Das minimalistische, flache und langgestreckte Gebäude liegt von hochgewachsenen Palmen flankiert an einem Hang in einem ehemaligen Naturschutzgebiet und könnte auch problemlos als Kulisse für einen James Bond Film dienen. Mit 4.000 m2 Ausstellungsfläche gäbe es genug Platz in diesem größten Zentrum für zeitgenössische Kunst der Balearen und Europas, das 2001 von Patricia und Jacob Asbaek gegründet wurde. Mit der Ausstellung Border Matters thematisieren die beiden Künstler in unterschiedlicher Form (Licht & Fotografie) historische und zeitgenössische Fragestellungen zur Thematik von Grenzen, sie präsentieren auch gleichzeitig Ansätze und Arbeiten, die genau hier vor zwei Jahren im Rahmen eines einmonatigen Residenz-Aufenthaltes entstanden sind.
Wir wollten mehr über den Werdegang der beiden erfahren und und warum das CCA darin so eine wichtige Rolle spielt und haben deswegen Anfang Mai spontan die Gelegenheit genutzt, sie in Berlin zu besuchen in ihrem nicht minder spektakulären Haus, das in unmittelbarer Nähe zur Fahrbereitschaft liegt und ihnen auch als Arbeitsplatz dient.
Die Villa, in der sich früher schon Bubi Scholz und Harald Juhnke gepflegt betranken, ist an diesem Tag für uns besonders interessant, da alle Arbeiten, die sie in ihrer Doppelshow Border Matters auf Andratx zeigen werden, im Haus zu sehen sind. Da entdecken wir Susannes Comedians wie zufällig verteilt im Wohnbereich, oder die komplette Non Plus Ultra Serie von Claus in Petersburger Hängung im Erdgeschoß, der auch als Arbeitsbereich für beide fungiert. Dazwischen gibt es ältere Arbeiten der beiden und auch privat gesammelte Kunst; wir fühlen uns ein bisschen wie bei einer Schnitzeljagd für Kunstliebhaber, bei der hinter jeder Ecke eine neue Überraschung und Kleinod wartet.
Was hält meine Kunst aus?
Im Gespräch erfahre ich, dass es reiner Zufall war, dass beide im selben Jahr, nämlich 2004, aus ihren vorherigen Berufen ausgeschieden sind und sich entschlossen haben, den Schritt in die Freie Kunst zu gehen. Bühnenbildnerin Susanne Rottenbacher hatte davor über einen Zeitraum von fünf Jahren die Projektleitung inne für die Lichtgestaltung in den Neubauten des Bundeskanzleramtes; Claus Rottenbacher war als selbstständiger Unternehmer mit 35 Angestellte nicht minder eingebunden, um es vorsichtig auszudrücken.
Obwohl wir charakterlich komplett verschieden sind, verbindet uns eine große Seelenverwandtschaft wie wir Menschen und die Welt erleben, sowie die Ernsthaftigkeit und Präzision in unserem Tun. Wir finden es auch erst dann richtig interessant, wenn wir uns mit unseren Gegensätzen auf hohem Niveau auseinandersetzen.
Was dann wiederum eine gewisse Klientel anspricht?
Susanne: Genau!
Lachend erzählen beide wie stark der Kontrast anfangs war. Wo sie vorher durchgehend am Telefon hingen, mit fünf Personen in der Warteschleife, blieb das selbige nach dem Schritt in die freie Kunst erst einmal sehr still. Eine ungewohnte Situation für die beiden, die mit dieser Entscheidung ins kalte Wasser sprangen.
Wie war das damals für Euch?
Susanne: Wir haben uns damals kaum getraut uns Künstler zu nennen, grundsätzlich gibt es ja auch gesellschaftlich einen großen Respekt vor der Kunst. Auf Rückfragen von Bekannten, ob wir nun denken, dass wir sind Künstler, haben wir gesagt, wir machen jetzt erstmal die Arbeiten und dann schauen wir, wie darauf reagiert wird.
Claus: Dadurch dass wir komplette Quereinsteiger waren, hatten wir auch überhaupt kein Netzwerk in der Kunstszene. Wir kannten keine anderen Künstler, Professoren, Kuratoren und vor allem, keine Kuratoren kannten uns. Das war zu Anfangs natürlich auch eine große Verunsicherung, denn die Anerkennung kommt ja genau aus diesem Bereich, der am Anfang noch fehlt.
Gab es eine Art Schlüssel Erlebnis für Euch in Form einer Person oder Institution, wo war der Übergang?
Susanne: Ich war durch meinen beruflichen Hintergrund eingeladen, meine ersten Arbeiten, Farbräume, im Rahmen einer Kölner Ausstellung, die Kunst und Design verband, zu zeigen. Es gab dann direkt sofort viele Interessenten und Verkäufe. Ich wurde von einem Kölner Privatier angesprochen, der eine Galerie eröffnen wollte in Köln. Danach ging dann alles relativ schnell seinen Gang.
Wie kam denn die Zusammenarbeit, bzw. euer erster Aufenthalt auf Andratx bei der CCA zustande?
Susanne: Meine Arbeiten wurden damals bei der Vienna Art Fair gezeigt, und da kam am ersten Tag gleich Patricia Asbaek vorbei und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte ein Stipendium bei ihnen zu machen. Ehrlich gesagt, kannte ich das damals gar nicht, war auch wg. der Größe meiner Arbeiten etwas zögerlich. Das Stipendium dort wird immer für ein Paar oder sogar eine ganze Familie angeboten und Claus meinte dann, ich solle die Zeit nutzen, um an neuen Entwürfen zu arbeiten, was natürlich eine großartige Idee war.
Also alle Arbeiten, die du jetzt hier siehst, sind dort entstanden. Wir haben erst auf Mallorca realisiert, was für ein besonderer Ort das ist, und dass es über 900 Bewerber für dieses Stipendium gab. Im Nachhinein dachte ich mir auch, wie irre es gewesen wäre, die Einladung nicht anzunehmen. Das haben wir erst dort richtig verstanden.
Claus: Ich glaube daran erkennt man auch gut den fehlenden akademischen Hintergrund bei uns. Für viele Künstler sind Artist Residencies ja eine Riesen Nummer und sehr wichtig, was man natürlich versteht, wenn man es einmal mitgemacht hat, aber wir waren uns dessen überhaupt nicht bewusst.
Habt ihr Angst vor den weißen Wänden? Haben uns die Kuratoren gefragt
Im Gegenteil! In Berlin ist alles so dicht, es war einfach fantastisch aus dem Nichts heraus etwas zu entwickeln.
Susanne: In dem Moment wo diese Kommunikation aufhört von außen, kann innen etwas nachwachsen und das haben wir beide ganz stark gemerkt, gespürt und dann auch umgesetzt. Was dort damals entstanden ist, damit arbeiten wir im Jetzt, also heute noch, wirklich ganz fantastisch.
Claus: Der Ort hat einfach auch etwas sehr Konzentriertes, es fühlt sich luxuriös an durch diese mentale, architektonische und landschaftliche Großzügigkeit.
Sogar die Ziegen sind schön dort! Dieses Stipendium war wirklich ganz elementar für uns.
Claus erzähle mir bitte ein bisschen was zu deiner Serie die du im CCA zeigst.
Die Serie „Non Plus Ultra bezieht sich tatsächlich auf dem griechischen Helden Herakles und den Fels von Gibraltar.
Herakles benannte diesen Ort damals nach vollendeter Heldentaten als: NON PLUS ULTRA.
Denn es war tatsächlich das Ende der damals bekannten Welt. Mir hat das sehr gut gefallen, da es in starker Diskrepanz steht zu dem, was Non Plus Ultra heute bedeutet. Für mich interessant als Ausgangspunkt war dieses Bild von dem heraussegelnden Herakles zwischen den beiden geologischen Hervorhebungen, den Säulen von Gibraltar. Der Renaissancephilosoph Francis Bacon nutzte es z. B. in seiner Instauratio magna, einem heutigen Standardwerk, als Symbol für das bewusste Durchbrechen der Wissensgrenzen von Antike und Mittelalter. Das irre ist ja, dass dieser Spruch, Non Plus Ultra, im spanischen Wappen mit aufgenommen wurde.
Nach der Entdeckung Amerikas, wurde der Wappenspruch in Plus Ultra abgeändert. Dadurch haben sie aber auch die Bedeutung total verdreht. Wo Non Plus Ultra für eine Grenze steht, die man nicht überwinden kann, hat man ohne das Non automatisch diese damalige Allmachtsfantasie der Spanier: wir kennen keine Grenzen, beherrschen die ganze Welt.
Bis heute erkennen die Spanier diese Grenze zu England, mit 300 Jahren eine der ältesten Landesgrenzen die es gibt, nicht an. Es ist ein absurder Zustand vor dem Hintergrund von Europa und der heutigen Zeit, möchte man eigentlich meinen, dass Spanien bis heute diese Landesgrenze nicht akzeptiert, on top kommt hier natürlich unter heutigen Gesichtspunkten der Brexit hinzu.
Wir haben den Berliner Künstler und Kurator der Border Matters Ausstellung Frank Hauschildt, der mit beiden auch befreundet ist und schon früher Shows der beiden kuratiert hat, über die Besonderheit beider Künstler und dieser Ausstellung befragt:
Bedenke ich meinen eigenen Ansatz in der Kunstproduktion, hat mich wohl direkt der Aufwand, die Strukturierung und Planung wie auch Präzision bei den Projekten der beiden fasziniert; dies ist den Arbeiten beider Künstler immanent.
In der Ausstellung ging es mir vor allem darum, die so unterschiedlichen Werke in einen Kontext zu bringen – so haben wir dann auch entschieden, nur die Serie Non Plus Ultra mit der Installation Disassembly zusammenzuführen und die Commedians separat zu zeigen.
Der Übergang vor Ort im CCA von hellen White Cube-Räumen in eine dunklere Halle, die eher wie eine schöne Tiefgarage anmutet, war die eigentliche Herausforderung. So sieht der Besucher als erstes ein Bild eines Sonnenaufgangs, der zunächst überall, insbesondere auch auf Mallorca sein kann, und dann einen „Unort“, der sich auch einer Lokalisierung entzieht.
Erst im weiteren Verlauf oder durch Hinzuziehen des Textes erklärt sich das Thema und die (Abgrund-)Tiefe der Serie.
Demgegenüber dann wieder Susannes musikalische, hochpoetische Raum-Zeichnung zu setzen und damit Platz für den Besucher selbst und abstraktere Gedanken zu Grenzen zu schaffen, macht die Zusammenführung der beiden Werke so schlüssig.
Die Kombination der beiden Werke an diesem Ort zu dieser Zeit ergeben eine enorme Bereicherung und hochspannende Situation die sich einer aktuellen Thematik stellt.
In meiner Rückschau ist es vor allem der Gegensatz dieser bewusst unbequemen Fragestellung und Präsenz die Border Matters hervorruft, zur parallel gezeigten Einzelausstellung der Commedia della Luce Serie, die mich fasziniert hat.
Die Inspiration zu dieser Serie ist in Susannes Vergangenheit am Theater als Bühnenbildnerin zu finden. Die Figurinen, die sie als Vorlagen benutzte wurden 1860 von Maurice Sand, Sohn der französischen Schriftstellerin George Sand, für die Comeddia dell’arte in Venedig entworfen und enthalten so berühmte Figuren wie den Harlekin.
So erinnerte mich die raumausfüllenden Lichtinstallation Disassembly, an einen entfesselnden, vor Kraft strotzenden, den Raum beherrschenden Drachen, während die im Vergleich geradezu „petit„ anmutenden Arbeiten der Commedia della Luce Serie, eine ganz feinporige Konzentration und Schönheit ausstrahlen, deren Herzschlag den Betrachter in stille Ergriffenheit und Harmonie versinken lässt.
Zu sehen sind alle Arbeiten noch bis zum einschließlich 1. September, CCA Andtratx, Mallorca.
BORDER MATTERS
Susanne Rottenbacher & Claus Rottenbacher
Ausstellungsdauer: bis 1. September, 2018
CCA Andratx | C/ Estanyera, 2 – 07150 Andratx | Mallorca, España