Ein Treffen in der MUSE MUSE Ausstellung
Yves Saint Laurent hatte mehrere, Botticelli eine und Picasso, der hatte sie wohl alle. Die Muse, und der Künstler, mit oder ohne Kuss, gehörten fest zusammen. Wenn auch selten für die Ewigkeit. Die schale Nebenwirkung am Muse sein ist ihre mögliche Austauschbarkeit die zumindest unter Modedesignern nicht selten ist. Mit der neuen Saison ausgewechselt zu werden, ist sicherlich kein inspirierendes Gefühlt. Vielleicht ist die Idee von der Muse auch ein altmodisches Konzept, das in der zeitgenössischen Kunst keine, zumindest keine öffentliche, Rolle mehr spielt. Oder doch?
Bernhard Brungs (1974) und Slawomir Elsner (1976) haben dem Musen-Thema eine gemeinsame Ausstellung gewidmet. Einige der Arbeiten in MUSE MUSE entstanden in Mallorca auf dem wunderschönen Anwesen der CAA Künstlerresidenz und sind aktuell bis zum 7. März 2015 in der Berliner Galerie Dittrich & Schlechtriem zu sehen. Ausgangspunkt war die Erzählung von Balzac „Das unbekannte Meisterwerk“, die beide fasziniert gelesen hatten.
Bernhard Brungs aktuelle Muse ist Yves Saint Laurent
Bernhard Brungs Musen leben in den meisten Fällen nicht mehr. Seine Arbeiten beschäftigen sich unter anderem mit Virginia Wolf, Jean Genet und, zeitgenössischer, mit Susan Sonntag. Für die gemeinsame Ausstellung mit Slawomir hat er Yves Saint Laurent als Hauptperson gewählt. Die zarten aber eindrucksvollen Bilder in stark verdünnten Ölfarben zeigen den Modedesigner in jungen Jahren in Paris, in seinem Geburtsland Algerien, in Marokko und seinem poetischen Landhaus in Südfrankreich. Saint Laurent begegnet auf ihnen seinen Musen und Freunden wie Christian Dior, Karl Lagerfeld, Catherine Deneuve und Bianca Jagger.
Slawomir Elsner lässt sich von Boticellis Venus inspirieren
Slawomir Elsners dichte Buntstiftarbeiten zeigen mystisch vernebelte Figuren. Der erfolgreiche Künstler beruft sich auf archaische Gestaltungsformen, die seit 500 Jahren existieren. Für MUSE MUSE hat er sich auf Meisterwerke der Renaissance Malerei unter anderem Botticellis „Venus“ sowie Bellinis „Bildnisse eines jungen Mannes“ konzentriert. Sie faszinieren durch eine tausendfach anmutende Schicht von feinen aber entschlossenen Buntstiftstrichen, die Elsner so lange übereinander zeichnet bis die vertraute Form der Venus sichtbar wird ohne direkt zu sein.
Wir treffen die beiden Künstler an einem sonnigen Nachmittag bei Dittrich & Schlechtriem in Berlin Mitte. Die beiden sind entspannt. Ihr Umgang mit dem Thema ebenfalls. Ihre Arbeiten dazu aber haben es in sich.
Interview
Bernhard, Slawomir, wo habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Bernhard: Wir kennen uns schon seit Mai 1999 durch eine Gruppenausstellung in Dresden, als wir beide noch Kunststudenten waren und sind richtig gute Freunde geworden. Wir haben schon damals Ausstellungen und einen Ausstellungsraum gemacht und den anderen jeweils eingeladen sind auch mal gemeinsam nach Berlin gefahren. Ich lebte in Köln und Slawomir in Kassel.
Eure Arbeiten wirken wie für einander gemacht. Ihr beide arbeitet mit Mystik und der Geschichte von Menschen. Ist das so?
Bernhard (lacht): Lustig, dass du das sagst. Als Künstler schaue ich viel pragmatischer. Welche Formate meiner Bilder passen zu denen von Slawomir. Welche Farben sollen nebeneinander hängen etc.
Aha! das heißt ihr habt jeder für sich und ganz verschieden an den Werken gearbeitet?
Bernhard: Ja. Ich arbeite immer eine Zeit lang mit einem bestimmten Thema bzw. einer historischen Persönlichkeit. Wie hier mit Yves Saint Laurent. Dabei tauche ich tief in ihr Leben ein, arbeite mich durch Biographien, Filme und Wohnorte bis die Ideen für meine Bilder zu mir kommen.
Dürfen deine Musen auch noch am Leben sein?
Bernhard: Mir fiel es bis dato leichter mich mit Personen zu beschäftigen, die bereits gegangen sind. Ich mag das Greifen im Nebel wenn ich beginne eine Realität zu konstruieren. Dafür eignet sich die Abstraktionsebene der Malerei besonders gut.
Slawomir: Ich kann nie nur an einem Bild arbeiten und habe immer mehrere Serien oder Projekte nebeneinander laufen. Vielleicht weil ich manchmal das Gefühl habe, dass es nie DAS Masterpiece gibt, sondern immer mehrere. Selbst Botticelli hat mehrere Versionen der Venus gemalt. Sie verkörpert das Idol der Weiblichkeit zu seiner Zeit und sie reflektiert nach wie vor ein Ideal einer Frau, Aber für mich gibt es nicht nur die eine schöne Frau.
Ich mag Rot aber finde Grün auch nicht schlecht. Alles hat seinen Ursprung, aber alles bezieht sich auch auf etwas. Ich finde auch den Bezug zum Bezug spannend. Manchmal sagt meine Frau, ich sei der unentschiedenste Mensch der Welt. In diesem Sinne vermischt sich dann meine Kunst mit dem Privatleben, das wollte ich eigentlich vermeiden.
Gibt es denn heute noch Musen in der zeitgenössischen Kunst? So ganz offiziell?
Bernhard: Der Begriff Muse und auch der Begriff Inspiration sind so verbraucht und spielen im Diskurs heute kaum eine Rolle. Ich finde es grade deshalb interessant die Bedeutung hinter diesen Worten aus zeitgenössischer Perspektive zu befragen.
Slawomir: Gleichzeitig sucht doch jede Generation nach ihrer Muse, nach einem kulturellen Symbol, nach dem sie leben kann. Das ganze Leben ist doch eine Muse. Das zu untersuchen, hat uns gereizt.
Slawomir, können sich verschiedene Kulturen die gleiche Muse teilen?
Slawomir: Für mich ist das Thema Muse in jeder Kultur präsent. Für MUSE MUSE habe ich Botticellis Venus gewählt, dass wunderbare über 500 Jahre alte Gemälde, weil sie Teil der Staatlichen Museen zu Berlin ist . Jetzt hängt sie hier in Mitte, in einer poetischen Reflektion.
Bernhard, wie bist du auf Saint Laurent gestoßen?
2013 war ich in Marrakech und habe mir dort den Jardin Majorelle angesehen. Ich fand es interessant das Thema Muse in der Mode durchzuspielen. Yves Saint Laurent hat mit seiner Mode in den 50ern und 60ern ein neues emanzipatorisches Frauenbild entworfen. Meine erste Idee war es mit seinen Modeskizzen zu arbeiten, aber dann kamen die Gartenbilder, die waren einfach stärker.
Mit welchem Thema werdet ihr euch als Nächstes beschäftigen?
Slawomir: Ich arbeite momentan an einer Werkgruppe für die ich Ateliers von Künstlerkollegen zeichne. Mich fasziniert die Vielfalt und die Gleichheit (lacht). Dabei hoffe ich, dass man nicht erkennen wird, welches Atelier zu wem gehört.
Bernhard: Ich kooperiere mit einem Künstler aus Wien und plane, Bilder zu malen, die auf Geschichten aus seiner Biografie basieren. Also diesmal eine lebende Person!
Das schreit nach einer gemeinsamen Ausstellung wie wir finden – Mal sehen, sagen die beiden.
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Anschauen: Die Ausstellung MUSE MUSE
Galerie Dittrich & Schlechtriem / Tucholskystrasse 38 / Berlin Mitte
Laufzeit bis 7. März 2015
Öffnungszeiten: Di – Sa, 11 – 18 Uhr
Slawomir Elsner ist aktuell auch mit der sehenswerten Ausstellung FRAMED in der Galerie Gebr. Lehmann in Berlin zu sehen. Laufzeit ist ebenfalls bis zum 7. März. Sie zeigt zum ersten Mal in Berlin seine DIN A4 Zeichnungen und Aquarelle.
Kurze Biographie der Künstler
Slawamir Elsner wurde 1976 in der polnischen Stadt Wodzislaw Slaski geboren, Brungs 1974 in Bielefeld. Beide leben und arbeiten in Berlin.
Elsners Werke waren in Ausstellungen in ganz Deutschland sowie in zahlreichen erfolgreichen Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. in Zürich, Paris, Madrid und NYC zu sehen. 2012 erhielt er den Falkenrot Preis.
Bernhard Brungs Arbeiten waren und sind ebenfalls in zahlreichen inter- und nationalen Ausstellungen zu vertreten. Darunter Einzelausstellungen in Berlin, Zürich und Tokio.
Fotos: Yana Wernicke für ARTberlin