Eli Cortiñas: In der Villa Massimo in Rom hat es klick gemacht
Wir treffen Eli Cortiñas im Studio einer Freundin, nach ihrer Rückkehr aus Rom hat sie noch kein neues Atelier gefunden. Ein halbes Jahr lang war die Villa Massimo in Rom ihr Zuhause, das Stipendium der Deutschen Akademie war genau im richtigen Moment gekommen.
Die Zeit in Rom war phantastisch, für mich war das eine Rückkehr in den Süden und gleichzeitig eine Art Reset-Knopf. In dem Jahr davor hatte ich unglaublich viel gemacht, Stress, Deadlines. Dann diese Veränderung, man hatte plötzlich Zeit und Raum. Viele Projekte, an denen ich vorher gearbeitet hatte, blieben erst mal liegen, ich saugte die Stadt in mir auf und irgendwann machte es dann klick und ich wusste, was ich machen wollte.
In Rom entstand unter anderem der Film „Quella che cammina“. Elis Berliner Galerie Soy Capitan zeigt ihn ab dem 13. Februar, am 19. Februar wird er zudem in der großen „Nacht der Villa Massimo“ im Martin Gropius Bau vorgeführt. Bei dem jährlichen Kunst-Spektakel zeigen die zehn Stipendiaten des vergangenen Jahres in einer langen (sehr langen!) Nacht, was sie in der großartigen Anlage der Deutschen Akademie in Rom geschaffen haben. Wer mal in Rom ist: unbedingt versuchen, bei einer der Veranstaltungen dabei zu sein. Zum Film gleich mehr.
Cineastin aus Leidenschaft
Eli Cortiñas wurde auf Gran Canaria geboren und lebt seit mehr als 20 Jahren in Deutschland, seit Jahren schon in Berlin. Neben ihrer künstlerischen Arbeit betreut sie an der Kunsthochschule in Mainz eine Film- und Video-Klasse. Mit ihren Studenten macht sie genau das, was ihr am meisten Spaß macht: viel anschauen und dann – gemeinsam mit den Schülern – darüber nachdenken, wie man die Dinge zusammenstellen kann. Ihr Kopf ähnelt einer Fundgrube – ein riesiges Repertoire an Filmszenen, Fotografien, künstlerischen Positionen aller Art.
Ich bin sehr cinephil, Kino und Theater waren für mich immer ein Event, live erlebt und in Gemeinschaft, das ist anders als heute, wo man eher ins Netz geht. Meine Freunde waren meistens älter als ich und so kannte ich schon mit siebzehn Pasolini, Bergman und so weiter und hatte früh ein Vokabular aufgebaut, quer durch alle Epochen, eine innere Bibliothek des Films, auf die ich immer zurückgreifen kann, das hilft mir sehr bei meiner Suche nach passendem Material.
Film, Skulptur und Fotografie verbindet sie zu einer Art Traumbild
Eli Cortinas: No Place Like Home, 2006, 2 Kanal Video, 2’16“, Installationsansicht There Is No Place LIke Home, Via Aurelia Antica 425, RomEli Cortiñas: Quella che cammina (The one who walks), 2014, 1 Kanal-Video, 9’30“, Videostill
In „Quella che cammina“ (2014; Dt. Übersetzung: Die, die läuft) benutzt Eli Cortiñas einige Szenen eines italienischen Film des Neorealismus – eine alternde Prostituierte, die die nächtlichen Straßen Roms auf der vergeblichen Suche nach Kunden durchwandert. Außerdem selbst gedrehtes Material in der Villa Massimo mit eigenen, skulpturalen Installationen, Stimmen, die in französisch, italienisch und spanisch (Elis Mutter) über die Rolle der Frau und ihre hohen (zu hohen?) Erwartungen reflektieren. Über die Selbstkritik und die (vermeintliche?) Kritik der Außenwelt. Der Film zieht einen in eine Art Trance. Man rätselt, schaut, hört zu, gleichzeitig laufen eigene, innere Filme ab, die Perzeption der Videoarbeit ist höchst individuell. Die Frau in ihren jeweiligen Beziehungsgeflechten, sei es familiär, oder partnerschaftlich, oder gesellschaftlich, ist für Eli Cortiñas’ ein starkes Leitmotiv in ihren Videoarbeiten.
Eli Cortiñas – Wo genau ist Heimat?
Im Film „No Place like Home“ (2006) schneidet Eli Cortiñas zwei kurze Szenen aus dem Film „Der Zauberer von Oz“. Judy Garland wiederholt wie ein Mantra „There is no place like home“, während im unteren Bildteil ihre Füße in den magischen roten Lackschuhen aneinander schlagen – der Zaubertrick, um nach Hause zu kommen.
Ich hatte damals viel über das Ausländersein nachgedacht und empfand nun „Heimat“ als eine Art Traumvorstellung ohne einen physischen Ort, eine Sehnsucht, die aber auch erdrückend sein, und in Angst umkippen kann. Am Ende des Videos habe ich noch das Haus geschnitten, das von oben auf Judy Garland herunter zu stürzen scheint, ein Symbol, dass „Heimat“ nicht nur ein schöner, sondern auch ein bedrohlicher Ort sein kann.
Eli Cortinas: Dial M for Mother, 2008, 2 Kanal Video, 11´/ Loop, Installationsansicht Eli Cortiñas: Display, Wilhelm Hack Museum
Mütter und Töchter und ihre schwierige Beziehung
Eli Cortiñas kann auf meisterhafte Art und Weise Filmsequenzen neu und überraschend zusammenfügen. In ihrer Arbeit „Dial M for Mother“ (2008) verwendet sie Material aus drei Filmen des Regisseurs John Cassavetes, „Woman under Influence“, „Opening Night“ und „Gloria“. Die Gesichter der großartigen Gena Rowlands zeigen alles Facetten ihrer schauspielerischen Kunst, über allem liegt ein schrilles Telefonklingeln, Rowlands führt ein fiktives Telefonat – mit Elis Mutter.
Ich wollte ein kaleidoskopisches Bild einer sowohl erfüllten als unerfüllten Mutterrolle kreieren. Es ging mir nicht um die Erinnerung an meine Kindheit, oder die Beziehung zu meiner Mutter, die Frau im Dialog sollte jede Frau sein können. Ich habe hierfür Telefongespräche eingesetzt, die ich jahrelang mit meiner Mutter aufgezeichnet habe. Ich wollte untersuchen, wie wir im Einzelnen Erinnerung konstruieren und sich diese jeglicher Objektivität entzieht.
Eli Cortiñas’ Filme sind ästhetische und psychologische Meisterwerke, die den Betrachter in sein eigenes Inneres ziehen – Kunst, die beglückende Momente der Kontemplation schenkt.
Aktuelle Ausstellungen
*** 13. Februar 2015, 18-21 Uhr: Opening Eli Cortiñas bei Galerie Soy Capitan: Five esay Pieces and Some Words Of Wisdom
Laufzeit der Ausstellung bis 11.4.2015
*** 19. Februar „Nacht der Villa Massimo“ im Martin Gropius Bau, Berlin
Fotos: Yana Wernicke für ARTberlin