Am Montagmorgen nach dem Gallery Weekend war es raus: Berlin funktioniert (noch) immer als Magnet für die globale Kunstwelt und das Gallery Weekend als Fixpunkt im jährlichen Kunst-Rundlauf um die Welt. Nach drei Tagen und Nächten im Gallery Weekend Sprint, behaupten wir: Das Gallery Weekend ist mehr als die „perfect excuse“ für internationale Sammler, ein paar wilde Tage in Berlin zu verbringen. Die Arbeiten und Künstler, die in den 51 Berliner Galerien präsentiert wurden, war natürlich mit Bedacht und Kalkül ausgesucht, aber weit entfernt von „Kunstmessen-Kunst“, das schlimmste Wort unter ernsthaften Kunstliebhabern, wie wir gerade auf der FRIEZE NYC gelernt haben. Und ja, hier ist sie, unsere Entschuldigung für den etwas verspäteten Gallery Weekend Rückblick: wir sind sozusagen mit dem letzten Häppchen vom Murkudis-Frühstück in der Hand am Sonntag in den Flieger nach NYC gesprungen, um dort im FRIEZE, NADA und Chelsea Gallery Night out Getümmel unterzutauchen. Den Bericht zur Frieze und den neusten Hotspots in der NYC Kunstszene gibt es dann aber direkt diese Woche noch, versprochen. Zum Aufwärmen oder besser: Nachträumen jetzt aber hier das Gallery Weekend in Bildern.
Gallery Weekend: 7. Berlin Biennale Opening
Die 7. Berlin Biennale, die zeitgleich mit dem Gallery Weekend stattfand, wurde gleich zwei Mal eröffnet: eine in den Kunstwerken und eine in der St. Elisabeth-Kirche in der Invalidenstrasse. Dort eröffnete der Künstler Pawel Althamer seinen Draftmen’s Congress, was so viel wie Zeichnerkongress heißt, ein umfassendes und partizipatives Projekt der 7. Berlin Biennale, das sich dem Medium Zeichnung annimmt. Und eine hübsche Kulisse dafür ausgewählt hat.
Die gesamte St. Elisabeth-Kirche war mit Papier ausgekleidet und damit Leinwand. In Zukunft werden hier eingeladene ZeichnerInnen auf die bereits vorhandenen Zeichnungen reagieren, gegeneinander antreten, um mittels der Zeichnungen zu diskutieren.
Draussen vor der Kirchentür trafen wir auf Judy Lybke (in einem fantastischen, wenn auch gewagten Trachtenanzug mit ironischer Note), der noch schnell erzählte, dass auch zwei EIGEN + ART Künstler, David Schnell und Stella Hamberg bei, Draftmen’s Congress mit gezeichnet hatten.
Gallery Weekend: Andreas Mühe bei Dittrich & Schlechtriem
Andreas Mühe, eines der großen jungen Talente der deutschen Fotografie, war schon ein bisschen nervös, als wir ihn vor der Galerie Dittrich & Schlechtriem trafen. „Ich bin in die Vollen gegangen“ sagte er und warf einen Blick zu den jüdischen Institutionen nebenan. Später flüsterte mir jemand zu, dass die meisten seiner Fotografien von pissenden Nazis, die eigentlich nur als „kleiner“ Störfaktor in der Inszenierung von urdeutschen Landschaften wie das Berchtesgadener Land, der Watzmann oder der Königssee gedacht waren, bereits verkauft sind – an jüdische Sammler. Eine Ausstellung, die man sich ansehen sollte. Tun kann man das noch bis zum 23. Juni 2012 bei Dittrich & Schlechtriem.
Gallery Weekend: Galerien um die Kochstrasse
Paul Graham bei Carlier Gebauer
Wer die Galerie Carlier Gebauer am Gallery Weekend berat, traf auf NYC. Paul Graham hat mit seiner Serie The Present New Yorker Straßenszenen eingefangen. Und mehr auch nicht. Fotografie ohne Inszenierung – keine Tricks, kein Chi Chi, aber dafür jeweils zwei Fotografien, die innerhalb weniger Sekunden am gleichen Ort entstanden sind. Die Ausstellung läuft noch bis zum 26. Mai 2012.
Armin Boehm bei Meyer Riegger
Ein paar Tage zuvor trockneten sie noch an den Wänden seines Ateliers: WALD HOCHWALD HOLZFÄLLEN sind großformatige Collagen aus Ölfarben, Stoff, Papier, Holz, Sand und metallenen Substanzen. Stadt steht Natur gegenüber, schwarzer Sand dem Stoff. Gemaltes dem Plastischen. Die Ausstellung ist noch bis zum 26. Mai bei Meyer Riegger zu sehen. Ein Interview mit Armin Boehm in seinem Atelier folgt auf ARTberlin.
Heribert Otterbach bei Galerie Alexander Ochs
Alexander Ochs wurde uns von Chiharus Shiota in ihrem Gallery Weekend Guide empfohlen. Die Galerie zeigte parallel zum Gallery Weekend Heribert Otterbachs Werksübersicht „Da sind wir wieder allein“. Formale Schlichtheit gepaart mit gezielten Irritationen – eine ironisch schöne Provokation zur Utopie einer zeitgenössischen Welt.
Gallery Weekend: Das Highlight Jonas Burgert
Es war die erste Einzelausstellung von Jonas Burgert (*1969) bei Blain | Southern und sie schlug ein wie eine Bombe. Kein Wunder, ist der Künstler doch laut der ZEIT gerade dabei einer der wichtigsten deutschen Künstler zu werden. Die Farben: unglaublich stark, wahnsinnig bunt ohne kitschig zu sein. Das Format: übergroße Bilder und Skulpturen. Die Motive: verstörend und faszinierend zugleich. Der Künstler: stets umlagert von einer Menschentraube mit geröteten Wangen in unscheinbarem Schwarz, fast hätte man ihn neben seinen Arbeiten übersehen können. Die Frage, der wir nachgehen werden: Was hat das Wesen des Jonas Burgert mit seinen Motiven zu tun. Wir werden es herausfinden. Die Ausstellungen GIFT GEGEN ZEIT ist noch bis zum 7. Juli 2012 bei Blain | Southern zu sehen.
Gallery Weekend: Die Parties
Oskar Melzer und Paul Mogg servierten zur Eröffnung ihres jüdisch-amerikanischen Mogg & Melzer Deli in der Jüdischen Mädchenschule saftig-rotes Pastrami. Für die Yoga-Mädchen gab es die Gurke zum runterpicken, die beste Gurke, die ich je genießen durfte.
Anna Jill Lüpertz eröffnete zusammen mit Sophie Weiser ihren neuen Projektraum contemporary art by appointment mit der Ausstellung I PROMISE TO BE A GOOD MOTHER von Jamie Diamond (kuratiert von Karline Moeller) und feiert dort anschließend die After-Show Party mit der besten Musik. Zu besichtigen ist contemporary art by appointment in der Rudi-Dutschke-Strasse 26 im 5. Stock.
Die circleculture gallery lud zusammen mit Olivia Steele ins Atelier Paradise, wo wir einen Drink und damit Anlauf für den Gallery Weekend Feier-Klassiker zu nehmen: die CFA Party in der Paris Bar.
Fotos: Winfried Veil