Dennis Hopper: „Paul Newman, Malibu, CA, 1964“, ©The Dennis Hopper Art Trust, Courtesy of The Dennis Hopper Art Trust
Dennis Hopper
Was sind Rebellen? Menschen, die den Konventionen nicht entsprechen, die sich gegen ihre Regeln auflehnen, die vielleicht einen Gegenentwurf probieren oder einfach nur sind, wie sie sind, und das ist anders. Auf der politischen Ebene mögen sie mit Worten oder Waffen kämpfen, auf der sozialen ist es ihre Ausstrahlung, die einer Sehnsucht entspricht oder Ängste schürt. Die Gesellschaft duldet Helden nur im positiven Sinn, denn Helden dürfen die Norm nicht in Frage stellen. Tun sie dies, kann es gefährlich werden. Für die Gesellschaft, für die Rebellen. Dennis Hopper war 18, als er eine Nebenrolle in dem Film „Rebel without a Cause“ („…denn sie wissen nicht was sie tun“, 1955) hatte. James Dean, die Hauptfigur, introvertierter, störrischer Charakter, Vorbild der Rock’n’Roll-Generation, war auch privat die Inkarnation des Rebellentums. Einer Legende nach drückte James Dean dem jungen Hopper die erste Kamera in die Hand. Damit ordnete sich die Welt neu. Der Blick, das Interesse an den Dingen. Der Umgang mit anderen Personen.
Ich bin ein schüchterner Mensch, und viele Jahre war die Kamera für mich ein großartiges Mittel, mir die Leute vom Leib zu halten. Ich war damit beschäftigt, ein Bild zu machen, und musste mich deshalb nicht mit ihnen befassen.
Dennis Hopper: Fotografieren als Überlebensstrategie
Dennis Hopper galt selbst bald als Rebell, beziehungsweise als Störenfried am Set. Mit dem Regisseur Henry Hathaway hatte er sich angelegt, in Hollywood galt er als „persona non grata“, zog einige Zeit nach New York, besuchte dort die Schauspielschule von Lee Strasberg, freundete sich mit Andy Warhol an. Zum 25. Geburtstag schenkte ihm seine damalige Freundin und spätere Ehefrau Brooke Hayward eine Nikon. Die hängte er sich um und fing an, exzessiv zu fotografieren. Er war beim „Selma-to-Montgomery-March“ dabei, den Martin Luther King Jr. organisierte. Er dokumentierte die Hell’s Angels, Prügeleien mit Polizisten, einen Set in Mexiko, er knipste Passanten, bröckelnde Mauern, und immer wieder Künstler, Musiker, Freunde:
Ich habe mit diesen Photos keinen Cent verdient. Sie haben mich Geld gekostet, aber auch am Leben erhalten. (…) Zugleich sind sie Zeittafeln, unendlich und hoffentlich ein Weg, beglückt das Leben in einem neuem Licht zu betrachten und zu sehen, dass Kunst überall ist, in jeder Ecke, die man ins Bild rückt, statt sie einfach zu ignorieren und daran vorbeizugehen.
Filmplakat von „Easy Rider“ (1969), Regie: Dennis Hopper, zu bestellen über: www.moviewallpapers.net
Easy Rider: Stinkefinger gegen das Establishment
Kalifornien in den 1960er Jahren war das Eldorado für Andersdenkende. Der Gruppe Grateful Dead folgten die Fans, genannt „Deads“, auf ihrer Tour quer durch den Bundesstaat, man experimentierte mit LSD und neuen Lebensformen, auf der Suche nach der totalen Freiheit oder dem Sinn der Galaxie oder dem persönlichen Unendlichkeitserlebnis. Dennis Hopper tauchte ein in diese Szene und setzte ihr mit einer eigenen Regie-Arbeit ein Denkmal: „Easy Rider“, die Geschichte zweiter Outlaws auf ihren Choppern. Peter Fonda mit Lederjacke und heller Sonnenbrille, die Amerika-Flagge ziert seinen Helm und den Tank seiner Harley, Captain America grüßt aus den Comics, und Dennis Hopper selbst, Cowboy-Outfit und Schnauzer, etwas einfältig, aber mit Spaß am Leben, diese beiden knattern durch das Land, ziehen Unverständnis, Bewunderung oder Hass auf sich, sie sind die personifizierte Angst der „Normalen“ vor dem Verlust ihres sie haltenden Korsetts. „Born to be wild“, Steppenwolf, als Hymne des Selbst. Morgens ein Joint und der Tag ist dein Freund.
Dennis Hopper: Selbstportrait, 1961
Dennis Hopper & Paul Newman: Die Unbeugsamen
1969 kam „Easy Rider“ in die Kinos, 1970 zeigte das Fort Worth Art Center in Texas 429 Fotografien von Dennis Hopper, die in den Jahren 1961-1967 entstanden waren. Kleinformatige, aufgezogene Schwarz-Weiß-Abzüge, direkt mit Holzleiste an die Wand montiert. Nach der Ausstellung verschwanden sie, erst kürzlich wieder entdeckt auf dem Dachboden der Hoppers, in Kisten mit der Aufschrift „Weihnachstsschmuck“. Im Martin-Gropius-Bau hängen diese Tafeln nun hinter Glas, im 2. Stock, die Marmortreppe hoch, von irgendwo her kommt Klaviermusik. Ein etablierter Rahmen, in dem das Rebellische noch einmal aufleben darf, aber schön geschützt. Am Ende der Parkettflucht läuft „Easy Rider“, und die Grunewalder Damen, die ihn sich gerade angucken, schauen ungläubig bis versteinert. Das kleine Porträt von Paul Newman, Malibu, 1964, hängt zwischen lauter Frauen, zwischen Hoppers Freundin Brooke, der Schauspielerin Diane McBain, der Rückenansicht einer Frau und einer unbekannten Schönen im Boot am Strand. Auf Paul Newmans freien Oberkörper, leicht zusammengesunken, ist der Schatten eines Gitterzaunes zu sehen. Ein Muster, ein Stigma, eine Projektion. Wer schaut von wo? Was will die Gesellschaft? Wer darf frei sein? Im Film „Cool Hand Luke“ („Der Unbeugsame“, 1967) spielt Paul Newman einen dekorierten Kriegs-Veteranen, der wegen einer lächerlichen Sache eingesperrt wird und ins Straflager kommt. Die Gefängniswärter schikanieren ihn, er kann fliehen, wird wieder eingefangen, flieht erneut, wird erneut gefangen – und lässt sich bis zum Schluss nicht brechen. Der berühmte Satz des Captain „What we’ve got here is a failure to communicate“ kann als Motto für den Graben zwischen Freiheit und Konvention gelten. Dennis Hopper spielt eine Nebenrolle in dem Film. Sicher hatte er auf dem Set auch seine Kamera dabei. Das vorliegende Porträt hier datiert allerdings schon von 1964, drei Jahre zuvor. Die Aura der ersehnten Freiheit ist die gleiche.
Das dringende Bedürfnis, diese Photographien und Gemälde zu machen, kommt von einem realen Ort, einem Ort der Verzweiflung und Einsamkeit, in der Hoffnung, dass man eines Tages sehen würde, dass diese Objekte, Gemälde und Photographien die Leere füllen, die ich fühlte.
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Dennis Hopper Ausstellung im Martin-Gropius-Bau
„Dennis Hopper – The Lost Album. Vintage-Fotografien aus den 1960er Jahren.“
Martin-Gropius-Bau, Berlin
bis 17. Dezember 2012
Nadine Barth stellt jede Woche eine Arbeit von Fotografie-Ikonen vor. Künstler, denen sie oft selbst begegnet ist. In der Serie bereits erschienen sind u.a. Künstler wie Arnold Newman, Dorothea Lange, Stephen Shore, Hiroshi Sugimoto, F.C. Gundlach, Philip-Lorca di Corcia, Barbara Klemm, Andreas Feininger, Joel Sternfeld, Herb Ritts, Diane Arbus und Erwin Blumenfeld.