Wenn man Dich in Deinem Studio besucht, stechen direkt ein Konzertflügel und das große Schlagzeug heraus. Neben Deiner tiefen, melancholischen Stimme beherrschst Du fünf Instrumente: Bass und E-Gitarre, Klavier, Schlagzeug und Harmonium. Du spielst darauf Klassik, aber auch Hardrock. Waren Musik und musikalische Performances von Beginn Deiner Künstlerkarriere ein fester Bestandteil?
Anfangs waren sie vor allem Quelle für Ideen und Anregungen. Mit der Zeit sind sie zu einem mächtigen Meer angeschwollen, was gleichermaßen zum Besegeln und Untertauchen inspiriert.
DOOM Metal kennen die meisten durch die Band Black Sabbath, als Künstlerin und Musikerin startest Du im Jahr 2007 Dein multi-instrumentales Projekt GRAN HORNO…
Gran Horno (spanisch) heißt großer Ofen, ein alles verbrennender Feuerherd, der sich mit mehreren Musikrichtungen verbunden sieht. Die Namensschöpfung entstand spontan, wie ein Zauberwort. In dem multi-instrumentalen Projekt entstehen sowohl Improvisation als auch Komposition bis hin zu Liedgedichten in unterschiedlichen Sprachen. Die Musik folgt dabei keiner festgelegten Musikrichtung, es erklingen aber mit Vorliebe Strom-Gitarre, Klavier und strammes Schlagzeug. Die Texte, wenn in den den Stücken vorhanden, erzählen oftmals die Geschichten der Reisenden, oder Suchenden auf ihren Wegen und berichten von ihren Entdeckungen. Sei es im undurchdringlichen Dickicht des Waldes, in einer weiten offenen Landschaft, in den wirren Straßen fremder Städte oder auch an Bord eines einsamen Segelschiffes im Seegang gegen einen starken Wind.
Mit an Bord ist immer wieder der Maler und E-Gitarrist Tom Früchtl unter anderem auch auf Gran Horno’s letztem Album Hymni (2015), was in den Klangbildstudios Berlin von Martin Fiedler aufgenommen, gemastert und produziert wurde.
Mit dem amerikanischen Bildhauer und Schlagzeuger John von Bergen wüten wir seit 2012 zudem als Improv-Metal Trio HERTZANGST in den Heiligen Hallen Berlins und anderswo. Als Trinität der Künste sind beide Formationen im Roten Salon der Volksbühne mit der amerikanisch-deutschen Künstlerin und Musikerin Nicole Bianchet zusammen aufgetreten. Seit Jahren treffen unsere beiden Stimmen – der subtile Sirenengesang einer ausgebildeten Sopranistin und mein tiefes Alto – zu speziellen Gelegenheiten zusammen um sich gegenseitig in eigenwilliger Zusammenwirkung zu unterstützen und zu verzaubern, sei es in ihren Liedern oder auch in meinen. Weitere musikalische Zusammenarbeit kommt auch aus den Reihen der Kunstkritiker, wie etwa mit Raimar Stange am Bass und Andreas Schlaegel am Schlagzeug.
Auf der 55. Biennale di Venezia hast Du 2013 mit der Ausstellung RELEGATION den Pavillon von Luxemburg bespielt. Wir waren vor Ort und haben mit Begeisterung Deine multi-mediale Installationen aufgesogen. Den Auftakt bildete ein schmaler Korridor, an dessen Decke 13 Gitarren hingen, die durch die Bewegung der Besucher zum Klingen gebracht wurden und im gesamten Pavillon über den Köpfen der Besucher hingen, nicht nur an den Decken, sondern auch in den monumentalen Zeichnungen. An den Wänden sah man weitere Zeichnungen aus der Reihe „Séismes“. In weiteren Räumen fanden sich drei Konzertflügel. Stellst Du Rock- und Popkultur der klassischen Hochkultur gegenüber?
Bei RELEGATION gefällt mir das Deklinieren der ‚schwarzen Standards’: Eine Trias schwarzer Konzertflügel, die Monolithen klassischer Musik treffen auf eine große Anzahl schwarzer zackige Rock-Klampfen, die Customized Explorer endorsed von Gibson Guitars, die Äxte des Rock ’n ‚Roll. Auf den ersten Blick eine antithetische Konstellation erwägend, werden sie schließlich verbunden durch die angelegte Komposition elektro-magnetischer Klänge in unterschiedlichster Färbung, erzeugt von zahlreichen E-bows auf den Stahlseiten der Instrumente und gesteuert von einem Interface und seinen Sensoren. Letzteres ist aus der Zusammenarbeit mit dem luxemburgischen Toningenieur Christian Neyens entstanden und wird seitdem immer weiterentwickelt. RELEGATION wird seither grosszügig endorsed von Gibson.
An den Decken hingen großformatige Zeichnungen – eine Art der Rauminstallation, die Du in aktuellen Projekten ebenfalls anwendest. Eine unkonventionelle Art Kunst zu präsentieren und gleichzeitig ein Verweis auf barocke Deckenmalerei in katholischen Kirchen. Fertigst Du diese Bilder – wie Michelangelo für die Sixtinische Kapelle – im Liegen auf dem Rücken an? Was fasziniert Dich am Barock bzw. an dessen Gegenüberstellung mit Gegenwartskunst?
RELEGATION bedeutet so viel wie ‚verbannen’ aber zugleich auch ‚wieder lesen’. Eingebettet ist die Installation in einer assoziativen Landschaft von Zeichnungen vor allem an der Decke, einer Hommage an barocke Apotheosen. Durch die Gegenwart der Betrachter und deren Bewegungen erwachen die Klänge zum Leben. Durch ihr Wandeln werden sie ihrer Verbannung zugeführt.
Die zeichnerische Arbeit findet aufgrund der sensitiven Beschaffenheit des Papiers auf festem Untergrund statt, mit Vorliebe auf der Erde. Zum Komponieren und Prüfen der Bildelemente hänge ich mich dann über die Stufen einer hohen Leiter. Im späteren Arbeitszustand füge ich eventuelle Details dann direkt zu, wenn die Zeichnung oben hängt und fest installiert ist. Ich habe mich stets für barocke Thesenblätter und ihre Ornamentik interessiert. Diese verschiedenen Bildelemente freihändig in Sepia zu zeichnen und zu lavieren bedeutet für mich stets eine erfrischende Herausforderung in der Rekursnahme auf Zeiten handwerklich gekonnter Kunstproduktion, in der nicht nur ein Bild aufgehängt wurde, sondern zugleich die ganze Architektur eines Ortes dramatisch mit einbezogen wurde. Nicht nur der Wert der Arbeit spiegelt sich in diesen reichen apotheotischen Darstellungen wieder, zugleich wird dem Betrachter eine einzigartige Geschichte offenbart, in dem er sich selbst, seiner Vergänglichkeit und der Verheißung ewigen Lebens kontemplativ nachspüren kann.
Die Verwendung von Stilmittel aus dem Barock bedeutet für mich eine Möglichkeit der Entschleunigung der hastigen Bildinformationen, wie sie uns zurzeit aus unzähligen Bildquellen überfluten. Ähnlich geht’s auch in der Musik: Wie viele Hörer sehnen sich wieder nach glänzenden runden schwarzen Schallplatten statt zerrigen Hörproben aus dem Internet.
Zu dem bekannten Roman „Querelle“ des französischen Schriftstellers Jean Genet hast Du gemeinsam mit dem Schauspieler, Filmproduzent und Maler Burkhard Driest eine ganz eigene Interpretation des Romans und seiner Figuren angefertigt – welche Themen wurden hier behandelt und wie umgesetzt?
Ludwig Seyfarth, der Burkhard Driest und mich einander vorgestellt hat und uns bei unserer gemeinsamen Ausstellung im Art-Loft 2016 als Kurator zur Seite stand, habe ich bei der Erstellung des Textes für den Katalog folgende Worte übermittelt: „Ich habe Burkhard letztes Jahr kennengelernt in einer Zeit, wo ich mich noch intensiver mit dem Thema See/Seh-Schlachten befasste. Dieses Vorhaben gleicht einem Schiff, auf welchem ich Burkhard mal als Schiffsjunge mit tief raunender Stimme und (elektronischer) Klampfe oder auch als Bootsmädchen und dem flotten (Schiffer) Klavier begleite, beistehe und wir uns mal durch den Seegang, mal durch den –tang wühlen. Für mich ist Querelle eine Analogie der Krise um Identität und Integrität, die sich in ebendieser apokalyptischen Figur mit ihrem Schiff Vengeur (der Rächende) offenbart in ihrem haltlosen Hadern im Netz von Sex, Fantasie und Sehnsucht in den Launen der Gezeiten.
Ich will den Mord besingen, da ich die Mörder liebe,
lautet einer der radikalsten Sätze des französischen Schriftstellers Jean Genet.
Du hast Malerei, Geschichte und Kunstgeschichte an der Sorbonne in Paris studiert und in Geschichte und Kunstgeschichte promoviert. Zum 100 Geburtstag Marcel Duchamps feierten viele den Künstler und lassen meist unerwähnt, dass sein berühmtestes Werk, Fountain, eine Schöpfung der Baronesse Elsa von Freytag-Loringhoven, der bekannten „amerikanischen Dadaistin“, ist. Die Künstlerin Annie Kevans sagt:
Du hast Dich eingehend mit dem Thema beschäftigt: Wie kommt es dazu, dass Männer Kunstwerke von Frauen kopieren und als ihre ausgeben? Und wieso wird darüber selten etwas öffentlich gemacht? Liegt es nicht in der Verantwortung von Kunsthistoriker*innen, Museumsmachern, Kurator*innen und Kulturjournalist*innen darüber intensiver zu diskutieren und die Kunstgeschichte gegebenenfalls umzuschreiben?
Marcel Duchamp wurde ja schon von Joseph Beuys überbewertet.
Es ist immer wieder das Gleiche und es kommt immer wieder vor: Dass Künstler Werke und Ideen anderer stehlen oder übernehmen, gar kaufen dürfen, ist gang und gäbe. Die Zuschreibung seines Pissoirs zu Elsa von Freytag-Loringhoven ist ein kleines Moment in der gigantischen Zeitlinie von Duchamps Schaffen. Daher geht es einfach unter. Nur dank der raschen Informationsvermehrung durch das Internet kommen heute solche Themen an die Oberfläche. Seit der Schulzeit wurden wir zur Ehrfurcht vor Duchamps Werk geformt. Es ist ein Monument der westlichen Kunstgeschichte, wie auch Picasso und all die anderen. Je mehr man aber anfängt an diesem Denkmal und anderen zu kratzen, und das tun viele, bröckelt allmählich immer mehr Stein ab und das Ganze kommt ins Wanken.
Die Kunstgeschichte ist ein dann nur noch eine Sache der Ansicht, nicht der Fakten. Wollen wir das?
Es liegt in der Verantwortung eines jeden sich zu äußern, es nicht nur dem Fachpublikum zu überlassen. Es gibt schon große Initiativen in Sachen der Aufarbeitung solcher Fälle, auf internationaler Ebene. Jammern hilft aber nichts, sondern einfach weitermachen!
Authors: Barbara Green, Wayra Schübel von GREEN | GONZALEZ
Photos by: Sandra Berger (c) GREEN|GONZALEZ + (c) MUDAM Luxemburg + (c) Lorent