Noga Shtainer – fotografische Liebeserklärungen

 

Noga Shtainer – fotografische Liebeserklärungen

Die junge israelische Fotografin Noga Shtainer macht Portraits, die wie zärtliche Liebesbriefe sind. Jetzt hat sie ihre erste deutsche Ausstellung in Berlin.

Noga Shtainer

Noga Shtainer – aus Israel nach Berlin

Ausgerechnet am Vatertag haben wir uns in Friedrichshain verabredet und prompt ziehen jede Menge schon reichlich angeschickerte Jungs durch die Straßen. Da ist unser Treffpunkt, eine Wagenburg, zugewachsen hinter Bäumen und Büschen, wie eine Oase, eine grüne Idylle mitten in der Stadt. Noga Shtainer hat hier die Bewohner fotografiert, mit dem Blick auf die Idylle, aber auch auf die Realität, ohne jemals aufdringlich zu sein, mit einem ganz besonderen Talent, Zugang zu Menschen zu finden. Nogas Portrait-Fotos wirken denn auch wie liebevolle Berührungen, warm und herzlich, und voller Respekt. Seit drei Jahren lebt die junge israelische Künstlerin mit Mann und kleiner Tochter in Berlin. Fotografin ist sie eher aus Zufall geworden und dann auch noch mit einem kleinen Schwindel

Eigentlich wollte ich in Israel auf die Schauspielschule, aber das klappte nicht, und alternativ wollte ich mich an der Akademie bei Fotografie einschreiben. Man musste eine Mappe mit Fotos mitbringen, aber da ich keine hatte, habe ich einfach Bilder von mir selbst als Kind aus dem Fotoalbum genommen, und gesagt, die hätte ich von meiner Schwester gemacht.

Während ihrer Ausbildung  an der Akademie in Haifa interessierte Noga Shtainer immer mehr, wie sich ein Fotograf zwischen Phantasie und Realität bewegt, wie viel Imagination des Künstlers in seine Bilder einfließt. Selbst bei dokumentarischen Aufnahmen ist es nie ganz möglich, die Sichtweise des Fotografen zu hundert Prozent auszublenden. So soll es auch gar nicht sein, denn fotografieren ist für Noga Shtainer ein sehr emotionaler Akt.

Mit der Kamera habe ich eine gewisse Macht, in dem Sinne, dass ich etwas erzählen kann, ohne Worte zu benutzen. Am Anfang habe ich meine Familie fotografiert, vor allem meine kleine Schwester, die mein Zimmer bezogen hatte. Das half mir, die  vergrabenen Erinnerungen an meine eigene Kindheit wieder nach oben zu holen. Und bei meinen Projekten spielt immer auch irgendwie etwas von meinem eigenen Leben mit hinein.

Noga Shtainer: Ukraine ©courtesy of the artistNoga Shtainer: Ukraine ©courtesy of the artist

Die Serie im Waisenhaus in der Ukraine

Zum Beispiel auch die Serie, die Noga in einem ukrainischen Waisenhaus fotografiert hat. Ihre eigene Mutter ist Waise, und so waren die Reisen zu diesen Waisenkindern ein Stück weit auch die Eroberung der eigenen Familiengeschichte. Wer glaubt, dass die Bilder trist und deprimierend sind, der irrt. Die Fotografin war selbst überrascht, wie viel Buntheit und Fröhlichkeit die Kinder ausstrahlen. Dabei war sie sich immer der eigenen Verantwortung bewusst

Ich hatte ständig diesen Gedanken im Kopf: wie weit kann ich gehen? Benutze ich die Kinder? Ich wollte nicht die Probleme dieses Waisenhauses zeigen, sondern dokumentieren, dass sie bei allem Unglück doch ganz normale Kinder sind und habe ganz viel Liebe in die Aufnahmen gelegt. Und die Kinder haben sich dann wie verrückt über die Fotos gefreut, das kannten sie ja gar nicht.

Noga Shtainer Noga Shtainer: Wagenburg Portraits in Berlin

Auch die Wagenburg Bilder, die Noga in Berlin gemacht hat, sind geprägt von dieser Neugier auf jeden einzelnen Menschen und seine Geschichte und gleichzeitig von einem großartigen Fingerspitzengefühl bei der Annäherung an diejenigen, die sie portraitieren möchte. Die sogenannten Wagenburgen, die in der Presse normalerweise nur erwähnt werden, wenn wieder ein Investor einen Platz räumen will, sind ein ganz spezieller Berliner Ort, von dem sich Noga Shtainer sehr angezogen fühlte.

Das hatte mit meiner Suche nach Identität in dieser Stadt zu tun. Das Fremdsein wirft die Frage auf: wem fühle ich mich nah? Ich habe einfach sofort einen guten Draht zu diesen Leuten gefunden, die ja ein wenig anders als die sogenannten „normalen“ Deutschen sind und mich mit Ihrer Einstellung auch sehr an Zuhause erinnern. Meine Mutter ist so aufgewachsen, in einer Art Kibuzz, fast alles wurde gemeinschaftlich gemacht und das Leben spielte sich viel unter freiem Himmel ab.

Die Berliner Wagenburg Bilder wurden bereits in Shtainers Galerie in Tel Aviv gezeigt. Die Besucher waren erstaunt, dass es in Deutschland so etwas gibt, vor allem, dass die Bewohner diese Lebensform ganz bewusst gewählt haben, auch die, die sich eine Wohnung leisten könnten. Zur Zeit zeigt die Berliner Galerie Podbielski Contemporary – erstmals in Deutschland – Bilder von Noga Shtainer. Einer Fotografin, von der man sicher noch hören wird.  

Die aktuelle Ausstellung  HAMILL & SHTAINER – ROOMS OF REMEMBRANCE läuft noch bis zum 12. Juli 2014 bei Podbielski Contemporary am Koppenplatz 5 // 10119 Berlin. Geöffnet ist sie Di-Sa 12-18 Uhr

Mehr zur Künstlerin findet ihr auf ihrer Homepage: www.artnoga.com

Fotos: Ina Schoenenburg