Diana Sprenger malt mit wenig Sehkraft hypnotische Tiefe

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Diana Sprenger malt mit wenig Sehkraft hypnotische Tiefe

Die junge Malerin Diana Sprenger malt fast ohne Sehkraft aus der puren Wahrnehmung heraus. Ihre Bilder haben die Tiefe von Weltall. Entdeckt von Prof. Dr. Thies

Diana Sprenger: 2013, 14Wenn man die Bilder von Diana Sprenger sieht, sind sie zunächst überhaupt nicht bunt, wenn man Diana Sprenger ansieht, sieht man auch nicht, dass ihr Sehen stark eingeschränkt ist. Aber sie nimmt wahr. Und wenn man sich auf ihre Arbeiten einlässt und sie wahrnimmt, werden sie farbig. Sehen und Wahrnehmen sind eben nicht dasselbe. Im Wahrnehmen steckt  „für wahr nehmen“, und das ist etwas anderes und in gewisser Hinsicht auch mehr als Sehen. Es gibt nicht umsonst das Bild des „blinden Sehers“ oder Justitia und die Vorstellung, durch das Verbinden der Augen im eigentlichen Sinne sehend zu werden.

Diana Sprenger malt mit Instinkt die Präsenz ihres Gegenübers. 

Diana Sprenger ist sehbehindert. Wenn sie ihre alltägliche Lebenspraxis und ihr Malen erfolgreich bewältigen will, muss sie Gefühle und Instinkte entwickeln, die ihre Sehkraft ergänzen. Das zeigen auch ihre Bilder. Die informellen Bilder entwickeln eine Räumlichkeit, die eher einem Blick in die Tiefe des Weltraums entspricht oder der Tiefsee als dem gewohnten dreidimensionalen Raumbewusstsein. Es gibt in ihnen – wie für sie selbst – kaum räumlich orientierende Anhaltspunkte. Die Porträts, genauer: die menschlichen Antlitze sind deshalb keine Porträts von Individuen, sondern das malerische Resultat ihrer Wahrnehmung eines Menschen. Seine Präsenz, die Intensität seiner Anwesenheit und ihr Instinkt beeinflussen ihr Malen mehr als das, was sie sehen kann. Die Porträts scheinen in ihrer Umgebung zu verschwimmen, fast so, als ob sie sich mühsam aus ihr hervorarbeiten und sich dann ebenso mühsam in ihr halten müssten. Sie wirken zwar als Figuren dieser Welt, aber fern. Wie aus einer Zwischenwelt, zu der wir gerade noch Zugang haben. Sie zeigen sich eher trotzig und abweisend und weit davon entfernt, ähnlich sein zu wollen.

Diana SprengerDiana Sprenger: 2013, 19Diana Sprenger: 2013, 18

Bei den Arbeiten von Diana Sprenger geht es nicht um eine scheinbar dreidimensionale Raumwirkung und eine Plastizität, die man mit den Händen glaubt greifen zu können. Die Plastizität ihrer Arbeiten kommt aus einer Tiefe der Fläche, die eben nicht nur Oberfläche ist, sondern in sich einen Raum herstellt, der keine der uns gewohnten räumlich orientierenden Anhaltspunkte anbietet. Diese Tiefe trügt nicht, weil unser Räumliches gewohntes und Vertrautes suchendes Sehen auf die Tiefe eines Raumes trifft, den nur ein eigenes und ursprüngliches Sehen füllen kann. Es ist deshalb wohl immer die ganz eigene Fahrt des Betrachters in eine Tiefe, die wir durchmessen, ohne an ein Ende zu kommen.

Farbige, wütend strukturierte Bilder

Diana Sprenger: 2013, 14

Vergleichbares gilt für die Farbigkeit ihrer Bilder. Die in mehreren Schichten lasierend aufgetragenen Farben bilden eine scheinbar ruhige, in sich ruhende Oberfläche. Aber das täuscht: es sind farbige und sogar wütend strukturierte Bilder und deshalb weit entfernt von düsterer Eintönigkeit oder gar Einförmigkeit wie ein oberflächlicher Blick nahelegen könnte. Hat man sich aber auf ihre Arbeiten eingelassen, also mehr als nur einen Blick auf sie geworfen, zeigt sich ein großes Spektrum von farbintensiven Grautönen. Sie bewegen sich nicht nur zwischen Schwarz und Weiß, sondern sind durch eine Vielfalt an Farben, vor allem blau, grün, rot, gelb, ocker, lila gebrochen. Diana Sprenger bezeichnet ihre Arbeiten selber als bunt. Ihre Grautöne sind warm und lebendig. Sie bewegen sich vom fast Schwarzen über ein metallisches Blau-Grün zum Erdfarbenen. Und sie verändern ihre Natur, wenn sich der Lichteinfall verändert. Wechselt der Betrachter seine Perspektive, indem er an einem der großen Formate entlanggeht, verändert sich die gesamte Farbigkeit der Arbeit. Warum das so ist, ist schwer zu entschlüsseln.

Diana Sprenger (geb. 1981 in Leipzig) war Meisterschülerin der Universität der Künste Berlin (Prof. Burkhard Held). Ihre Arbeiten wurden in mehreren Einzelausstellungen gezeigt. 2013 erhielt sie den Perron-Kunstpreis.

Aktuelle Ausstellungen

Festival of Future Nows in der Neuen Nationalgalerie
30.10.2014, 20-22 Uhr / 31.10.2014, 10-22 Uhr / 01.11.2014, 10-22 Uhr
Staatliche Museen zu Berlin, Potsdamer Str. 50, 10785 Berlin

Perspektivenwechsel
 Einzelausstellung
Ausstellungsdauer: 5.12.2014 – 27.02.2015
ZiF – Zentrum für interdisziplinäre Forschung
Methoden 1, 33615 Bielefeld

Autor: Prof. Dr. Erich Thies