Kunst im Hyatt: knallt.
Wir waren in der Kunstsammlung des Grand Hyatt zu Gast. Eingetreten sind wir mit skeptischem Stirnrunzeln, gefasst auf eine Sammlung, die sehr wahrscheinlich mehr Einrichtung als künstlerisches Werk sein würde. Das mit der „Polarisierungs-Anspruch“ der Sammlung konnte auf keinen Fall wahr sein.
Ein dreiteiliges Gemälde von Gerold Miller in rot auf hellbraunem Holz. Ein knallblauer überdimensional großer Bilderrahmen, eine Auftragsarbeit des Schweizer Konzeptkünstlers John Armleder, um den sich ein deckenhoher roter baumförmiger Weihnachtsstern rankt. Ein grünlich schiefergrauer Steinboden auf dem unsere Winterstiefel kleine Pfützen hinterlassen. Es ist Montagabend und wir stehen in der Empfangshalle des Grand Hyatt am Potsdamer Platz und ich frage mich, wer hier für die allzu knallige Farbkombination verantwortlich ist.
Judith und ich sind vom Stober Kreis zum Rundgang durch die Sammlung eingeladen worden. Der Stober Kreis ist so etwas wie die Junior-Liga der Freunde der Nationalgalerie. Unter 35 muss man sein und sich „kämpferisch für die Jungen Wilden, die junge Kunst und die Jugend überhaupt“ engagieren wollen, so hat es sich der Gründungsvater Hans-Herrmann Stober gewünscht. Real betrachtet sieht das so aus: Die Mitglieder kommen zwei Mal im Monat in den Genuss von privaten Führungen durch Museen, Galerien oder Kunstsammlungen in Berlin. Im Gegenzug will der Vorstand der Freunde der Nationalgalerie ihre kritische Stimme zum Verein hören. Neue Impulse sollen sie bringen und natürlich mit dem Mitgliedsbeitrag die zeitgenössische Kunst unterstützen.
Das ist ein ganz besonderer Boden, der nur selten für Innenräume verwendet wird
erklärt uns, Kerstin Riedel, die PR Chefin des Grand Hyatt. Ungewöhnlich robust soll er sein und damit im Gegensatz zu den 25 zeitgenössischen und bekanntlich eher fragilen Künstlern stehen, deren Arbeiten das Hyatt in der Lobby, den Hotelgängen und den Suiten inszeniert. Das Hotel hat unter anderem Kunstwerke von John Armleder, Monika Baer, Sylvie Fleury, Jaehyo Lee, Gerold Miller, Susanne Paesler, Gert Rappenecker und Dieter Roth erstanden und will damit „Maßstäbe“ in Sachen Kunstsammlung in der Hotelerie setzen.
Der Kurator: Die Daimler Kunst Sammlung
Ich gebe zu, ich bin skeptisch. Eine Kunstsammlung im Hotel, die durchaus „polarisieren“ und trotzdem in ein 5-Sterne Superior Hotel passen soll. Immerhin, das Hyatt hat sich sich in der Liga der Grand Hotels als zeitgenössische Interpretation derer durchgesetzt. Kein Plüsch sondern Granit ist die Devise. Und eben zeitgenössische Kunst statt goldglänzende Krohnleuchter. Kuratiert wurde die Sammlung vom Innenarchitekten des Hotels und der Daimler Kunst Sammlung. Eine Paarung, die ich irgendwie ehrlich finde, weil sie die Priorität klarmacht. Die Kunst dient der Inszenierung der Räume und nicht umgekehrt.
So denke ich, während wir uns in den Aufzug quetschen und in Richtung der Maybach und Präsidenten Suite empor schweben, die eine Reihe sehenswerter Werke beherbergen sollen. Kurz zuvor haben wir unsere Finger über die glatt geschliffenen Holzstamm-Skulpturen aus japanischer Pinie streicheln lassen, die der koreanische Künstler Jaehyo Lee für das Hotel geschaffen hat. Und unsere Nasen daran gehalten. Sehr gut riechen die, man verzeihe mir den kunstdilletantischen Ausflug.
Als sich die Aufzugtür zur Seite schiebt, bin ich überrascht. Gar nicht gewöhnlich leuchten da schmale Rechtecke an den steingrauen Wänden. Fotografien in dunkelgelb scheinenden Leuchtkästen begleiten uns auf dem Weg zur Suite und wirken auf mich sehr souverän, weit entfernt von rein dekorativem Anspruch. Erik-Jan Ouwerkerk heißt der niederländische Fotograf, der die schwarz-weißen Berlin-Motiven über ein Siebdruckverfahren auf die Glasscheiben angebracht hat.
Sylvie Fleury in Plüsch
In der Suite selbst hängt junge Kunst neben einem der Plüschbilder von Sylvie Fleury. Über dem Sofa in off-weiss wirkt die grau-weisse Landschafts-Malerei von Gert Rappenecker, die mich immer durch ihre fotografische Anmutung verzaubert. Bevor wir in den Sex in the City Kleiderschrank einfallen, nehmen wir noch schnell die ebenfalls farblich schick inszenierte Leseecke mit.
Robbie Williams hat sich wohl einst in eines der Kunstwerke hier verliebt und es kaufen wollen. Dabei ist er dann aber an den Prinzipien der Hoteldirektion gescheitert. Verkauft werden im Hyatt nur Hotelzimmer, niemals die Kunst. Obwohl das in Zeiten einer Überzahl an Hotelzimmern in Berlin bestimmt nicht die schlechteste Geschäftsidee gewesen wäre.
Aber zurück zum Schöngeist. Der tritt immer dann zutage, wenn sich die Aufzugtüren öffnen und unsere Augen auf ein weiteres Werk treffen. Dort, wo das Grand Hyatt auf großzügige Inszenierung setzt, wo Raum für die Kunst, und nur für sie, geschaffen worden ist, dort wirkt sie und löscht das Urteil der dekorativen Hotelinszenierung aus meinem Kopf.
Demnächst wird das Hotel den Museumsansatz noch ein bisschen weiter ausbauen. Im Aufzug sollen Fotos von den Kunstwerken auf den verschiedenen Etagen erzählen und ein Katalog die Sammlung illustrieren. Die Idee Einzelausstellungen von Künstlern in Suiten zu inszenieren ist leider verworfen worden. Das führte dann doch zu weit weg vom eigentlichen Kerngeschäft.
Nach nochmaligen heftigem Streicheln der diesmal aus Stein und Metall gefertigten Skulpturen von unserem erklärten Liebling Jaehyo Lee, treten wir in die klirrend kalte Berliner Nacht hinaus. Hinter uns schließt sich mit einem sanften Schmatzen die Schiebetür zur Lobby, deren Farben gar nicht mehr so sehr in unseren Augen geschmerzt haben.
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