Foto: Kirman ‚Vase‘-Teppich aus Südost-Persien aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. (Ausschnitt) / Quelle: Christie´s
Der teuerste Teppich der Kunstgeschichte
Es klingt wie eine Episode aus einem Märchen:
Eine alte Dame möchte einen ihrer scheinbar überflüssig gewordenen Teppiche loswerden und bietet diesen einem kleinen, regional bekannten Augsburger Auktionshaus zur Versteigerung an. Nur wenige Monate später im Frühjahr 2010 taucht derselbe Teppich überraschend beim renommierten Auktionshaus Christie’s in London auf. Begleitet von einem riesigen Medienecho erzielt er den Rekordpreis von 6,2 Millionen Britischen Pfund. Damit war der sogenannte „Vase Teppich“ innerhalb von Minuten zum bislang teuersten Teppich der Kunstgeschichte aufgestiegen.
Doch was war in der Zwischenzeit geschehen ?
In dem kleinen Auktionshaus Rehm in Augsburg erkennt niemand der Beteiligten den Wert oder die außergewöhnliche Herkunft
des ca. 3,40 mal 1,50 Meter großen Stückes. Deshalb erzielt der „Vase Teppich“ innerhalb der Versteigerung auch nicht mehr als 20.000 Euro.
Christie’s London verkauft den Teppich für 6,2 Millionen Pfund
Bei Christie’s in London hingegen ist man inzwischen hinter die spektakuläre Herkunft gekommen: Nach Recherchen des Auktionshauses handelt es sich um einen Kerman-Teppich aus der Sammlung iranischer Kunst der Comtesse de Béhague, abgebildet im Lexikon „A Survey of Persian Art“ aus dem Jahre 1938. Diese Tatsache wiederum treibt zwei Bieter dazu an, den Zuschlag auf das Zwanzigfache des Schätzpreises von 300.000 Pfund zu steigern: Der Zuschlag erfolgt bei besagten 6,2 Millionen Pfund.
Aber was bedeutet das für die alte Dame ? Hat sie nun Ansprüche auf Schadensersatz, weil der wahre Wert ihres Teppichs vom Auktionshaus Rehm verkannt wurde?
Die Rechtslage
Das Landgericht Augsburg sagt in erster Instanz – unmissverständlich nein.
Nach Auffassung des Gerichts hängt es maßgeblich von dessen Größe und Bedeutung ab, welche Anforderungen an das einzelne Auktionshaus gestellt werden können.
Dabei liege auf der Hand, dass ein großes internationales Auktionshaus regelmäßig auf mehr Ressourcen zur Informationsgewinnung zugreifen kann, als ein kleines regionales Universalauktionshaus. Grundsätzlich aber gelte, dass der Auktionator die Qualität und Echtheit des Kunstgegenstands genau prüfen müsse. Als primäre Informationsquelle dienen dem Auktionator dabei die Angaben des Einlieferers, welche auf ihre Glaubwürdigkeit hin untersucht werden müssen.
Wie weit die Untersuchungen zu gehen haben, hängt dabei maßgeblich vom zu erwartenden Wert des Kunstgegenstandes ab. Im Rahmen dessen, was ein kleines Auktionshaus zu leisten in der Lage ist.
Aber hatte das Auktionshaus Rehm im Vorhinein auch genügend Sorgfalt walten lassen?
Das Augsburger Landgericht ist der Ansicht, es sei ausreichend sorgfältig recherchiert worden. Im Vergleich mit der üblichen Praxis ähnlicher Häuser scheine der für den Teppich betriebene Aufwand sogar über das gewöhnliche Maß hinausgegangen zu sein.
Auktionshausinhaber Georg Rehm hatte den Teppich von seinem auf Teppiche spezialisierten Mitarbeiter genau untersuchen lassen. Zudem hatte er mehreren Händlern vor der Versteigerung Fotos zugeschickt und den Teppich sowohl mit einer großen Anzeige in einer Fachzeitschrift sowie im Internet über ein kleines Auktionsportal veröffentlicht. Diese Maßnahmen zeigten Wirkung: Zur Vorbesichtigung der Auktion waren viele internationale Teppichhändler erschienen, um das Stück zu inspizieren. Doch auch aus den Reihen jener Experten war niemand auf die wahre Herkunft des Teppichs gestoßen.
Kritisiert hat das Gericht jedoch die knappe Beschreibung im Auktionskatalog. Dies hielten die Richter aber dennoch nicht für die Ursache eines Schadens bei der alten Dame.
Die Diskussion um die Sorgfaltsstandards im Kunsthandel ist damit nicht beendet. Es ist zu erwarten, dass der Fall in die nächste Instanz gehen wird.
Text: Bertold Schmidt-Thomé, M.A. und Dr. Lucas Elmenhorst // dtb Rechtsanwälte