Die Zusammenarbeit zwischen Galerist und Künstler ist im Idealfall eine zuallererst menschliche. Ein Organismus der in sich Kreativität, Vertrauen und unbedingte Hingabe birgt und der im Fluss ist, wächst und dann Blüten trägt. Klingt zu poetisch? Liegt nicht hierin die Schönheit der Kunst, eine Art Dreiklang aus der Arbeit selbst, dem Künstler und der richtigen Inszenierung?
Daran muss ich denken als ich mit Christian Efremidis von der MagicBeans Gallery spreche und ihn nach den Anfängen seiner Zusammenarbeit mit Frederike von Cranach frage. Denn eines ist sofort klar, von Cranachs Arbeiten verlangen unbedingte Hingabe und Mut. Und dann eben der Bezug zum Künstler selbst. Oder wie es Efremidis ausdrückt:
„Es muss einfach menscheln“.
Interessanterweise fand das erste Treffen der beiden in Berlin statt, als es die Galerie noch gar nicht gab, sie nur als Idee existierte. Zwei Wochen später fliegt Christian Efremidis nach London, um sich vor Ort ein Bild der Arbeiten zu machen.
Wie war das damals für Dich Christian?
Ich liebte sofort das sensible, filigrane, zerbrechliche. Gemischt mit dem Bewusstsein der Vergänglichkeit, dem sich einfach mal Gedanken zu machen um uns als Individuum, als Gesamtheit und als Einheit mit der Natur. Wie wir uns doch immer wieder für zerbrechlich halten, es aber dann doch nicht sind und wie einfach es ist, „Ich kann nicht mehr!“ zu sagen und etwas hinzuwerfen. In ihrer Arbeit geht es um Fleiß, um sich abzuarbeiten und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, um die Bereitschaft überhaupt an sich arbeiten zu wollen und dem Leben das man führt eine wahrhaftige Chance zu geben und diese zu nutzen. Frederikes Arbeiten sind so komplex wie die Neptungrasbälle. Ich habe so viel gefühlt und dachte, das ist genau das! Nicht so viel reden, sich Gedanken machen und einfach mal fühlen.
Beispielsweise wenn Du Dich zwischen die Skulpturen Sound of Silence I-IV stellst und auf das Dyptic Freier Fall schaust, spiegelt es das Gefühl wieder was Frederike kommuniziert, was mit ihr passiert, während sie arbeitet. Sie fällt in ihre Arbeiten hinein in einen meditativen Zustand der sie ganz nah an ihr Ich heranführt.
Ein Gefühl nachempfinden zu können ist sehr überzeugend, vor allem wenn man es am eigenen Leib spüren darf! Das genügte uns.
Als ich selbst die ersten zwei Arbeiten von Frederike von Cranach im Rahmen der Eröffnungs-Groupshow „I Sky you“ in der MagicBeans Gallery sehe, kann ich mir die geplante Soloshow nur sehr schwer vorstellen. Umso interessanter war es dann das Ergebnis zu erleben. Der einzige Wunsch den ich bei der Vernissage hatte, waren weniger Besucher. Damit ich alleine sein kann mit den Egagropili, diesen merkwürdigen Schwämmen, Fädchen-Gebilden, die so fein sind das man sie nur erkennt wenn man ganz, ganz nah heran geht. Und doch ist ihre Wirkung umso lauter. Es ist ein bisschen wie Heimkommen. In eine Vergangenheit die in unseren feinsten Zellsträngen gespeichert ist und die wir sonst nur höchstens mal erahnen, die aber wenn richtig entzündet, auf einmal wie lauter kleine Signalfeuer auf Bergspitzen im Inneren aktiviert wird und aufleuchtet.
Ich fühle mich an das Buch „Der Schwarm“ erinnert. Da sind so widersprüchliche Gefühle von Unendlichkeit und Enge, Beklemmung, Klarheit, Schönheit und Chaos. Die Gewissheit der unausweichlichen Vergänglichkeit der Menschheit.
Frederike, natürlich wirst du häufig nach deinem Vorfahren Lucas von Cranach gefragt. Ich würde gerne wissen inwieweit du eine Verbindung fühlst bezüglich deiner eigenen Motivation, oder sagen wir dem need kreativ, als Künstlerin zu arbeiten?
Meinen Antrieb schaffe ich mir selbst – jeden Tag auf’s Neue. Mein Drang, etwas zu tun, überwiegt meistens und das bringt mich fast jeden Tag dazu, meine Ideen weiter zu entwickeln und auch immer wieder neue Wege einzuschlagen. Lucas Cranach ist mir in dem Sinne Vorbild, dass er nicht nur Maler war, sondern auch in vielen anderen Bereichen erfolgreich tätig war. So war er Bürgermeister, betrieb eine Apotheke und besaß das Schankrecht…. er hat sowohl für die Protestanten als auch für die Katholiken gearbeitet, was zur damaligen Zeit ein wahrer Balanceakt gewesen sein muss.
Vielleicht war er mehr ein Abenteurer mit Unternehmergeist. Diese Vielschichtigkeit imponiert mir und ich finde, damit ist er nicht nur ein wunderbarer Ur-ur-…ahn, sondern auch ein wunderbares Vorbild, denn das zeigt mir, dass man im Prinzip alles machen kann. Man muss es eben nur anpacken!
Du arbeitest mit einem lebenden Material, den Egagropili, die an den Stränden des Mittelmeers zu finden sind. Erzähl uns bitte kurz wie diese Idee entstand.
Ich bin schon als Teenager oft nach Ibiza gefahren, wo man an vielen Stränden die Egaropili findet. Sie liegen dort relativ unbeachtet in großen Mengen an den Stränden und irgendwie haben diese braunen “Wollmaus“-artigen Objekte mich immer schon fasziniert. Aber über viele Jahre war es damit dann auch getan. Vor ungefähr zwei oder drei Jahren wusste ich plötzlich, was ich damit machen wollte. Von einer Freundin, die auf Ibiza lebt, habe ich mir Müllsäcke voll Egagropoli nach London schicken lassen und begonnen, Skulpturen daraus zu fertigen. Nachdem dieser Anfang gemacht war, habe ich ein wenig recherchiert und war erstaunt ,was mich da gefunden hatte.
Diese Textur die Teil eines organischen, ja endlosen Kreislaufs der Natur ist, obwohl so klein, strahlt für mich etwas erhabenes, zeitloses und fast witziges aus, gleichzeitig hat aber deine Sound of Silence I-IV Skulpturen Installation ein für mich extrem beklemmendes Gefühl hervorgerufen.
Ich glaube, dass diese merkwürdigen Gebilde, die unsere Erde und das Meer hier hervorbringt, die unterschiedlichsten Gefühle hervorrufen können. Sie bringen ja ein enormes “muskuläres Gedächtnis” mit, wenn man das so nennen kann. Die Pflanzenteppiche im Meer, aus denen sie entstanden sind, können nach Meinung von Forschern bis zu 100.000 Jahre alt sein. Bedenkt man, dass sie ihre Form durch alle möglichen Naturgewalten erhalten – dann steckt auch viel, viel Zeit und viel Kraft in ihnen. Für mich symbolisieren sie sowohl Ende wie Anfang und ich kann Deine Gefühle gut nachvollziehen.
Ist das so gewollt?
Ich möchte eigentlich keinen Einfluss darauf nehmen, was jemand fühlen soll und bin nicht daran interessiert, zu schockieren, aufzurütteln oder andere Reaktionen beim Betrachter hervorzurufen. Ich führe mehr aus und alles andere ergibt sich von selbst. Die Tatsache, dass meine Arbeit in Menschen etwas auslöst, reicht mir eigentlich schon. In erster Linie schaffe ich diese Skulpturen und Zeichnungen für mich und weil mich das Material fasziniert. Dass sie nun für jedermann zu sehen sind, war mehr Zufall als geplant.
Wie erklärst du diese extremen Unterschiede, die dieses Material aktiviert?
Ich denke, Egagropili lösen zunächst ein Interesse beim Betrachter aus ,weil die meisten Menschen diese “Dinger” irgendwoher kennen, aber nicht wirklich wissen, woher. Ich habe viele Menschen getroffen, deren erster Reflex es ist, die Skulpturen anzufassen….Auf einer weiteren Ebene kann ich mir schon vorstellen, dass diese Objekte viel eigene Kraft mitbringen und dies dann etwas bei den Betrachtern auslöst. Wahrscheinlich werden einige Menschen dies als Hokuspokus abtun ….. In mir haben sie jedenfalls etwas ausgelöst und sie werden mich hoffentlich noch eine Weile weiter inspirieren :).
Wurdest du selbst im Prozess überrascht von der Wirkung?
Als ich mich intensiver mit den Egagropili beschäftigt habe, bemerkte ich erst gar nicht, was da eigentlich passierte. Völlig unbewusst bin ich davon aufgesogen worden und war total vertieft in das, was ich da gemacht habe. Die Ideen, Formen und auch die monochrome Farbgebung sind einfach durchs “Machen” entstanden. Ich bin sehr überrascht, was daraus bereits alles entstanden ist und hoffe, dass ich weiter überrascht werde. Man weiß nie , was als nächstes kommt – das ist zum einen ganz schön angsteinflößend, zum anderen aber auch sehr spannend.
Wie geht es bei Dir weiter?
Natürlich werde ich weiter arbeiten, arbeiten, arbeiten … und meine Ideen weiter ausbauen. Jetzt genieße ich die ersten positiven Reaktionen und bin umso mehr motiviert, weiterzumachen…….. Es ist ein bisschen wie Ferien vom Jetzt und Hier und in seiner eigenen Welt leben. Momentan habe ich eine weitere Einzelausstellung in London, das Watermill Art Festival in den Hamptons hat angefragt… und ich hoffe, dass ich die Möglichkeit bekomme, weiterhin meine Arbeiten zu zeigen und freue mich auf das, was noch kommt.
Ansammlungen – Frederike von Cranach | Finissage 10. Juni 2016
MagicBeans Gallery, Auguststr. 86, 10117 Berlin
www.magicbeans.gallery