Was schaut sich ein Sammler auf dem Gallery Weekend Berlin 2015 an?
Matthias Birkholz hat es nicht beim Kunstsammeln belassen. Im Hof der Linienstrasse 57 hat er zusammen mit Stephanie Hundertmark den ambitionierten Projektraum SMAC gebaut, der nicht nur ungewöhnlich in der Architektur ist, sondern sich auch als feine Adresse für Ausstellungen junger Berliner Künstler und Kunstprojekten etabliert hat.
Zum Gallery Weekend Berlin zeigen die beiden dort die erfolgreiche Berliner Künstlerin Bettina Krieg (1981) in einer Doppelausstellung mit der international bekannten Videokünstlerin Ma Qiusha (1982), die in Peking zu Hause ist. Eröffnung von BKMQ ist am 30. April 2015 um 19 Uhr. Bettina Krieg wird ihre neusten hypnotisierenden Zeichnungen zeigen. Beide Künstlerinnen arbeiten obsessiv mit Wiederholungen und stellen implizit die Frage: Was kann eine Oberfläche?
Wir fragen: Was kann Berlin zum Gallery Weekend und was dürfen wir nicht verpassen, Herr Birkholz?
Deine 3 Highlights auf dem Gallery Weekend
Guillermo Srodek-Hart, Miguel Rothschild und Peter Kuckei bei Kuckei + Kuckei.
Zum Gallery Weekend eröffnen Hannes und Ben Kuckei auf der ihren bisherigen Räumen gegenüberliegenden Straßenseite der Linienstraße zusätzlich einen neuen spektakulären Space. Ausreichend Platz für eine beeindruckende Show herausragender Arbeiten dreier unterschiedlicher Künstler. Guillermo Srokek-Hart dokumentiert mit einer Großformatkamera Werkstätten und Läden in der argentinischen Pampa. Die Fotos von Metzgereien, Bars, Fahrradwerkstätten und Reinigungen wirken wie Stilleben aus einer anderen Zeit. Es sind vom Aussterben bedrohte Orte traditionsreichen Handwerks und menschlicher Tätigkeit, die hier vor der Vergänglichkeit gerettet werden. Die Arbeiten von Miguel Rothschild verbinden spielerischen Umgang mit „hohen“ Themen mit ästhetischer Kraft. Ergreifend-schön sind seine Stecknadel-Sternenhimmel, bedrohlich-schön ist die Reihe „The Birds“, in der den Heiligen Geist symbolisierende Tauben-Abbildungen Szenenbilder aus dem gleichnamigen Alfred-Hitchcock-Klassiker bevölkern. Die faszinierende Gelegenheit zur Wiederentdeckung eines großartigen Künstlers bieten schließlich die Arbeiten von Peter Kuckei, des Vaters der Galeristen.
Alexej Meschtschadow bei Klemm’s
Ich bin gespannt auf die neuen Arbeiten von Alexej Meschtschadow, die bei Klemm’s zu sehen sein werden. Auch bei seinen Skulpturen und Installationen geht es in gewissem Sinn um Erinnerung. Er konfiguriert vorgefundene Objekte neu, darunter besonders häufig Stahlrohrmöbel die er in raumgreifenden Skulpturen verwandelt. Damit stellt er unsere Vorstellungen von Funktionalität in Frage. Erinnerungen an Schule, Krankenhaus und Fabrik werden wach und gleichzeitig auf verstörende Weise auf die Probe gestellt. So ähnlich wie bei einem Rundgang durch die morbiden Gebäude der Beelitzer Heilstätten 20 Jahre nach der Wende. Stahlstrukturen und gefundene Fotos ergänzen die poetische Melancholie der Arbeiten Metschadows.
Mehr über die Galerie Klemm’s könnt ihr hier erfahren: Galerie Klemm’s im ARTberlin Gallery Guide.
Marcel van Eeden bei Kromus + Zink und Sprüth Magers
Marcel van Eeden ist mit der Ausstellung „The Symetry Argument“ gleich an zwei Orten vertreten: bei seiner traditionellen Galerie Kromus + Zink sowie erstmals in Berlin auch bei Sprüth Magers. Die intelligenten, anspielungsreichen und technisch brillanten Zeichnungen widmen sich wie immer der Zeit vor der Geburt des Künstlers. Diesmal thematisiert Marcel von Eeden das gestiegene Interesse an okkulten und spiritualistischen Themen, das in seiner Heimatstadt Den Haag in den unruhigen Krisenzeiten der 30 und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufkam. Fotos aus der Zeit transformiert er – wie in seinen vergangenen Arbeiten – in schwarze Kreidezeichnungen. Besonders freue ich mich auf seine Zeichnungen in Ölpastell, eine für ihn neue Technik. Vergänglichkeit müssen wir nicht fürchten ist das tröstliche Leitmotiv dieser Arbeiten. Oder doch? Mehr über die Sprüth Magers im ARTberlin Gallery Guide.
Wie verbringst du dein Kunst-Wochenende?
Das Geheimnis für ein erfolgreiches Gallery Weekend ist, keinen starren Plan zu haben und sich nicht durch zu viele Termine einzuengen. Ich lasse mich lieber mit einer Grundidee des Sehenswerten durch die unterschiedlichen Teile der Stadt treiben um offen zu bleiben für Last-Minute-Empfehlungen und Zufallsfunde. Das Kunstwochenende beginnt für mich auf jeden Fall bereits am Donnerstagabend mit unserer Eröffnung der Bettina Krieg/Ma Quisha-Ausstellung bei Smac in der Linienstraße.
Am Freitag bleibe ich dann vermutlich erst mal in der Gegend rund um die Linienstraße und die Auguststraße. Abends Dinner mit Freunden aus London, die zum Gallery Weekend in der Stadt sind.
Samstag in den alten Westen: Potsdamer Straße, Lindenstraße und Kreuzberg. Dann auf jeden Fall zu Volker Diehl erst in die Niebuhrstraße, um mir die großartige Ausstellung von Tomas Maldonadonoch einmal ausführlich anzusehen. Gesetzt ist auch Diehl Cube in der Emser Straße mit Via Lewandowski.
Sonntag Ausflug „aufs Land“ nach Weissensee und Lichtenberg. Ich freue mich auf die unter anderem die von Andreas Golder und Jonas Burgert initiierte Gruppenausstellung „Ngorongoro“ mit (gefühlt) 500 Künstlern im 5000 qm großen Ateliergebäude an der Lehderstraße in Weissensee. Danach zu Sexauer, ebenfalls in Weissensee, mit (gefühlt) 50 Künstlerinnen in der Schau „Saloon“ und nach Lichtenberg ins HB55, wo Kerstin Godschalk regelmäßig Ausstellungen auf die Beine stellt, die denen in der Sammlung Haubrock ein paar Häuser weiter um nichts nachstehen.
Welchen Künstler hast du im Auge und warum?
Jenny Michel. Ich mag die intelligent-philosophische Gedankenwelt, die in den Arbeiten von Jenny Michel künstlerische Gestalt annimmt. Sie beschäftigt sich mit philosophischen und literarischen Grundthemen: Glück und Scheitern, Paradies und Utopie. Das sind Themen, die in ganz besonderer Weise im Augenblick auch die Kunstszene in Berlin beschäftigen. Die großformatige „Heaven-and-Hell-Machine“ hängt bei uns zuhause an prominenter Stelle. Darin sind Ausschnitte von Schaltplänen einer Reprografie-Kamera mit auf der Schreibmaschine geschriebenen Textschnipseln zu einer von ihr erdachten Geschichte „Sisyphus im Paradies“ zusammengefügt. „Heaven-and-Hell-Machine“, das passt daher – auch wenn Jenny Michels Arbeiten dort dieses Jahr zu unrecht nicht vertreten sind – ganz gut als Titel für das Gallery Weekend in Zeiten, die für Künstler und Galeristen schon mal besser waren.
Wohin gehst du abends zum Dinner und zum Feiern?
Der Abend beginnt natürlich im Café Lois (Linienstraße 60, 10119 Berlin), dem entspanntesten Platz für einen frühen Drink mit Künstlern als Barpersonal. Dinner im Dottir (Mittelstraße 40, 10117 Berlin), dem Beweis, dass Isländer nicht nur die besseren Musiker und Künstler, sondern sogar die besseren Köche bzw. Köchinnen sind. Oder im Zenkichi (Johannisstraße 20, 10117 Berlin), der Edel-Variante einer japanischen Izakaya-Bar mit großartigen japanischen Tapas, Separées und Bedienungen, die einem mit charmantem Nicht-Verstehen sofort das Gefühl geben, weit weg vom Gallery Weekend im Urlaub in Japan zu sein. Der Abend endet natürlich in der Bar 3 (Weydingerstr. 20, 1078 Berlin) und damit zurück in der Realität der Berliner Kunstwelt.
Danke!
Öffungszeiten der Ausstellung BKMQ im SMAC
Eröffnung 30. April 2015, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 1. bis 26. Mai 2015
Öffnungszeiten: 1. bis 3. Mai 2015, 12 bis 19 Uhr // 4. Mai bis 26. Mai 2015, nur nach Vereinbarung
Smac // Linienstrasse 57 // Berlin-Mitte