Foto: Archiv Mary Bauermeister
Mary Bauermeister: 80 Jahre Avantgarde
Eine Begegnung mit der großen Künstlerin Mary Bauermeister stellt uns vor ein Problem. Wie wird man in wenigen Zeilen einer Künstlerin gerecht, die seit dem 7. September 2014 auf 80 Lebensjahre voll Pioniergeist, Liebe, intensivem Austausch mit der Kunst- und Musik-Avantgarde der 60er, museumsfüllender Kunst und eine gelungene Ehe zu dritt zurück blickt? Deren Liebe zu dem berühmten Komponisten Karlheinz Stockhausen so bedingungslos gelang, dass sie das Zusammenleben mit dessen Ehefrau von Herzen aus respektieren konnte. Die von den New Yorkern liebevoll die „1,80 Meter große Loreley“ genannt und für ihre Klarheit, eine gewisse Eigensinnigkeit, Furchtlosigkeit und warmer Energie international bekannt und geschätzt ist.
Mary Bauermeister’s große Einzelausstellung, die am Freitag, den 12. September in der Berliner Galerie 401contemporary eröffnet, heißt DIE VISIONÄRIN. Und hat damit ein Wort für die Aura gefunden, die Mary Bauermeister selbst und ihre Kunst umgibt.
In den USA und europäischen Ausland ist sie schon lange berühmt.
Aber so richtig angefangen hat alles in Köln. Dort lud Mary Bauermeister Anfang der sechziger Jahre die Avantgarde aus Kunst, Architektur, Musik und Literatur in ihr Atelier. June Paik, John Cage, Karlheinz Stockhausen und Joseph Beuys zogen hier ihre Performances auf. Das Geschehen bei und um Mary wurde zum Beginn der Fluxus-Bewegung.
Kurz darauf ging alles ganz schnell. Ihre erste große Einzelausstellung lief im Stedelijk-Museum in Amsterdam – 1962 zog Mary Bauermeister, inspiriert durch Robert Rauschenberg und Jasper Johns – gemeinsam mit Karlheinz Stockhausen nach New York. Ihre Kunst schlug ein wie eine Bombe und wurde von den wichtigsten Museen, darunter das MoMA, das Guggenheim und das Whitney in New York sowie das Hirshhorn Museum in Washington gekauft.
Die Künstlerin arbeitet viel mit der Natur. Unter anderem mit dem erdigen schwarzem Vulkanstein oder mit Steinen auf Vulkansand und Holz. In ihren Glasboxen Evolution / Devolution (1971) brechen optische Linsen das Licht in leuchtende Prismen. Ganze Partituren bedecken das Innenleben von Baumstämmen (Partiturenbaum, Baumeister / Stockhausen, 1964). Die Arbeiten von Mary Bauermeister kennen keine Grenzen- weder in der Auswahl der Materialien, Schrift und Bild, Linsen und Staffeleien, Stoffe und Steine – noch in der Vereinbarkeit von scheinbar gegensätzlichen Stimmungen. Poetisch und philosophisch sind ihre Arbeiten. Aus hartem Material und großer Weichheit sind ihre Werke.
Eigentlich hätte aber auch alles anders kommen können. Ihr Vater wünschte sich für Mary Bauermeister die Mathematik als Beruf. Mit der Gewissheit nur als Künstlerseele glücklich werden zu können, büchste Bauermeister kurzerhand vor dem Abitur aus und schlug sich nach Ulm zur Hochschule für Gestaltung durch. Nach dreitägigem Ausharren vor dem Büro des Rektors Max Bill, sah sich dieser ihre Mappe an und der Rest ist, wenn man so will, Kunstgeschichte.
2014 wird das Jahr des Come Back der Mary Bauermeister in Deutschland.
Die wichtigen Zeitungen überschlagen sich mit tief gehenden Interviews und Artikeln zu ihrer Person und ihrem Werk. Die ART COLOGNE im April gab Einblick in die brodelnde Zusammenarbeit zwischen Mary Bauermeister und Karlheinz Stockhausen. Zum diesjährigen Gallery Weekend Berlin war ihr Werk Teil der Ausstellung INTERMEDIAL, die dem Spirit der Kunstszene der späten 50er und frühen 60er Jahre huldigte. Dabei waren Arbeiten von Sylvano Bussotti, John Cage, Hans G Helms, Nam June Paik, Otto Piene und Karlheinz Stockhausen, die Freunde aus den Treffen im Atelier von Mary Bauermeister.
Dass ihr Werk in ihrer Heimat nur zögerlich wahrgenommen wurde, liegt daran, dass sich Mary Bauermeister Anfang der 1970er, zurück in Köln, vom kommerziellen Kunstmarkt abgewendet hatte. Zeit das zu ändern.
Eröffnung & Ausstellung bei 401contemporary
Die Ausstellung MARY BAUERMEISTER – DIE VISONÄRIN eröffnet diesen Freitag (12.9.2014) in der Galerie 401contemporary und läuft bis zum 29.11. 2014. Wir empfehlen euch im Gewimmel der Eröffnung oder während der kommenden Berlin Art Week den Galeristen von 401contemporary, Ralf Hänsel, zu suchen und euch von ihm mehr über Mary erzählen zu lassen. Es wird erstaunlich werden
Opening: 12. September, 18 Uhr
Laufzeit: 13. September – 29. November 2014
Di – Sa 11 bis 18 Uhr // Achtet auf die geänderten Öffnungszeiten während der Berlin Art Week (16. bis 21.9.2014)
401contemporary, Potsdamer Straße 81 B, 10785 Berlin
Fotos: Installationsansichten von setform.de
Foto ganz oben: Archiv Bauermeister