Was hat sich seit deinem Debut bei dir ergeben?
Seit dem Release meiner ersten Single “HEAT“, kamen zwei weitere hinzu (RUN und WATER). Darüber hinaus habe ich ein paar spannende Konzerte in Polen, Lettland, Frankreich und Finnland spielen dürfen. Polen hat mich bisher am meisten beeindruckt. Es ist doch erstaunlich wie wenig westliche Künstler den osteuropäischen Raum bespielen. Dabei sind die Reaktionen so ungeheuer wertvoll – zumindest für mich war das so. Von der eigentlichen Musik abgesehen, bietet ein Konzert in der Regel verschiedene Aspekte, die dem Publikum gefallen könnten, oder wichtig sind. Ich habe festgestellt, dass der Fokus auf Inhalte viel mehr Relevanz in Osteuropa zu haben scheint, während anderswo vielleicht eher ästhetische Aspekte überzeugen.
WATER: Worum geht es in dem Song?
Als ich den Song schrieb, lebte ich gerade in Bergen. Als niederschlagreichste Stadt Europas, regnet es da auch gerne mal horizontal. Ständig ist man von Wasser umgeben. Da beschäftigt man sich quasi zwangsläufig mit diesem Element. In dem Song geht es um das Gefühl „fremd“ in einer neuen Umgebung zu sein. Ein für mich schon fast gewöhnlicher Zustand! Später stellte ich dann fest, dass parallel die Flüchtlingskrise ihren Höhepunkt erreicht hatte. Als Kind bin ich selbst als eine Art Flüchtling nach Deutschland gekommen. Der Hintergrund ist natürlich keinesfalls auch nur annähernd vergleichbar, aber eben dieses Gefühl des „Fremdseins“ ist eine ähnliche Erfahrung an sich.
Die Neugier und Hoffnung einerseits und Ablehnung und Culture Clash andererseits.
Das „Dabeisein“, ohne das „Dazugehören“…
Dies ist Deine zweite Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Dyland Gephart aus Chicago, was macht die Arbeit mit ihm so besonders? Welchen Input gebt ihr euch gegenseitig?
Zunächst einmal ist die Arbeit mit Dylan unglaublich einfach und das Resultat großartig. Es ist schwer mit einem kleinen Budget etwas umzusetzen, das mit einem bestimmten Niveau mithalten kann. Mit Dylan war das von Anfang an easy. Wir trafen uns über eine Empfehlung durch Berlin Art Link und ich wusste gleich:
Wow, mit dem willst du zusammenarbeiten.
Kennst ihr das Gefühl des „Art-Crushs“? Das hatte ich als ich seine Webseite sah. Wir treffen uns in der Regel zu einem Kaffee, ich erzähle ihm von dem Song, der Atmosphäre und einigen Bildern und Ideen und frage ihn ob er sich das vorstellen kann. Dann gibt er Input, jeder macht seine To Dos usw. … Gerade arbeiten wir an einem neuen Video für meine im Herbst erscheinende EP-Single „DICTATORSHIP TECHNO“.
Das Thema Identität spielt in deinem Leben und deiner Musik eine Rolle…
Identität, Mentalität, Nationalität. Ja absolut. Ich glaube beispielsweise an den Einfluss von Mentalitäten, habe aber schon immer ein Problem mit dem Nationalitätenbegriff gehabt. Oder dem, was viele damit verbinden. Nur weil man an einem Ort geboren wurde, heißt das nicht, dass einem gewisse Attribute zugewiesen werden können. Deine Identität wählst du dir selbst. Zum Thema Nationalität, ein paar Beobachtungen, die ich in meinem Leben gemacht habe:
Als Kind erzählte mir eine Freundin, dass sie nicht mehr mit mir spielen darf, weil meine Mutter Russin sei. Im Teenage-Alter traf ich einen Typen aus den USA der nicht verstehen konnte, dass ich mich als Kind russischer Eltern trotzdem nicht als Russin sah. Und letztens rief ich bei der Bank an um was zu regeln und da es schnell gehen musste, erzählte ich von meiner Riga-Reise am nächsten Tag. Der Beamte sagte dann beherzt: „Ah! Es geht in die Heimat!“ und man hört, dass ich Akzentfrei Deutsch spreche.
So erlebe ich immer wieder, wie andere Leute mir erzählen wollen, wer ich bin und welche Identität ich habe.
Du arbeitest oft an der Schnittstelle zur Bildenden Kunst, gestaltest Cover und Bildmaterialien selbst und momentan planst du sogar eine Sound – Installation, kannst Du uns darüber mehr verraten?
Es ist schön in einer Zeit zu leben, in der Popmusik relativ frei vom kommerziellen Unterhaltungsfaktor existieren kann. KOY kann also auch als eine Art Plattform, oder „inneres Atelier“ bezeichnet werden, in dem ich mich wild austoben kann. Bildende Kunst spielte schon immer einen wichtigen Teil in meinem Leben – die Grenzüberschreitungen ergeben sich da wahrscheinlich natürlich. Man muss aber auch vorsichtig sein um sich als Künstler nicht zu wichtig zu nehmen.
Das Interesse für eine Soundinstallation hegte ich schon länger und als ich dann von einem Künstler dazu ermuntert wurde die Ideen in die Tat umzusetzen und sich immer mehr Ausstellungsangebote ergaben, war ich schnell begeistert. Zurzeit arbeite ich an einer Black Box, die eine Art digitales Sound-Portrait erstellt. Die Idee beruht auf der fehlenden Transparenz von dem Orakel „Internet“. Einerseits bildet es genau dein Weltbild ab, andererseits erhält man pseudo-professionelle Antworten auf alle Belange des Lebens. In wieweit beeinflusst das unsere Identität? Das fasziniert und erschreckt mich zugleich.
AN DIE MUSIKERIN: Welche Projekte stehen außerdem noch an und wo kann man Dich live spielen sehen?
Gerade arbeite ich an dem Release meiner ersten EP. Dazu habe ich mich entschieden eine Diktatur zu etablieren. Spätestens bei meiner Amtseinführung werde ich sicherlich spielen. Ich habe auch zahlreiche überbezahlte Posten an dafür unqualifizierte Leute zu vergeben.
AN DIE KUNSTLIEBHABERIN: Welche Ausstellung darf man dieses Jahr nicht verpassen?
Oh wo soll ich nur anfangen!? In Slovenien findet vom 30. Juli – 4. August ein spannendes Kunstfestival statt. Da in den westlichen Kunstmedien der Osten immer noch unterrepräsentiert ist: auf zu Fotopub!
In Helsinki eröffnet das Amos Rex Ende August. Ein privates Großprojekt, dass in einen architektonisch beeindruckenden, unterirdischen Neubau einlädt. Die Pläne erinnern stark an eine Art Raumschiff! Wenn man schon dort ist, sollte man auch unbedingt das Kiasma besuchen. Dort wird gerade auch eine ganz gute Ausstellung mit Künstlern aus dem baltischen Raum gezeigt. „There and Back Again“ (noch bis zum 24.3.2019) – künstlerisch und politisch nicht uninteressant.
In Moss Norwegen hat Punkt Ø gerade erst eine besondere Anish Kapoor Ausstellung in der Galleri F15 eröffnet. Seine Skulpturen in der Norwegischen Landschaft sind bestimmt eine ganz eigene, atemberaubende Erfahrung und in Berlin empfehle ich einfach mal ein paar Atelierbesuche zu machen! Wer Malerei mag, den werden Fleur Helluin, Friederike Jäger, Mario Weinberg und die Naturkunstgruppe sicherlich beeindrucken. Und natürlich darf man keine Ausstellung der in Berlin lebenden Künstlerin Marianna Uutinen verpassen – ich bin großer Fan!
Vielen Dank!
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Authors: Barbara Green, Wayra Schübel von GREEN | GONZALEZ