Florin Kompatscher auf der art berlin contemporary 2015
Die art berlin contemporary 2015 ist noch bis Sonntag der wohl schönste Ausstellungsort auf der BERLIN ART WEEK 2015. Rund 100 internationale Galerien zeigen jeweils genau einen ihrer zeitgenössischen Künstler . Die Wiener Galerie Elisabeth & Klaus Thoman hat sich für den abstrakten Maler Florin Kompatscher entschieden. Die Arbeiten des aktuell in Berlin lebenden erfolgreichen Künstlers sind von einer akribischen Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei geprägt. Anstelle eines konsequenten roten Fadens oder einer finalen Formensprache zeugt sein Werk von Vielseitigkeit – sowohl kompositorisch als auch formal und technisch.
Abstrakte Malerei verlangt mehr von ihrem Betrachter, weil sie ihre eigene Sprache spricht
schrieb der Autor Travis Jeppesen. Und tatsächlich gilt es, die „Codierung“ der Malerei zu entschlüsseln, einen individuellen Zugang zu ermöglichen, den innovativen Gehalt eines Oeuvres sichtbar zu machen. Doch wie? „Um einem Kunstwerk besser Herr zu werden, wende ich normalerweise einen Trick an: Ich begebe mich selbst, etwas künstlich, in einen Zustand von Naivität, ich spreche darüber – und ich spreche mit ihm – auch in den alltäglichsten Worten, sogar ein bisschen in Babysprache (…)“ schrieb Jean Genet 1957 in seiner Studie „Das Atelier von Giacometti“. Das ist eine Möglichkeit. Eine andere, vielleicht ergänzende Methode, ist der Dialog mit dem Künstler selbst.
Sabrina Möller hat den Maler vor der art berlin contemporary in seinem Berliner Atelier getroffen. Ein Gespräch darüber wie man Malerei schafft, die für sich selbst steht, wie Magie auf minimal abstrakten Gemälden möglich wird und ob die Malerei jemals sterben wird.
Florin Kompatscher: Auf einer Leinwand rumzukleksen, reicht nicht.
Florin, was steht am Anfang einer neuen Arbeit? Eine Idee, ein Verlangen oder der erste Pinselstrich?
Für mich gibt es in diesem Sinne keinen Beginn. Es ist vielmehr ein Fluss: Man beschäftigt sich sehr intensiv mit dem, was man tut und erntet irgendwann die Früchte. Es existiert kein theoretisch informeller Überbau vor dem Bildermachen. Die interessanten Aspekte einzelner Arbeiten können wiederum den Nährboden für kommende Werke bieten. Elemente, die etwa bei vorangegangenen Bildern sichtbar sind, kann man in darauf folgenden Arbeiten wieder entdecken – nur in einer ganz anderen Form der Auseinandersetzung. Genau das interessiert mich: Malerei stetig innerhalb eines Prozesses voranzutreiben.
Jedes Bild ist also eine Art Fortsetzung?
Richtig! Doch ganz so einfach ist es dann auch wieder nicht. Der Prozess wird nicht unbedingt von Bild zu Bild vollzogen, sondern es ist ein inneres Verlangen das Ganze voranzutreiben und der stetige Versuch daraus Neues zu entwickeln. Manche Dinge hingegen passieren intuitiv und man weiß nicht genau, wie das passiert ist. Ich fange dann oft an zu reflektieren, sitze stundenlang im Atelier, schaue mir das was ich gerade fabriziert habe an und frage mich selber: Was macht das mit mir, was macht die Malerei mit mir?
Die Wiederholung besser gesagt die Bestätigung von dem was schon gemacht wurde ist enorm wichtig, ja sogar notwendig. Nur durch diese Bestätigung gewinnt das Gesamte an Wertigkeit. Einfach mal auf einer Leinwand rumzuschmieren und rumzukleksen, reicht bei weitem nicht. Sich damit akribisch zu beschäftigen und auf dieser Auseinandersetzung basierend eine Werkgruppe oder eine Ausstellung zu entwickeln, ist ein sehr komplexer Weg.
Wir haben eh schon zu viel Kunst auf diesem Erdball.
Florin Kompatscher: Ohne Titel, 2012, Öl auf Leinen
Das Charakteristische Ihrer Werke sind die ständigen Weiterentwicklungen weniger ein konsequenter Stil. Wäre eine finale Formensprache für Sie der Stillstand, das Ende?
Was bedeutet schon final? Das Ende ist doch immer auch wieder ein Anfang, oder? Das Schlimmste ist für mich Langeweile. Die Neugier, die Suche nach neuen Möglichkeiten wird sicher nie aufhören. Doch vielleicht schaffe ich es irgendwann einmal ein Bild zu malen, bei dem ich meine, dass ich kein besseres mehr machen kann.
Würden Sie dann aufhören zu malen?
Dann wäre das vielleicht interessant. Denn wir haben eh schon zu viel Kunst auf diesem Erdball. Ich wüsste im Moment nur nicht so recht was ich dann tun soll. Eines steht zumindest fest: Auf keinen Fall möchte ich einen riesigen Berg Bilder anhäufen! Das werde ich durch rigorose Selektion zu verhindern wissen. Nur das Allerbeste werde ich übrig lassen, alles andere muss vernichtet werden.
Auch wenn über zwanzig Sammler auf einer Warteliste für Ihre Werke stehen?
Das ist die größte Gefahr: Plötzlich gibt es dann ganz viele mittelmäßige Bilder von eigentlich guten Künstlern auf dem Markt, die es verabsäumt haben eine Selektion zu machen. Irgendwann werde ich abkratzen und dann wäre es mir am Liebsten lediglich meine 20 Top Bilder zu hinterlassen. Das wäre großartig, wenn sich dann alle darum streiten!
Florin Kompatscher: Ohne Titel, 2013, Öl auf Leinen
Würden Sie sagen, dass Sie selber unterschätzt sind?
Ich kann ja jetzt nicht meine eigene Werbetrommel rühren, doch ich glaube, dass meine Arbeit schwer zugänglich ist. Ich gehöre nicht zu den Künstlern, die sich schon sehr früh ein Branding geschaffen haben. Mit einem stets wiedererkennbarem Stil ist es da leichter.
Auch gehörte ich nie irgendeiner Gruppe an, reiste quer durch Europa, somit war es durchaus schwierig sich zu etablieren. Ja, eigentlich würde ich sagen, dass meine Arbeit unterschätzt ist. Mir war wichtiger, immer neue Wege und Herausforderungen zu finden. Das erfordert auch einige Umwege, die dann oft schwer nachvollziehbar sind, aber eben notwendig waren. Kollegen kassieren zwar manchmal das 100-fache für ihre Bilder, aber das ist rational oft nicht nachvollziehbar. Dazu gehört einfach auch ein bisschen Glück, die richtigen Verbindungen, die richtige Aura, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, das Gesamtpaket. Was weiss ich, was es letztlich ausmacht.
Das ist mir dann auch schon zuwider. Das bekommt dann so eine Professionalität wie bei einem Manager, der zu jeder Veranstaltung gehen muss. Das will ich nicht! Die Kunst soll nicht davon abhängig sein. Wenn sie das ist, ist das traurig.
Florin Kompatscher: purple paranoia, 2007, Öl auf Leinen, 200 x 400 cm
Wie kann ich Malerei betreiben, die für sich steht?
Ihre Arbeiten sind farbintensiv, weisen ein unglaubliches Spektrum an Nuancen auf und zugleich scheint sich die Farbe – oder die Malerei – fast selbst aufzulösen.
Ich löse die Malerei nicht vorsätzlich auf. Nein, dafür liebe ich sie zu sehr!
Ich liebe die Malerei sehr und habe große Angst, sie möge nicht gesund sein,
hat Albert Oehlen auf einen großen Siebdruck geschrieben. Den Trend der Auflösung gab es ja bereits in den Achtzigern oder Neunzigern. Mir geht es mehr um die Reduktion und eine feinsinnige Wahrnehmung von Nuancen. Auch unterschiedliche Ansätze, Überlegtes und weniger Überlegtes oder Widersprüchliches in einem Bild zu vereinen, interessiert mich. Wie kann ich aus der heutigen Sicht Malerei betreiben, die für sich steht? Das sind große Fragestellungen, die nicht einfach zu lösen sind. Aber das war es doch noch nie, oder?
Denken Sie denn jemals an Motive beim Malen?
Das versuche ich zu vermeiden. Deswegen gehe ich auch nur selten in Ausstellungen, weil ich dadurch ungemein irritiert werde. Früher war ich hungrig danach und habe mir alles angesehen. Jetzt schaue ich mir nur mehr ganz gezielt Ausstellungen an. Die Eindrücke trage ich sonst viel zu lange mit mir rum, beschäftige mich damit und das irritiert mich letztlich in meiner eigenen Arbeit. Dennoch: man muss sich natürlich intensiv mit der Malerei auseinandersetzen, doch mit konkreten Bildern im Kopf arbeitet es sich schwerer.
Florin Kompatscher: Es gibt keine Zufälle in der Malerei
Florin Kompatscher: Ohne Titel, 2015, Öl auf Leinen
Noemi Smolik hat in einem Text versucht, Ihren Zugang zur Malerei zu konkretisieren. Dabei hat sie festgestellt, dass Ihre Malerei sich weder rein durch Intentionen noch rein durch Intuitionen charakterisiert. Katja Blomberg hat hingegen die intuitive Wahrnehmung stark gemacht. Wie ordnen Sie Ihren Zugang selber ein?
Vielleicht irgendwo dazwischen. Es hat natürlich sehr viel mit Intuition zu tun, doch ich glaube es gibt keine Zufälle in der Malerei. Ich kann ja nicht schnell rumspritzen oder rumsauen und dann aus dem Zimmer rennen, damit ich bloß nicht darüber nachdenke, was ich da gerade in Gang gesetzt habe. Denn das ist enorm wichtig für den nächsten Schritt. Insofern ist eine gewisse Intuition vorhanden, aber ohne den Kopf, den Intellekt und eine geistige Auseinandersetzung läuft es einfach nicht.
Welche Rolle spielt das Unbewusste, die Traumwelt?
Das ist ein dankbarer und gleichzeitig undankbarer Begriff. Denn bisher hat niemand belegt, was diese Traumwelten sind. Vielleicht ist es vielmehr eine gewisse Magie: ein Bild muss etwas Magisches haben, sonst ist es kein gutes Bild. Es muss ein Prickeln geben, etwas, was ich nicht erklären kann. Wie ein Himmel voller Sterne, wie Gänsehaut.
Wie würden Sie die Position der Malerei heute beurteilen?
Die Malerei ist die Königsdisziplin. Die Malerei kann durch nichts ersetzt werden.
Der Tod der Malerei – kann es den überhaupt geben?
Nein, das ist unmöglich! Es gibt sie, die Künstler, die sich unbeirrt mit den Problemen der Malerei und ihrer Geschichte beschäftigen. Es wird immer wieder dabei Neues, Phantastisches entstehen. Klar, alles kann enger werden, aber es wird immer wieder ein Maler die ganze Welt zum Zittern bringen. Doch man muss dafür auch bereit sein. Die Institutionen lassen derzeit die Malerei gerne außen vor. Das finde ich zwar nicht richtig, aber ich mache mir da keine Sorgen. Das wird sich sicher wieder ändern!
Aktuelle Ausstellung von Florin Kompatscher
Die abc art berlin contemporary 2015 läuft noch bis Sonntag, 20. September 2015.
Öffnungszeiten // Samstag 19 September | 12 – 19 Uhr // Sonntag 20 September | 12 – 18 Uhr
Adresse // Station Berlin / Luckenwalder Strasse 4—6 / 10963 Berlin
Interview: Sabrina Möller // Portraitfoto: © Oliver Mark // Fotos der Arbeiten © Galerie Elisabeth & Klaus Thoman/Jorit Aust, Courtesy Galerie Elisabeth & Klaus Thoman Innsbruck/Wien