umher zu streunen, die DDR-Variante von Gregor Schneiders Totes Haus u r.
Haubrok Ausstellungsprinzip: Inszenierung zwischen Kunst und Vorgefundenem
HONNI LEBT, steht in Kreide geschrieben auf einer Wandtafel in der KANTINE, wo zum Gallery Weekend eine von zwei Ausstellungen stattfinden soll.
art & project bulletins 1968 – 1989 heißt die eine, die in der Kantine oder der Bar im schönsten Sozialismus-Look oben drüber inszeniert werden wird. Die Sammlung Haubrok besitzt beinahe alle (bis auf vier Ausgaben) Einladungskarten zu den Releaseparties der jeweiligen Ausgabe, die im Laufe der Zeit selbst zu Kunstwerken geworden sind.
Die zweite Ausstellung nennt sich abstrakt und bespielt mit konzeptuellen Arbeiten aus der Sammlung Haubrok, darunter eine Videoarbeit von Jonathan Monk, einen hohen Raum, dessen Decke mit zerschlissenen Sauerkohlplatten bedeckt ist. Früher war sein Name Lagerhalle. Im Moment wird aufgebaut und nach dem perfekten Ort an den zerschlissen-schönen Betonwänden für die Symbiose zwischen Werk und Hintergrund gesucht.
Das Bier aber, und wir gehen jetzt mal davon aus, dass es konzeptgetreu kein Champagner sein wird, das wird im Hof getrunken. An der temporären Kugelbar. Es lebe Berlin.
Haubrok’s Fahrbereitschaft: OPENING GALLERY WEEKEND
Opening Reception: 24. April 2013 // 19-22 Uhr
Öffnungszeiten zum Gallery Weekend Berlin: 26. – 28.4.2013 // 12-18 Uhr
Bis zum 29. Juni by appointment
Ausstellung Lagerhalle: abstrakt
Ausstellung Kasino: art & project bulletins 1968-1989
Haubrokprojects // FAHRBEREITSCHAFT
Herzbergstraße 40-43 // 10365 Berlin // www.sammlung-haubrok.de