Heute um 12 Uhr eröffnet mit Public Face im Rahmen der Malzwiese, dem Sommerfest der Malzfabrik, die zweite Kunst am Bau Installation der DISTRICT Kunst- und Kulturförderung. Ein Jahr lang soll das Public Face von Julius von Bismarck, Richard Wilhelmer und Benjamin Maus den Himmel über Berlin zieren. Von verschiedenen Orten Berlins aus wird man ab heute einen großen, leuchtenden Smiley sehen. Mal wird er lächeln, mal traurig dreinschauen – immer abhängig von der Stimmung der Stadt. Für Julius von Bismarck, Richard Wilhelmer und Benjamin Maus geht es mit der Skulptur auf dem Silo der Malzfabrik in Berlin Tempelhof um Kunst im öffentlichen Raum, das Public Face soll Teil des Stadtbilds werden. Vor allem aber wollen die drei Künstler zeigen, dass Maschinen Emotionen lesen können. Durch eine spezielle Software scannt das Stahlgesicht die Gesichtsausdrücke der Menschen an ihren umliegenden Arbeitsplätzen, deutet deren Mimik und macht sie mit seiner flexiblen Augen- und Mundpartie aus Neonröhren sichtbar. Wie genau das technisch möglich ist, ist fast nebensächlich. Dass es möglich ist aber, kann einen fast ein wenig gruseln. Und zum Nachdenken anregen.
Wie würdet Ihr einem Kind „Public Face“ erklären?
RICHARD WILHELMER: Ich empfinde das als eine Stärke der Skulptur: sie ist Kindern und Erwachsenen gleich zu erklären – und genauso wenig zu erklären. Das Symbol braucht keinen Code, jeder versteht die Mimik des Smileys gleich. Wie der Effekt entsteht, interessiert dabei weder uns noch die Gesellschaft, aber dass unsere Emotion von außen durch einen Computer abgelesen und übertragen werden kann, ist das Erschreckende.
JULIUS VON BISMARCK: Ganz platt würden wir sagen: Das ist eine Maschine, die guckt mit einer Kamera einen Menschen an und merkt, ob der glücklich oder traurig ist.
BENJAMIN MAUS: Von Kunst kann man eigentlich nicht erwarten, dass ein Kind sie versteht. In dem Fall wird es wahrscheinlich genau das Gegenteil sein. Bisher haben wir die Erfahrung gemacht, dass gerade Menschen mit weniger Ahnung von Computern und Technik sich eher auf das Konzept einlassen und daran glauben.
Wie seid ihr auf die Idee zu dem Kunstwerk gekommen?
JULIUS VON BISMARCK: Wir haben zufällig gelesen, dass diese Technik vom Fraunhofer-Institut entwickelt wurde und uns überlegt, wie man auf deren Grundlage ein Kunstwerk herstellen kann. Das ist einige Jahre her, inzwischen gibt es eine breite Masse von Unternehmen, die diese Software verwenden kann. Und man muss davon ausgehen, dass sie auch für Zwecke genutzt wird, die wir nicht kennen.
RICHARD WILHELMER: Mithilfe der Software kann vor allem Kontrolle ausgeübt werden. Auf einmal beurteilt eine Maschine anhand festgelegter Normen, wie wir uns benehmen und welcher Gesichtsausdruck welches Verhalten suggeriert. Automatisch wird eine Person als Subjekt eingestuft, von dem möglicherweise Gefahr ausgeht. Das ist der George Orwellsche Gedanke dahinter, den wir spielerisch darstellen wollten. Leute sehen den Smiley und finden ihn lustig. Dann erfahren sie, dass er Emotionen ablesen kann, und das ist sowieso lustig. In zweiter Instanz bleibt einem das Lachen im Hals stecken, weil man sich überlegt: was passiert, wenn diese Software in falsche Hände gerät?
2010 stand der „Fühlometer“ in Lindau, jetzt habt ihr ihn in Berlin Tempelhof platziert. Was bedeutet die Standortwahl für das Kunstwerk?
RICHARD WILHELMER: Vom Ort ist abhängig, welche Leute sich an ihm befinden. In Lindau war es eine idyllische Situation am Ufer und nun wollen wir versuchen, Firmen zu messen. Es sind völlig andere Aussagen, daher entwickelt sich der Smiley mit seinem Standort inhaltlich weiter und das ist das Schöne an dem Projekt.
BENJAMIN MAUS: Auf der Insel, vor einer schönen Flaniermeile mit Touristen, haben viele den Smiley einfach so hingenommen, uns die Funktionsweise dahinter aber nicht abgekauft. Selbst nachdem wir ihnen Beweisbilder des Objektivs und des Programms gezeigt haben, hieß es noch: „Ne Kamera kann ja jeder hinstellen!“ Damals in Lindau gab es viele Diskussionen im Internet über den Smiley, die waren sehr interessant. Mal sehen, wie die Leute hier reagieren werden.
JULIUS VON BISMARCK: Wir wollen sehen, wie das Konzept in einem urbanen Umfeld funktioniert. Es wird sich schnell rumsprechen, an den Currywurstbuden und beim Bäcker, da treffen sich die Handwerker. Ich habe mein Studio hier in der Malzfabrik, esse mit den ganzen Arbeitern zu mittag und bin gespannt auf deren Smalltalk.
Ein Jahr lang soll der Smiley über dem Süden Berlins stehenbleiben. Wohin kommt er danach?
JULIUS VON BISMARCK: Bei einer Skulptur in der Dimension kann man sich nicht so ganz frei aussuchen, wo man sie hinstellt. Die Installation selbst ist verhältnismäßig teuer und muss auch genehmigt werden. Auf- und Abbau sind ein ziemlicher Aufwand und dieses riesige Ding am Hals zu haben, ist nicht sehr praktisch. Wir würden den Smiley daher auch an jemanden verkaufen, der einen schönen, exponierten Platz für ihn hat. Oder als Kreisverkehrskunst zur Verfügung stellen – er würde sich vielleicht ganz gut am Ernst-Reuter-Platz machen…
Public Face
Eine Installation im öffentlichen Raum
03. Juni 2012 – 31. Mai 2013
Eröffnung: 02. Juni 2012, 12 Uhr
Künstlergespräch um 15 Uhr mit Julius von Bismarck, Benjamin Maus, Richard Wilhelmer, Prof. Dr. Natascha Adamowsky und Jan Bathel.
Text: Laura Pomer
Fotos: Chloé Richard