Manuel erzähl uns wie ging das alles los für dich in Leipzig, war das schon immer ein Wunsch?
Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich Malerei studieren wollte, was in der Schweiz kaum möglich war. Ich hatte gehört, dass an der Hochschule für Grafik und Buchkunst viel Wert auf das Handwerk gelegt wurde. Darum habe ich mich da beworben, denn ich wollte lernen, wie man es richtig macht. Ich war damals fasziniert von den Russen des 19. Jahrhunderts, virtuose Malerei, sehr romantisch und oft sehr pathetisch. Dafür hatte ich eine Schwäche. Meine Mutter ist Tschechin, und ich hatte mich in der russischen Seele wiedergefunden. Das Studium in Leipzig hat dazu gut gepasst, die ersten zwei Jahre gab es viel Aktzeichnen, Landschaftsmalerei. Insgesamt der Fokus aufs Gegenständliche, der auch auf die sozialistische Schule zurückgeht. Ich habe sechs Jahre in Leipzig studiert und war dazwischen ein Jahr in London.
Die Fluchtpunkte, die Perspektive, dieses Kulissenhafte. Ich denke da vor allem an die Frührenaissance. Ist das Absicht?
Das ist schon bewusst geschehen. In London habe ich sehr viel Zeit in der National Gallery verbracht und da hingen die ganzen Italiener. Piero della Francesca, Uccello, Giotto. Das hat mich begeistert. Diese Einfachheit und Klarheit. Die Objektivität, die Vorstellung vom Raum. Das Erzählerische ist sekundär zwar durch die religiöse Symbolik enthalten, aber trotzdem sind es vor allem diese Räume und Objekte, die mich fasziniert haben. Das war für mich so ein Aha-Moment. Gerade im Kontrast zu dem was ich von Leipzig her kannte, das oft sehr dick aufgetragen war.
Ich habe bei deinen Bildern das Gefühl, wenn ich sie ansehe, es ist wie ein luftleerer Raum, ganz still. Da ist kein Ton da. Ist dir das bewusst oder hat du es selbst irgendwann gemerkt da entsteht diese Stimmung?
Das hat mit den Strandszenen angefangen, von denen ich in London viele gemalt habe. Mit den Stränden habe ich so etwas wie Bühnen geschaffen. Das war neu für mich, weil ich vorher nie wirklich Figuren gemalt hatte, sondern meist nur Landschaft. Dieses luftleere oder Stille hat wahrscheinlich mit einer Reduktion aufs Wesentliche zu tun, danach gab es bei mir damals ein starkes Bedürfnis. Ich hatte mich irgendwann daran gestört, dass meine Bilder mehr erzählten als mir lieb war. Ich habe ganz automatisch bestimmte Gesten gemalt in bestimmten Situationen. Da schwang immer viel mit, worin ich mich nicht wiederfand. Es war aber wichtig, das erstmal zu tun, um es zu verstehen.
Ich hatte auch das Gefühl, dass dieses Erzählerische, dass die Gesten vor der Malerei standen.
Es dauerte lange, bis mir das wirklich bewusst wurde. Ich ging damals noch viel zu sehr vom erzählerischen Ansatz aus. Die Malerei war für mich darin gefangen, wie ein Mittel zum Zweck.
Du wolltest dich nicht vom Narrativ bestimmen lassen?
Genau. Durch das Wiederholen bestimmter Motive wurde mir bewusst, dass es viel mehr hergibt zu spielen und mit Farbe zu experimentieren, bestimmte Kontraste einander gegenüber zu stellen usw.
Diese Art der Reduktion ist sehr mutig. Es gibt keine Möglichkeit sich zu „verstecken“. Stehli´s Arbeiten bestechen durch eine gewisse „Boldness“, sowie einer klaren Positionierung auf der Leinwand. Gleichzeitig gibt es großen Raum für Assoziationen. Die Arbeit „Tektonik“ – ließ mich sofort an Michael Heizer denken, der seit 1972 in Nevada an „City“ arbeitet, ein Beispiel für Landart in gigantischer Größe. Er untersucht in seiner Arbeit die ästhetischen Möglichkeiten der Leere und Verschiebung, Verlagerung und Entfernung. Die Arbeit „Tektonik“ (Lehre vom Aufbau der Erdkruste) lässt ähnliche Reaktionen zu, bzw. löst Fragen aus. Was bedeutet und beinhaltet dieser Raum vor mir, und was sagt die Struktur darüber aus? Einerseits macht sie uns die Leere deutlich, gleichzeitig wird sie durch die Geometrie erst greif- und erfahrbar für den Betrachter, ja einordbar. Ganz abgesehen von der ästhetischen Wirkung und dem Element der Zeit.
Und an diesem Punkt, denke ich an Piero della Francesca. Er war der erste Maler der in der Früh Renaissance durch die Anwendung von geometrischen Formen, der Mathematik und der Perspektive versuchte seine Gemälde zu perfektionieren. Es gibt ein Zitat über sein Werk, das ich beim Ansehen deiner Arbeiten als sehr passend empfand:
He was cutting through space and time.
Außerdem findet man ja auch das Element der Computer Grafik und eine starke visuelle Virtual Reality Prägung in deinen Arbeiten.
Das spielt für mich auf jeden Fall eine Rolle. Ich habe einmal für eine Ausstellung aus Computer-Rennspielen klassische Landschafts-Kompositionen herausgesucht, die Szenen im Hintergrund, die man sonst nur in Bewegung sieht. Das war ein Experiment, war aber sehr ergiebig, auch malerisch. Das gibt es dann auch wieder starke Parallelen zur Frührenaissance, die eigentlich schon auf den ersten Blick auffallen. Das kantige, die Reduktion auf die Geometrie.
Ja, Sehr mathematisch, da wären wir dann auch wieder bei della Francesca.
Genau. Er war sozusagen voll auf der Höhe der Zeit. Dieser Gegensatz von der Simulation zur Abbildung.
Die Maler damals haben ja quasi auch alles konstruiert und simuliert.
Das Abbildende bzw. der Augenblick kam eigentlich erst später. Diese isolierten Texturen und Objekte waren für mich malerisch sehr spannend, da ich dadurch auch eine bestimme Farbaufträge und Gestiken für sich stehen lassen und thematisieren konnte. Ja das musste ich auch erst lernen, dass ich den Dingen Gelegenheit geben muss, sich zu behaupten auf der Leinwand – am Ende will ich den Farben und Objekten nichts aufzwingen, sondern sehe die Arbeit am Bild eher als Dialog. Es ist eine Erfahrung die ich erstmal machen musste, auch wenn es banal klingt. Das ist für mich eine Möglichkeit, auf reflektierte Art mit Malerei umzugehen. Am Ende sind befinden sich die Bilder in einem Schwebezustand zwischen Farbfläche und Objekt.
Die Arbeit, (Mondaufgang), wie ist die entstanden. Für mich sticht sie stark aus dem Kanon deiner Arbeiten heraus, sie ist sehr dicht, sehr romantisch.
Es ist eines der wenigen Bilder, die nur auf der Leinwand entstanden sind, ohne Vorlage. Ich habe es dutzende Male übermalt. Das Bild ging eigentlich von einer ganz anderen Szene aus, die ich dann Stück für Stück mit Pflanzen überdeckt habe. Ich wollte es fast schon aufgeben, weil es mir zu banal, zu eindimensional war und dann dachte ich, ich probiere diesen Mond, und dann hat es Klick gemacht.
Vielleicht hat es dieses Quäntchen Kitsch gebraucht…
Wo hast du die Motive her, ist das wichtig ?
Inspiration funktioniert bei mir immer eher indirekt. Ich war unter anderem in Kalifornien, hatte aber auch vorher schon Motive gewählt, die ich vielleicht eher danach hätte malen sollen.
Insgesamt ist der Duktus sehr männlich, oft abwartend, fast lauernd, ohne jetzt zuviel rein interpretieren zu wollen.
Diese hockenden, ruhenden Figuren, das hat sich durch meinen Fokus auf den Körper, Oberfläche und Farbe so ergeben. Ich habe immer dazu geneigt, Figuren zu malen die eher passiv sind, sich aber gleichzeitig auch selbst präsentieren, manchmal mit ihren Statussymbolen. Da stellt sich dann die Frage, ob nicht eher doch ich sie zur Schau stelle. Wer präsentiert und repräsentiert wen. Das ist auch so ein Schwebezustand, der mich interessiert. Dazu kommt der Aspekt des Voyeurismus, für den Betrachter, dessen Verhältnis zum Motiv mich schon immer interessiert hat. Es gibt in meinen Bildern einige Motive aus Computerspielen, die ja immer Fragen nach dem Verhältnis zwischen Ego und Alter Ego und so aufwerfen. In Spielen hat jede Körperhaltung immer eine eindeutige Funktion. Der kauernde Mann vor dem Auto, das ist eine Pose, der mehr oder weniger ein Screenshot aus einem Spiel zugrunde liegt, der Mann ist da im „Versteck-Modus“.
Die Pose ist wieder stark aufgeladen, sie kann alles mögliche bedeuten.
Ja, oft haben die Vorlagen mehr Drama als die Bilder. Generell sind die auch nicht Drama-frei, ich versuche aber, es so weit wie möglich zurückzunehmen. Es kann beides sein, entspannt und harmlos. Der Ursprung des Motivs soll nicht eindeutig sein, aber die Bilder sind ja auch zusammengebaut, konstruiert.
Kommen wir zum Schluss zu dieser ganz neuen Arbeit, an der du gerade noch arbeitest. Ich finde sie wahnsinnig stark. Für mich kommt hier auch wieder eine Assoziation zu della Francesca, ich musste an das Selbstportrait denken, – ich stelle mir dich, Manuel Stehli in einer deiner Arbeiten auch unbedingt mit geschlossenen Augen vor?
Das Freut mich, dass du das so siehst, würde ich auch so sehen.
Ich finde es sehr friedlich. Er ist ein wenig „In between“, die Socken die er anhat. Die Pose ist auch vertrauensvoll – gleichzeitig eine starke Präsenz, man kann es nicht einfach wieder vergessen, es ist eine „Szene“ die in mir nachschwingt.
Mir ist wichtig, dass es schon auf den ersten Blick wirkt, und dass da aber vielleicht noch mehr ist. Das Bild ist sozusagen eine Collage. Der Mann ist nicht von einer einzelnen Vorlage genommen, er ist zusammengesetzt, der Ober- und der Unterkörper, die Beine gehören nicht zu den Armen und auch nicht zum Kopf. Es ist mir wichtig dass der Körper nicht unbedingt eine Einheit darstellt. Dass das Ganze auch hier wieder in der Schwebe ist. Gehören diese Körperteile wirklich ihm, tun die vielleicht etwas, was sein Gesicht gar nicht richtig widerspiegelt? Ich mag auch, dass das Bild ein bisschen aufreizend ist. Der Penis des Mannes ist praktisch im goldenen Schnitt des Bildes. Das war mir erst gar nicht bewusst, und der schlafende Mann weiß schon gar nichts davon.
Und da wären wir auch schon wieder bei Piero della Francesca!
So ist es.
Out of Touch / Out of Time
Aneta Kajzer / Manuel Stehli
ERÖFFNUNG 01.03.2018 19 Uhr
AUSSTELLUNG 02.03. – 25.03.2018 Di – So: 14 – 19 Uhr Eintritt frei
Künstlerhaus Bethanien, Kottbusser Straße 10, 10999 Berlin
http://www.bethanien.de
Photo Credit: Kathrin Leisch