Kunstpreis 

Cyprien Gaillard gewinnt den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst

Cybrien Gaillard wurde gestern Abend im Hamburger Bahnhof mit dem Preis der Nationalgalerie für Junge Kunst ausgezeichnet. Mit 50.000 Euro Preisgeld zählt dieser zu den höchstdatierten Kunstpreisen in Deutschland. Für Cyprien Gaillard ist das nichts Neues, sammelt er doch momentan Kunstpreise ein wie kein anderer junger Künstler. Trotzdem hätte der Preisverleihung eine Spur mehr Glamour nicht geschadet. Die Freunde der Nationalgalerie könnten sich ruhig ein wenig von der Lässigkeit des angehenden Kunstsuperstars abschauen.

Preise der Nationalgalerie Hamburger Bahnhof

Cyprien Gaillard: Preisverleihung im Hamburger Bahnhof

Cyprien Gaillard hat einen Film gemacht, der ihm gestern Abend den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst und damit 50.000 Euro eingespielt hat. Aber Cyprien Gaillard, wäre nicht Cyprien Gaillard, wenn ihn das einschüchtern würde. Fast lässig nimmt er den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst an diesem Abend entgegen, während wir mit den Freunden der Nationalgalerie unter den wabernden Bällen von Tomás Saraceno im Hamburger Bahnhof sitzen und applaudieren. Lässig sieht das aus, weil er im Prinzip alle paar Monate auf solch eine Bühne springt, um einen Preis entgegen zu nehmen. Darunter so renommierte Pokale wie der Marcel Duchamp Preis (2010) oder der Karl-Stöher-Preis (2010).

Cyprien Gaillard

Später, als ich ihn um ein Interview bitte, umarmt er mich erst freundschaftlich und verweist mich dann très charmant grinsend an seine Galerie Sprüth Magers. Na gut, Herr Kunstsuperstar.

Cybrien Gaillard: Der Kunstfilm auf dem I-Phone

„Artefacts“ heißt sein Film über den Mythos Babylon, den er in unser Heute hinein holt. „Artefacts“ werden die Fehler bei der Foto- und Filmherstellung genannt. Artefakte sind aber auch menschliche Hinterlassenschaften, die Rückschlüsse auf eine Kultur und deren Lebensweise erlauben.

Bewusst hat Cyprien deshalb seinen Film zunächst mit dem I-Phone gedreht und damit die Entfernung von der Gegenwart zur Vergangenheit auch medial hervor gehoben. Zum endlos laufenden Refrain des Songs „Babylon“ von David Gray sehen wir amerikanische Soldaten über antike Ruinen laufen, sieht man die fatalen Auswirkungen des Irak Krieges auf das kulturelle Geschehen. Auflösung und Zerfall ist das Thema von Cyprien Gaillard, das er in all seinen Werken bearbeitet. Zuhause hat er dann das auf dem IPhone aufgenommene Material auf Film kopiert, der sich in seiner Endlosschlaufe langsam abnutzen soll. Vergänglichkeit, auch medial.

Cyprien Gaillard

Preise der Nationalgalerie: Die Jury

Das Ganze ist auf beeindruckende Weise fesselnd. Die Jury, Bice Rudiger (Venedig Biennale 2011), Ann Goldstein (Stedelijk Museum, Amsterdam), Udo Kittelmann (Nationalgalerie, Berlin) und Bartomeu Marí i Ribas (MACBA, Barcelona) urteilte mit:

Cyprien Gaillard schafft eine emotional bewegende Vereinigung kulturellem und politischem Wandels.

Udo Kittelmann spricht von der Dringlichkeit mit der alle vier jungen Künstler auf den Verfall von alten kulturellen Werten hinweisen. Auch Kitty Kraus und die  schwedische Künstlerin Klara Liden sowie Andro Wekua spiegeln in ihren Arbeiten das Thema wider.

Udo Kittelmann

Letzterer glänzt übrigens durch Abwesenheit. Schade, ich hätte ihn wahnsinnig gern zu seinem surreal gruselmärchenhaft Film „Never sleep with a strawberry in your mouth“ befragt. Ein Haltungsfehler? „Unprofessionell“ nennt es Udo Kittelmann. Da schwang definitiv ein bisschen Genervtheit ob der Künstlerattitüde mit. Was auch immer dahinter steckt, so ganz fair ist es wirklich nicht, zunächst der Aufnahme in die Runde der Nominierten zu zustimmen, um dann bei Nicht-Gewinn nicht aufzutauchen. Aber ich will nicht urteilen, ohne zu wissen was hier wirklich geschehen ist.

Dieses Jahr wurde neben der Bildenden Kunst, erstmals auch der Preis für junge Filmkunst vergeben: Iris Berben überreichte diesen an Theo Solnik für seinen Film „Anna Pavlova“.

Freunde der Nationalgalerie: Ein bisschen Verstaubtheit

Und sonst? Ist mir einmal mehr bewusst geworden, dass der Verein der Freunde der Nationalgalerie und auch dessen junge Ableger, der Stoberkreis, ganz schön angestaubt sind. Man verzeihe mir diesen Ausdruck. 80% der Mitglieder sind um die 60, hat mir Lutz Driever von den Freunden der Nationalgalerie verraten. Das ist ja nichts Schlimmes, aber es wirkte wie eine Entschuldigung für die fehlende Öffnung des Vereins gegenüber jüngeren, interessierten Kunstliebhabern. Selbst der Stoberkreis, gedacht für Menschen unter 35 tut sich schwer zeitgemäß zu kommunizieren. Ich erinnere mich an die Diskussion, die ich mir zuzog, als ich den gemeinsamen Besuch bei privaten Kunstsammlern publizierte. Wohlgemerkt mit dem Einverständnis der Sammler. Nichts soll nach außen dringen, keiner darf vorher oder nachher wissen, was die Mitglieder erleben dürfen. Ein bisschen komisch wirkt das schon. Und trotzdem sind neue Mitglieder erwünscht. Ein Paradoxum, in das ich nicht einmal die romantische Vorstellung vom eiltären Geheimbund hinein interpretieren kann.

Preis der Nationalgalerie 2011

Dass wir an diesem Abend zwar Champagner schlürfen durften, das aber ohne die kleinste musikalische Unterhaltung tun mussten, überrascht da irgendwie auch nicht mehr. Ich erfahre, dass die Ursache dafür ein traumatisches Erlebnis ist. Vor ein paar Jahren hatte DJ Hell um 23 Uhr seine Platten mit dem Ausruf zusammen gepackt, es sei viel zu langweilig hier, er gehe. Vielleicht auch der Grund, warum die Preisverleihung zum ersten Mal gefühlt kleiner ausfiel. Weniger Menschen, kein Glamour. Ein bisschen schade. Angestaubt? Ich hoffe auf frischen Wind.

Alle Fotos von David von Becker

Preis der Nationalgalerie für junge Kunst

ZUM PREIS DER NATIONALGALERIE FÜR JUNGE KUNST

Der Preis der Nationalgalerie für Junge Kunst ist einer der höchstdatierten Kunstpreise in Deutschland. 2000 von Erika und Rolf Hoffmann mit freundlicher Unterstützung von BMW ins Leben gerufen, hat er, stets von einer prominenten Jury besetzt, in den letzten zehn Jahren eine ziemlich beeindruckende Spürnase für erfolgreiche Künstler bewiesen. Preisträger waren u.a. Michael Elmgreen & Ingar Dragset (2002), Monika Bonovicini (2005) und Omer Fast (2009). Katharina Grosse und Olafur Eliasson waren nominiert.

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