Jim Avignon. Ich stand außen und wollte nicht rein.

Künstler Interview 

Jim Avignon. Ich stand außen und wollte nicht rein.

Jim Avignon lebt das Unperfekte, will nie Teil des Kunstmarkts sein, ist einer der bekanntesten deutschen Pop Art Künstler. Und gerade in der Krise.

Jim Avignon

JIM AVIGNON IST IN EINER LEICHTEN KRISE.

Er schaut nachdenklich als wir ihn fragen, was ihn beschäftigt.

Die Welt entwickelt sich momentan in eine Richtung, die es mir schwer macht mit meinen humorvollen Motiven auf sie zu reagieren. Das Letzte was ich will, ist zynisch zu werden. Die politische Situation zwischen Ost und West hat für mich aber eine neue Liga aufgemacht. Vielleicht muss ich eine andere Form für meine Kunst finden, um ihr gerecht zu werden. 

Der Pop Art Künstler hält inne und zwar nicht nur in unserem Interview, das wir mit ihm in der Villa Köppe im Grunewald führen. Er wird hier am 8. Mai zusammen mit den Künstlerinnen Uta Brauser und Eva Moll ihre Ausstellung I am going out for a coffee honey eröffnen. Er zieht die Bremse nach zwei Jahren intensivem Arbeiten, Reisen, Malen und Performen. Die Zeit davor hat er in NYC verbracht, was ihm einen gesunden Abstand zum Ausstellungswahn in Europa geschenkt hat.

Dabei wollte er eigentlich nie dazugehören.

Jim Avignon in der Villa Köppe

JIM AVIGNON: KEITH HARING DER HÖHLENMALEREI

Die Mechanismen des Kunstmarkts sind exakt das, was er ablehnt. Abenteuer und Neugierde sind zwei Eckpfeiler seines Wesens. Kunst ist für ihn Kommunikation und Austausch. Preissteigerung durch künstliche Verknappung, Kunst nur für die mit dem großen Portemonnaie, Abverkauf auf Messen – nicht sein Ding. Seine Bilder verkauft er für einen Appel und ein Ei.  Seine Themen: Schnelligkeit, das Lebensgefühl der Generation Techno und unser Scheitern in der über-beschleunigenden Welt. Jim Avignon, der sich selbst schon mal als den „schnellsten Maler der Welt“ bezeichnet, hat es trotzdem und vielleicht genau deswegen „geschafft“.  Als deutscher Pop Art Künstler und Vertreter der Art modeste rast er als Maler, Musiker, Illustrator und Konzeptkünstler durch die Welt. Sesshaft, was das falsche Wort ist, ist er höchstens in Berlin und NYC. Öffentlich wurde er mit seiner Kunst in der Berliner Techno Szene.

Ich war einfach der einzige Künstler, der in einer Nacht einen ganzen Club vollmalen konnte.

Damals nannte man ihn aufgrund der Hell-Dunkel-Kontrast-sprühenden Arbeiten den „Keith Harings der Höhlenmalerei“. Dann ging es Schlag auf Schlag. Auf der Documenta X malte er  mit 25 Jahren– außerhalb des offiziellen Ausstellungsprogramms – jeden Tag ein neues Bild, um es gleich wieder zu vernichten. Eine Guerilla Aktion, die ihm viel Aufmerksamkeit schenkte. Nicht gerade klein war das Gemälde mit einer Fläche von 2800 m², das Jim Avignon für die Wiedereröffnungsfeier des Berliner Olympiastadions schuf und von 132 Sportlern in das Stadion tragen ließ. 1991 bemalte er ein Stück der Berliner Mauer auf der East Side Gallery, um sein eigenes unter Denkmalschutz stehendes Mauerbild im Oktober 2013 wieder zu übermalen. Skandal. Es folgten Auftritte als Ein-Mann-Band unter dem Namen NeoAngin, das Bemalen eines BA Flugzeuges und Gestalten einer Swatch Uhr.

1995 war ich am Höhepunkt meines kommerziellen Erfolgs. Da ich nicht mit der Kunst Geld verdienen wollte, tat ich es mit Werbung. Bis zu dem Moment als ich mich komplett von mir selbst entfremdet fühlte.

Jim Avignon kennt das Gefühl. Von Beginn an hat er mit verschiedenen Namen und Persönlichkeiten gespielt. Was er war, war nicht er – das ließ ihn nicht los. Als er mit Mitte 20 bei dem Namen Jim Avignon angelangt war verselbstständigte sich dieser.

Ich war damals der Prototyp eines Nomadenkünstlers – Habe in Köln gewohnt, bin morgens zum Frühstück mit dem Tramper-Ticket nach München gefahren und nachmittags nach Frankfurt zum Kunstevent. In Avignon bin ich mit dem Auto liegen geblieben. Bis dahin hatte ich noch nie gearbeitet. Um die Reparatur bezahlen zu können, malte ich Dali Figuren auf das Pflaster und verdiente mit Kunst mein erstes Geld. Alle Projekte, die ich danach unter dem Namen Jim Avignon gemacht habe, sind bei den Menschen hängen geblieben.

JIM AVIGNON: ICH LEBE DAS UNPERFEKTE

Jim hat die Gabe seiner Neugier zu folgen, zu handeln bevor er lange darüber nachdenkt und sich dabei eine Reinheit zu bewahren, die beinahe kindlich verspielt anmutet. Weg von intellektueller Optimierung und Perfektion, Bleiben beim spontanen Ausdruck.

Ich möchte mich mit den Dingen, die ich mache selbst überraschen.

Vielleicht kommt auch daher seine Faszination für Disaster. Auf seinem Blog erzählt er ungeniert über kleinere und größere Zwischenfälle auf der Bühne und im Alltag.

Man erfährt doch viel mehr über das Leben, wenn etwas schief geht. Ich lebe das Unperfekte. Das perfekte System ist statisch, aber die Welt verändert sich doch ständig. Das Interessante für mich ist der Kipp-Moment.

Jim AvignonJim Avignon

AUSSTELLUNG IN DER VILLA KÖPPE

JIM AVIGNON | UTA BRAUSER | EVA MOLL I’m going out for a coffee, honey…
Opening: Do. 08.05.2014 // 19—22 Uhr / Ausstellung: 09.05. – 06.06.2014
Villa Köppe / Knausstrasse 19 / Berlin, Grunewald 

Alle Fotos: Shirin Ourmutchi für ARTberlin