Galerist Thomas Fischer: Der Neue in der Potsdamer Strasse
Fast schüchtern wirkt der Galerist Thomas Fischer auf mich als wir uns zum ersten Mal begegnen. Es ist Berlin Fashion Week und wir werden einander im Hof des ehemaligen Tagesspiegel Areals in der Potsdamer Strasse vorgestellt. Andreas Murkudis hat so eben seinen neuen Concept Store eröffnet und ich bin noch geblendet vom weißen kathedralhaften Inneren.
Ich knabbere am Bircher Müsli und betrachte den kleinen ockerfarbenen Balkon im Gebäude gegenüber. Vor ein paar Wochen zum Gallery Weekend Berlin hat er sich vor lauter Menschen fast durchgebogen. In diesem Moment erzählt mir Thomas Fischer, dass das seiner ist. Oder besser der seiner ersten eigenen Galerie, die er zum Gallery Weekend vor ein paar Monaten eröffnet hat.
Andreas Murkudis und ich haben damals das ganze Areal besichtigt und dann war klar, wenn nicht hier, dann nirgends: Ja, letztlich waren die Räume der Auslöser, es komplett anzupacken.
Lese ich später in einem Interview bei vonhundert.
Jetzt fügt sich alles zusammen. Thomas Fischer hat lange für Andreas Murkudis gearbeitet, hat u.a. Ausstellungen für den ersten Shop in der Münzstrasse organisiert, mit ihm im Museum der Dinge gewirkt, aber auch Kunden betreut und Ware geordert. Eine Woche später überquere ich denselben Hof und klettere die geschwungene Treppe zur Galerie hinauf. Thomas Fischer telefoniert noch und ich schaue mich um.
Galerie Thomas Fischer: Kunst mit allen Medien
Die Galerie Thomas Fischer konzentriert sich auf junge zeitgenössische Kunst – durchbrochen von älteren Positionen. Was Thomas Fischer hier zeigt, sind Arbeiten, die nicht in einem Medium bleiben. Es geht ihm darum, immer wieder das EINE Medium zu hinterfragen, die Grenzen auszuloten, keine Hierarchie innerhalb der Popularität von Kunstmedien zu zulassen. Also von allem etwas zu zeigen?
Meine Augen gleiten über Fotografie, Video und eine Videoprojektion in dem engen, dunklen Korridor. Thomas Fischer hatte ihn eigentlich als Schaulager eingeplant, nun aber eignet er sich viel zu gut zum Inszenieren. Das Schaulager ist jetzt gleich links neben der Küche.
Galerie Thomas Fischer: Künstler Sebastian Stumpf
Bei meinem Besuch übt sich der junge Künstler Sebastian Stumpf im Spiel mit den Medien. Highwalk ist der Ausstellungstitel. Sebastian Stumpf fotografiert sich selbst beim Sprung über das Treppengeländer ins Ungewisse oder in der 28-teiligen Fotoserie Sukima (2009), aufrecht stehend in Häuserspalten inmitten der strengen Geometrie von Tokio. Sein Thema sind künstliche Räumen und urbanen Utopien – Orte, an denen der menschliche Körper nur eine abstrakte Rechengröße in einer geplanten Struktur ist. Zwischen 2.200 Euro das Einzelbild und 3.500 Euro für eine Serie kleinerer Fotografien kosten die Arbeiten von Sebastian Stumpf. Noch bezahlbar also, wer weiß wie lange noch, hatte er doch bereits Einzelausstellungen im Museum für Photographie in Braunschweig und auf der 6. Berlin Biennale sowie der Aichi Triennale in Tokyo.
Als er die Räume fand, hat er darüber nachgedacht, hier zu wohnen, erzählt mir Thomas Fischer als er mit telefonieren fertig ist. Mit 190 qm, davon ca. 100 qm Ausstellungsfläche war die Galerie doch viel größer als er sie sich vorgestellt hatte. Ich schlucke. Der grau-weiss ornamentgemusterte Boden ist zwar wunderschön, aber sonst sieht es hier nicht sehr wohnlich aus. Es ist die erste Galerie, die ihm gehört, aber eigentlich ist sie nur der nächste selbstverständliche Schritt in einem Leben voller Leidenschaft für Kunst und ihre Erschaffer.
Thomas Fischer: Weg durch die Kunstszene Berlin
Thomas Fischer ist Kulturwissenschaftler und Kunstgeschichtler, hat bei Erika Hoffmann in ihrer Sammlung gearbeitet, den Projektraum Souterrain in den Sophie-Gips-Höfen mit betrieben und eine Menge freie Kunstprojekte betreut. Die Galerie Thomas Fischer betreibt er nun ganz allein, nur unterstützt von einem Praktikanten, den er allerdings noch suchen muss. Sonntags hat er sich selbst ein Galerie-Verbot erteilt, zu stark war ihr Sog.
Denn Thomas Fischer vertritt Kunst, die ihn begeistert.
Als Thomas Fischer mir von der kommenden Ausstellung des japanischen Fotografen in Graz lebenden Seiichi Furuya zu erzählen, fällt er vor meinen Augen wie in eine Art Trance. „Das ist seine Welt!“ schießt es mir durch den Kopf. Es ist vielleicht nicht ungewöhnlich für einen Galeristen, dass er Kunst liebt, Thomas Fischer aber scheint es vollständig auszufüllen. Ich merke wie ich anfange, mich zu fragen, ob er sich denn mit der eigenen Galerie einen Gefallen getan hat. Das Aufgehen in Schön- und Freigeistigem ist ja leider nur part of the game im Leben eines Galeristen.
Ich muss mir keine Sorgen machen. Ca.15 Besucher mit ernsthaftem Interesse an einem sonst eher schwierigen Dienstag zählt die Galerie bereits. Und Thomas Fischer hat bereits treue Sammler, sein Netzwerk steht. „Für manche Sammler aus meinem Netzwerk bin ich allerdings noch zu klein.“, sagt er da. Für Erika Hofmann zum Beispiel. Aber sie will trotzdem demnächst vorbei schauen. Ein Luxusproblem, würde ich sagen.
Ich frage weiter. Wie baut man als junger Galerist sein Netzwerk aus, wie aktiviert man es? Er wirkt fast ein bisschen trotzig, als er mir erzählt, dass er zum Opening seiner ersten Ausstellung, The Direct Matching Hypothesis mit der französischen Künstlerin Laetitia Gendre, 300 Einladungen per Hand geschrieben und verschickt hat. Manch Galerist hat darüber gelacht, dass er überhaupt Geld für den Druck ausgeben hat. In Zeiten von e-invites eigentlich unnötig. Das sieht er anders. „Das hat für mich mit Respekt für die Kunst, den Künstler und die Eingeladenen zu tun.“, sagt er. Über eine Facebook Page hat er noch nicht nachgedacht. Social Media ist ihm fremd. Er wird nachdenklich. „Vielleicht schaue ich mir das aber einmal näher an.“Vielleicht.
Galerie Thomas Fischer: Kommende Ausstellung
8. September 2011, Seiichi Furuya aus der Serie Mémoires
Die Galerie Thomas Fischer im ARTBERLIN GALERIEFÜRHER
Die wichtigsten Galerien in Berlin im ARTberlin GALERIEFÜHRER