Katarzyna Kozyra: Olympia als Krebskranke
Wir treffen Katarzyna Kozyra in der Sammlung Hoffmann in der Sophienstrasse. Hier hängen mehrere Fotos ihrer Serie Olimpia, für die sich die Künstlerin während ihrer Krebserkrankung in der klassische Pose der Olympia von Edouard Manet fotografieren liess. Ohne Scheu, dabei auch sehr Privates nach aussen zu tragen.
Ich habe nicht so den Anspruch auf das Private, weil ich nicht finde, dass mir da soviel abhanden kommt. Privatsphäre ist doch sowieso eine Illusion.
Überhaupt versteht Katarzyna Kozyra ihre Kunst als Teil ihrer Person, besonders deutlich wird das auch in ihrem neuesten Projekt „Casting“, einem Spielfilm über ihr eigenes Leben.
Ich suche Darsteller für meinen Geist, meine Seele und meinen Körper. Ich will den Dingen auf den Grund gehen. Aber je mehr man reingeht, desto komplizierter wird es.
Später fotografieren wir Katarzyna Kozyra noch im Garten von Clärchens Ballhaus in der Auguststrasse. Die unvermeidliche Frage nach dem Anteil von ihr selbst in ihrer Kunst beantwortet sie ganz einfach so:
Kunst zu machen, das ist nicht mein Beruf. Das bin ich. Kunst und Leben, das ist ein und dasselbe für mich. Ich muss die Dinge selbst erleben und ausprobieren, erst dann verstehe ich sie.
Katarzyna Kozyra: die Tier-Pyramide, der fulminante Beginn einer Kunst-Karriere
Schon ihre Abschluss-Arbeit der Kunstakademie, die Tier-Pyramide, ist ein Skandal. Die Künstlerin filmt das Töten eines Pferdes, das Abziehen des Fells, das Ausstopfen. Später wird es mit einem Hund, einer Katze und einem Hahn im Stil der Bremer Stadtmusikanten zu einer Installation aufgetürmt.
In Bathhouse filmt sie mit versteckter Kamera in einem Budapester Badehaus nackte Frauen und Männer, ohne den Filter der Kleidung, alt, faltig, dick. In der Version Men’s Bathhouse mischt sie sich gar als verkleideter Mann (einschliesslich Silikon-Penis!) unter die Badegäste. Und stellt fest, dass Frauen, sobald sie unter sich sind, kaum Notiz voneinander nehmen, Männer hingegen sich immer der Gegenwart anderer bewusst sind. Mit dieser Installation war Katarzyna Kozyra auf der Biennale von Venedig vertreten.
Katarzyna Kozyra: Boys, courtesy: Katarzyna Kozyra, Archiv
Boys und Drag Queens
In Boys schnallt sie jungen Männern eine Art Plastik-Vagina vor das Geschlecht und lässt sie vor der Kamera agieren – huch, wie skandalös. Man könnte das doch auch für eine Blume halten, sagt die Künstlerin, und lächelt hintergründig.
Wenn ich Dingen auf den Grund gehen will, vergesse ich, was sich gehört, und was nicht. Die Provokation kommt einfach, sie wird nicht bewusst eingesetzt. Na ja, ein bisschen vielleicht – aber das ist gut so.
Im Film Summertale zerhacken Zwerginnen am Ende im Stil eines Splatter Movie die Drag Queen Gloria und den Gesangslehrer Maestro, und zerstören dabei symbolisch zwei Elemente, die Katarzyna Kozyra im Zyklus In Art Dreams Come True über Jahre begleitet haben. Wie auch in ihren anderen Arbeiten spielt die Künstlerin mit ihrem Publikum, mit Identitäten, Geschlechter-Verhalten und bizarren Situationen, das Ganze mit einen schier unerschöpflichen Phantasie.
Teil der In Art Dreams Come True-Serie ist auch das Video „Cheerleader“, in dem Katarzyna Kozyra den Song „What are you waiting for“ von Gwen Stefani auf ihre ganz eigene Art interpretiert. Ja, eben, ganz genau. In der Kunst werden Träume wahr. Warum also warten?
Text: Katrin Schirner
Fotos: Tatjana Bilger
ARTberlin stellt ausgewählte, etablierte und junge Künstler vor, die in Berlin leben und die Stadt mit ihrer Persönlichkeit und ihren Arbeiten zur Kunstmetropole machen.