Christa Dichgans Bestandsaufnahme
„Bestandsaufnahme“ heißt die Ausstellung von Christa Dichgans, die am 10. September 2015 in der Galerie Köppe Contemporary eröffnet. Wir treffen die Künstlerin kurz zuvor in ihrem Zuhause und Atelier in Berlin-Zehlendorf.
Christa Dichgans malt seit fast fünf Jahrzehnten. Ihr Talent hat sie schon in jungen Künstlerjahren zur Pionierin der Pop Art gemacht. Im Begleitkatalog der Schirn-Kunsthalle von 2014 heißt es: „Bereits 1968 nimmt Christa Dichgans formal eine Bildsprache vorweg, die in den USA unter anderem über den Post-Pop-Artisten Jeff Koons in den 1990er und 2000er-Jahren populär werden sollte“. Das erkannten damals auch bereits prominente Künstler wie Markus Lüpertz, einer ihrer Förderer, oder Georg Baselitz, dem sie in den 80ern assistierte.
Der künstlerische Weg von Christa Dichgans beginnt nach ihrem Studium in Berlin an der Hochschule für Bildende Künste. Das Sujet ‚Stillleben‘ wird zu ihrem bestimmenden konzeptuellen Merkmal. Später, während ihrer Zeit in NYC, prägt sie das Prinzip von ‚Masse‘ und ‚Häufung‘, mit dem sie Kritik an Konsum und Massengesellschaft übt und dabei Bezug auf die international vorherrschende Pop Art nimmt. In Europa ist sie vor allem durch Ausstellungen wie „Power Up – Female Pop Art“ in der Kunsthalle Wien (2010/2011) und „German Pop“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt (2014) bekannt.
Im Rahmen der BERLIN ART WEEK stellt die Künstlerin bei KÖPPE CONTEMPORARY unter dem Titel „Bestandsaufnahme“ vom 10. September bis 10. Oktober 2015 neben frühen Werken, ihre jüngsten und teilweise noch nie öffentlich gezeigten Ölbilder und Zeichnungen.
Christa Dichgans: Meine Kunst ist vor allem autobiographisch
Frau Dichgans, Sie werden oft als politische Künstlerin wahrgenommen. Sehen Sie das auch so?
Meine Kunst ist vor allem autobiografisch. In den 60ern lebte ich mit meinem dreijährigen Sohn Robert in New York. Viele meiner Bilder damals sind aus Alltagssituationen entstanden.
Zum Beispiel Ihre Gummitier- und Spielzeugbilder mit denen Sie als Pop Art Künstlerin bekannt wurden?
Ja genau. Inspiriert haben mich dazu die Spielzeughaufen, die ich bei der Heilsarmee gesehen habe – damit ging es los. Auch andere Motive kamen aus meinem Alltag. Ich habe zum Beispiel meinen Sohn in der Küche im Gitterbett portraitiert. Sie müssen sich das so vorstellen: Kleinkinder mit Umgebung, das gab es damals noch nicht. Aus dem New Yorker Umfeld heraus bin ich dann speziell geworden. Habe aus Spielzeughaufen Häufungen geschaffen. Ein Feuerwehrhaufen. Meine Bilder wurden surrealer.
Die großen Bilder aus der Werksserie „Der jüngste Tag“ sind natürlich schon sehr kritisch und beschäftigen sich wie viele meiner Bilder und Collagen sich mit dem Thema Geld. Geld regiert nun mal die Welt, das kann man nicht einfach wegdiskutieren.
Links: Christa Dichgans: Der jüngste Tag, 1978 // Rechts: Christa Dichgans: OT Nr 17, 1978
Bekommen Sie dafür auch Gegenwind?
Ich erinnere mich an eines meiner Amerika-Bilder, das von der Galerie CFA nach Boston verkauft wurde. Der Käufer, ein Amerikaner, war entrüstet darüber, dass auf dem Werk nur Geld zu sehen war. „Wir haben doch auch Kultur!“, fing er an zu diskutieren und ich wurde gebeten das Bild umzumalen. Trotz meines Ärgers darüber, habe ich mich darauf eingelassen. Aus Rache habe ich das Bild dann in Rosa gemalt. Amerika ist seitdem bei mir Rosa, analog zum Hollywood-Kitsch.
Gibt es politische Themen die Sie aktuell beschäftigen?
Ich setzte mich gerade mit dem Thema Flüchtlinge auseinander. Das ist so schrecklich, dem kam man gar nicht beikommen. Wenn ich könnte, würde ich das in meine Bilder miteinbeziehen, aber soweit bin ich noch nicht. Es rumort aber.
Sehen Sie sich denn in einer bestimmten Künstler-Tradition?
Man kann ja nicht ohne Tradition. Picasso ist ganz wichtig, ohne ihn gibt es gar keine Moderne. Richtigen Einfluss auf mich hatte, während unserer Ehe, Karl Horst Hönnike. Anregend fand ich auch die Kunst von Georg Baselitz. Auch Markus Lüpertz hat bei mir immer wieder Ideen angestoßen. Seine Bilder würde ich gerne nochmal malen, aber ganz anders. Auch Penck hat mich sehr beeindruckt. Seine Experimentierlust hat mich angespornt seinen Stil auszuprobieren, regelrecht ein bisschen bei ihm zu klauen. Mein Ergebnis ist natürlich ganz anders geworden als seins.
Links: Christa Dichgans: Prozess, 1977 // Rechts: Christa Dichgans: Rotes Portemonnaie, 1990
Sie haben bei dem bekannten Informel-Künstler Fred Thieler in Berlin studiert. Hat die abstrakte Malerei Ihre frühen Werke beeinflusst?
Ich habe die neue Sachlichkeit als heftige Phase durchgemacht. Habe dann aber aufgehört in diesem Stil zu malen, weil ich mir das selbst nicht mehr abgenommen habe. Meine damaligen Bilder sind mindestens so wild wie die „jungen Wilden“ die viel später kamen.
Wie gehen Sie denn an ein Bild heran?
Das ist unterschiedlich: es gibt Bilder, die machen mir direkt Angst, so genau habe ich sie im Kopf. Zum Beispiel das Portrait von meinem Mann das jetzt in der Berlinischen Galerie hängt. Ich habe in der Nacht davor gesehen wie es aussehen wird und es dann genauso gemalt. Allerdings geschieht das eher selten. Normalerweise habe ich eine erste Vorstellung, die sich dann im Malprozess verändert. Weil irgendetwas fehlt oder etwas schief geht. Für mich gibt es kein Rezept und keine Regeln. Genau das ist ja das Spannende an der Malerei.
Sie malen immer mehr Portraits, obwohl sie durch Stillleben bekannt geworden sind. Auch in der Ausstellung bei Köppe Contemporary werden einige zu sehen sein – wie kam es dazu?
Meine Enkelin hat mich zu den Kinder-Portraits gebracht. Sie ist Halb-Mongolin und hatte als Baby unfassbar dicke Wangen. Mir wurde gesagt, dass sie aus einer Generation stammt, in der noch einige Mongolen Nomaden sind. Deren Kinder müssen so viel und schnell wie möglich essen, weil nicht sicher ist wann es das nächste Mal wieder etwas gibt. Jetzt kommt sie in die Schule und ist ganz schlank. Das ist also wieder autobiografisch. In die neuen Portraits fließen außerdem auch Elemente meiner anderen Bilder hinein – sie werden sozusagen mitgeschleppt.
Wie kam es zum Titel der Ausstellung „Bestandsaufnahme“. ?
„Bestandsaufnahme“ heißt eines meiner Bilder. Es fasst zusammen was motivisch in vielen meinen Arbeiten vorkommt: Leitern, Farbtuben, Tiere, Würste, Panzer, Picasso, Roboter, Asien, eine Japanische Maske. Ich haben ein angefangenes Bild, in welchem ich mich mit Mustern von Ernst Willhelm Nay auseinandergesetzt habe, als Basis genutzt. Dieses habe ich ausgemessen und in Vierecke abgeteilt und es dann mit meinen Motiven gefüllt. Das war eine Überraschung – ich hätte nie gedacht, dass das so gut funktionieren würde. Wie das Bild wirklich ist, sieht man erst, wenn es hängt.
Ausstellung & Opening von „Bestandsaufnahme“
Opening: 10. September 2015, 19 – 22 Uhr
Laufzeit: Bis 10. Oktober
Galerie KÖPPE CONTEMPORARY // Knausstrasse 19 // 14193 Berlin-Grunewald
Mehr zur Galerie findet ihr im ARTberlin Galerieführer: Galerie KÖPPE CONTEMPORARY
Text: Helen von der Höden / Fotografie: Tobias Laukemper