abc Berlin 2011: Kunstmesse statt Ausstellung?
Wir schreiben den Kunstherbst Berlin 2011. Das artforum berlin ist verschwunden. Aufgegeben worden von seinen Machern und dem Ort, an dem es stattfand. Der Kunstherbst Berlin hat keine Kunstmesse mehr. Ist das so?
Kunstherbst 2011. Die art berlin contemporary, kurz abc, hat ihre freie Form verlassen. 15.000 Besucher zählte sie dieses Jahr. Ein Rekord. Einst pures Ausstellungsformat, in dem zwar die Galerien ihre Künstler unter einem kuratiertem Dachthema unterbringen, sich selbst aber nicht explizit präsentieren durften, ist die abc im Jahr 2011 auf dem besten Weg zur neuen Kunstmesse im Kunstherbst zu werden.
Angekommen ist sie dort jedoch noch nicht. Aber von vorn.
DIE abc MACHER: Die art berlin contemporary wurde 2004 von acht wohl bekannten Galeristen gegründet, die auch das Gallery Weekend Berlin ins Lebens gerufen haben. Darunter Jochen Meyer, Tim Neuger und Giti Nourbakhsch.
DAS PROZEDERE: Die Galeristen geben ein Thema vor, dieses Jahr „About Painting“ und wählen die in ihren Augen hierfür geeigneten Galerien aus. Das waren in diesem Jahr 120 Galerien. Darunter neben den knapp 60 Berliner Vertretern, 60 Galerien aus dem In- und Ausland. Dubai war mit Third Line und van den Eynde da, China mit Long March vertreten, die USA schickten Leo Koenig, team, Kaplan und Harris Liebermann. Dieses Kunstpaket wird an einen Kurator gegeben, der aus den teilweise über 20 Künstlern der einzelnen Galerien, jeweils einen auswählt. Dieses Jahr bezogen 130 Künstler Position zu ihrer Interpretation von Malerei. Kuratiert wurde die abc von Rita Kersting, der ehemaligen Direktorin des Kunstvereins Düsseldorf und Marc Glöde.
DER IMMER NEUE ORT: Jedes Jahr suchen sich die abc Macher einen neuen Ort für die Ausstellung. Dieses Jahr war es The Station am Gleisdreieck, große Industriehallen, die u.a. die Modemesse Premium beherbergen.
abc Berlin 2011: Was ist neu?
DIE GALERISTEN SIND DA: Zum ersten Mal durften sich die Galerien selbst auf der abc präsentieren. Damit hat sich die abc in eine hybride Form gewagt, ist nun weder Ausstellung noch Kunstmesse ist. Das ruft natürlich eine Menge Kritiker auf den Plan. Aber dazu gleich.
DIE ARCHITEKTUR AM GLEISDREIECK: Ich für meinen Teil bin großer Fan der mäendernden Wände des Architekten Jan Ulmer, die sich durch die beiden Hallen gezogen haben. Visuell frontal getroffen wurde man von einem sehr roten Exemplar gleich am Eingang, das eine Arbeit von Matias Faldbakken zeigte. Tja und dann begann die Suche. Wo war denn jetzt die Galerie Giti Nourbakhsch dazu? Und wo war überhaupt Judith, meine Private Curators Partnerin, die seit Neustem die Galerie Wentrup unterstützt und mit Miriam Böhm hier anwesend sein sollte. Nun, ich habe sie gefunden, das Schildchen mit dem Galerienamen aber nicht. Und damit sind wir bei den Hauptkritikpunkten der Galeristen zur abc 2011. Sichtbarkeit. Eindeutigkeit. Organisation.
abc Berlin: Was sagen die Galeristen über sie?
Ich treffe auf Sarah Miltenberger von Carlier Gebauer, die stirnrunzelnd auf einer Bank sitzt und sich Gedanken macht, was genau ihr an der abc in diesem Jahr Bauchgrummeln verursacht. Die Galerie hat gut verkauft, aber die großen internationalen Sammler seien dieses Jahr nicht gekommen, auch die aus dem Rheinland haben gefehlt. Was allerdings auch an der parallel stattfindenden DC Open, dem gemeinsamem Galerienwochenende der Kölner und Düsseldorfer Galerien, gelegen haben mag.
Aber das allein ist es natürlich nicht gewesen, was die Kunstwelt einen Bogen um den Kunstherbst Berlin 2011 hat machen lassen. Für Sarah Miltenberger liegt der Knackpunkt in einer mangelhaften Kommunikation und Aussendarstellung der abc. Sie vermutet, dass viele internationale Sammler gar nicht verstanden haben, dass die Kunst auf der abc auch käuflich ist, dass sie hier auf Galeristen treffen und nicht nur auf Museumswärter. Haben die abc Macher zu viel Innen-/Binnensicht walten lassen?
abc Berlin: Eröffnung ohne VIP Kunstsammler
Was in Sarahs Augen der abc außerdem noch komplett fehlt, ist ein ordentliches VIP Programm. Dieses Jahr hatten die abc Macher wohl zwei Tage vor Eröffnung ein nicht allzu schickes PDF an die großen Sammler geschickt. Das steht in keinem Vergleich zur VIP Pflege des artforum, das auch mal den ein oder anderen wichtigen Sammler einfliegen liess.
Johann von Haeling Lanzenauer, der Galerist der circleculture gallery, erzählt mir von Sammlern, die ein Bild im Wert von 40.000 Euro kaufen wollten und beinahe davon abkamen. Das angeforderte PDF Portfolio kam erst nach 30 Minuten in die Mailbox. Missorganisation? Oder alles nur Nebenwirkungen der Geburt eines neuen Formats? In meinen Augen hat die abc ein dickes Potenzial zu einer Berlintypischen Nicht-Kunstmesse zu werden. Und das meine ich durchaus positiv, auch im kommerziellen Sinn. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack, wenn ich an den Fall des artforum berlin denke. Sollte es gestürzt worden sein, um Raum für ein neues Messeoberhaupt zu machen? Wir werden sehen. Vielleicht steht das artforum ja 2012 wieder auf. Vielleicht ja auch mit einem neuen Format. Berlin wird sich etwas einfallen lassen.
abc Berlin 2012
Die nächste art berlin contemporary wird vom 13. – 16. September 2012 stattfinden.
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