Schönheit pur. Gleich fünfmal. Wie zum Dreieck arrangiert sitzen sie da, auf den Holzplanken des Studios, weiches Licht, im Hintergrund eine Ecke, an der sich drei Grautöne treffen, aber dahin schaut man eh nicht, man bleibt hängen an der glatten Haut der Frauen, der ineinander und mit sich selbst verschlungenen Arme und Beine, folgt dem Schwung der Locken und Strähnen, den klaren Augen, die alle auf den Betrachter gerichtet sind, ein Fokus der Lust – ein Bild der Leidenschaft.
Herb Ritts: Stephanie, Cindy, Christy, Tatjana, Naomi, Hollywood, 1989, The J. Paul Getty Museum, Los Angeles, Gift of Herb Ritts Foundation, 2011.18.28, ©Herb Ritts Foundation
Herb Ritts und die Supermodels: Von Twiggy zu Naomi
Supermodels. Der Begriff tauchte in den 1980ern auf, dabei gab es natürlich schon früher welche, etwa Twiggy, Jerry Hall, Veruschka, Gia. Supermodels sind Models, die unabhängig von dem Produkt oder der Zeitschrift, also über ihren reinen Status als Anzeigen- oder Editorial-Figur Berühmtheit erlangen. Man kennt ihre Namen, man kennt ihre Geschichte. Oft reichen die Vornamen, ehrfürchtig gemurmelt von jungen Mädchen auf der ganzen Welt, die ihnen nacheifern, lapidar ins Gespräch eingeflochten von Modeleuten, Fotografen, Stylisten, die Naomi, Claudia („Klohdia“), Heidi oder Kate natürlich „kennen“, weil sie mit ihnen schon gearbeitet haben oder zumindest die „Sed Card“ besitzen. So heißt also dieses Bild vom großen Modefotografen Herb Ritts einfach nur „Stephanie, Cindy, Christy, Tatjana, Naomi“ – und jeder weiß, wer damit gemeint ist:
Stephanie, das ist Stephanie Seymour, die eine wilde Affäre mit Axl Rose von Guns N’Roses hatte. Cindy meint natürlich Cindy Crawford mit ihrem unverwechselbaren Leberfleck, Ex-Frau von Richard Gere, bestbezahltes Model in den 1990ern, heute Schuhdesignerin (5th Avenue). Christy Turlington, unsterblich durch die Eternity-Kampagne, verheiratet mit Edward Burns, Designerin der Yoga-Linie Nuala für Puma, Hauptfigur der Dokumentation „Catwalk“ (1996) über ihr Leben. Tatjana Patitz, die Deutsche, bekanntes Lindbergh-Model, die Affären mit Johnny Depp, Pierce Brosnan und Richard Gere hatte und dann jahrelang auf einer Ranch lebte. Und Naomi, ach ja, Naomi, das enfant terrible der Szene, geboren in London, Mutter jamaikanische Ballettänzerin, Vater unbekannt, Naomi Campbell, das erste schwarze Model, das es auf Betreiben von Yves Saint Laurent auf ein Cover der Vogue schaffte (der französischen, 1988). Tauchte in Filmen auf, schrieb einen Roman („Swan“), natürlich nicht selbst, brachte bisher acht Düfte heraus. Zuletzt Schlagzeilen in der Blutdiamaten-Affäre um Ex-Diktator Charles Taylor… Oh, ja, „Editor at large“ des deutschen Interview ist sie auch.
Porträt Herb Ritts, ©Herb Ritts Foundation
Herb Ritts: Für ihn zogen sich alle gern aus
Weil er Mode oft langweilig fand, ließ er sie in seinen Produktionen gern weg. Ihn interessierte das Hell-Dunkel-Spiel der nackten Haut, der athletische Körper, ein klares Gesicht. Selten sahen Männer erotischer aus, Frauen verführerischer. Dabei war Herb Ritts eigentlich Amateur. Geboren 1952 in Los Angeles, studierte er erst Wirtschaft und Kunstgeschichte, arbeitete als Möbel-Vertreter für seine Eltern und knipste in seiner Freizeit – so auch einen guten Freund von ihm, auf einem Trip, an einer Tankstelle, in Jeans, Muscle-Shirt, mit Fluppe zwischen den Lippen, verschwitzt, sexy. Das war Richard Gere, zu dem Zeitpunkt völlig unbekannt, zwei Jahre später, nach „American Gigolo“, plötzlich ganz bekannt. Alle Magazine druckten das Foto, Herb Ritts war ein Star. Er holte sich Tips von Bruce Weber, arbeitete für Andy Warhols Interview, für die Vogue, für Harper’s Bazaar. Seine geometrischen, kontrastreichen, zeitlos schönen Plateaus markieren eine ganze Epoche. Gern fotografierte er mit natürlichem Licht, seine Bilder atmen Sonne, spielen mit dem Meer, dem Sand, dem Himmel, Kalifornien war Ritts Mantra. Madonna überredete ihn, sein erstes Video zu drehen, „Cherish“ 1989, es folgten „Wicked Game“ von Chris Isaak und „Love Will Never Do (Withouth You)“ von Janet Jackson, beide „Music-Video of the Year“ bei MTV, danach unzählige Commercials. Herb Ritts lebte offen homosexuell und engagierte sich im Kampf gegen Aids. Er starb 2002 in Los Angeles. Sein letztes Shooting, kurz davor, war eine Serie mit Ben Affleck für Vanity Fair in seiner geliebten Wüste, an einem ausgetrockneten See bei El Mirage. Das Licht ist dort besonders schön.
Aktuelle Ausstellung von Herb Ritts
Herb Ritts: L.A. Style, J. Paul Getty Museum, Los Angeles
bis 26. August 2012
Katalog bei Getty Publications, englisch, 59,95 Dollar, deutsche Ausgabe bei Schirmer/Mosel, 78 Euro