Liebe Franziska, du bist selbst vertreten auf der Positions Berlin Art Fair, erzähle uns kurz was es für Dich besonders macht, was dich, uns erwartet, was ist hier hervorzuheben in diesem Jahr nach Deinem Gefühl?
Auf der Positions sind in diesem Jahr Werke von 234 Künstlerinnen und Künstlern aus 37 Ländern zu sehen, junge und etablierte zeitgenössische Arbeiten, als auch Werke der klassischen Moderne. Die WE Gallery ist beispielsweise mit Arbeiten von Loris Cecchini dabei. Michael J. Wewerka zeigt Martin Kippenberger. Spanien und das Baltikum sind in diesem Jahr besonders stark vertreten. Auch Japan, USA, Kanada. Eine Flut Kunst. Doch genau das ist spannend. In der Fülle die Kunstwerke zu erspüren, die eine Resonanz entfachen, jene nachhaltig emotionale Kraft. Welches Bild provoziert anhaltend eine Auseinandersetzung, Deine Bewusstwerdung. Kunst ist Blicklenkung – in den einzelnen Menschen und die Gesellschaft. 234 Künstlerinnen und Künstler – ein herrlich krasser Spielplatz der Entdeckungen. Kunst ist Ernst und Spiel. Geburtsort für Gefühle. Das was war, das was ist, das was kommt.
Positions Berlin Art Fair Postbahnhof am Ostbahnhof 15. – 18. September 2016
Welche Openings willst Du auf keinen Fall verpassen und warum?
Die Eröffnung der Berlin Art Week in Kooperation mit dem Artist Film Festival der haubrok foundation. Gezeigt werden herausragende Experimentalfilme – im Kino International! Das einstige DDR-Premierenkino. Ein Blick aus der Fensterfront auf die Karl Marx Allee und man ist da. Zurück in der Geschichte. Die Filmplakate werden bis heute per Hand gezeichnet. Und die Leinwandgröße ist atemberaubend. Die Experimentalfilme werden an dem Abend so sicher eine ungewöhnlich starke visuelle Wucht entfalten. Das könnte einzigartig werden.
Berlin Art Week Eröffnung Artist Film Festival Kino International Opening: 13. September 2016
Neugierig machen mich auch wieder die Openings in den Projekträumen. Da wäre beispielsweise die schwedische Künstlerin Linda Bäckström, mit der ich gerade parallel auf dem österreichischen Kunstfestival sommer.frische.kunst ausstellte. Sie schreckt nicht vor Humor zurück, um ihr Ziel zu erreichen. Das Zentrum ihres „Altar Of Speed“ bildet eine textile Skulptur, der Motor eines Rennwagens, geformt aus Stoff. Der Traum von grenzenloser Geschwindigkeit und rauschhaftem Gewinn findet sich in der Frage nach Materialität und dem Zeitrahmen fossiler Ressourcen wieder. Satirische Überhöhung als Wegweiser in eine komplexe Fragestellung nach Zukunft und Verantwortung.
Kanya Berlin and Wetterling Gallery Linda Bäckström, The Altar Of Speed das Opening: 14. September 2016, 18:00
Hinter „Lüpertz meets Falckenberg“ stehen die Galeristin Anna Jill Lüpertz und die Kunstagentin Jenny Falckenberg. Sie zeigen vier zeitgenössische künstlerische Positionen der Malerei: Billi Methé, Karl Goerlich, Daniel Kannenberg und Harald Herrmann. Methé vertieft sich in die Gegenwelten von Chaos und Ordnung, Zufall und Schöpfung, welche Prozesse im Universum vom größten bis zum kleinsten Element formen und prägen. Auch im Prozess des Malens nutzt sie diese Pole. Ebenso bewegt sich Karl Goerlich in Gegensätzen, zeigt neue großformatige Kompositionen auf Papier. Daniel Kannenberg zitiert unerschrocken aus vielen Bereichen der Kultur und des gesellschaftspolitischen Geschehens. Harald Herrmann ist ein Reisender – das eint unsere Herangehensweise. Besonders gespannt bin ich daher auf seine Arbeiten, die er in letzter Zeit zunehmend in die Abstraktion überführt. Transformationen, denn Herrmann übersetzt die Realität in eine Welt, die parallel und losgelöst ihre eigene Geschichte schreibt. Die von ihm besuchten Orte verdichtet er. Er bildet eine Essenz, für mich dann jene Gefühlsorte, bestehend aus zusammengeballten Erinnerungen.
Lüpertz meets Falckenberg: Billi Methé, Karl Goerlich, Harald Herrmann, Daniel Kannenberg im Projektraum Quartier 205, Friedrichstraße 67 – Opening: 15. September 2016, 12:00
Welche Künstler stechen für Dich in diesem Jahr besonders hervor?
Da ich aus der Fotografie komme, sind es die Fotografen Roger Ballen und Asger Carlsen. Carlsen aus Südafrika und Ballen der New Yorker. Hier interessiert mich der Prozess. Beide Künstler begannen 2013 über den Atlantik hinweg eine intensive mehrjährige Zusammenarbeit per Mail und Skype. Verstörende gemeinsame Fotocollagen sind entstanden, digital und analog, das Unterdrückte zeigend, das unbekannte Selbst, das gehört werden möchte. Ein Plädoyer für die Verbindung des Menschen zu sich selbst. Im Miteinander nachgespürt und in 37 radikalen Collagen in der Galerie Dittrich & Schlechtriem zu sehen.
Galerie Dittrich & Schlechtriem: Roger Ballen & Asger Carlsen – No Joke das Opening: Friday, 16. September, 18:00
Eine andere Art des Miteinanders: Die Galerie Friedmann Hahn zeigt die New Yorker Künstler Anne Leone und Daniel Ludwig. Sie sind seit vielen Jahren ein Paar, leben und arbeiten beide in einem Künstlerhaus in Brooklyn. Anne Leone fokussiert sich auf Schwimmende, unter Wasser. Sehen aus wie Schwebende. Real und doch surreal, ein zartes Schwingen und Fliegen. Doch in die graziöse Schönheit mischt sich gebrechliche Melancholie, das rein Leichte scheint eine Utopie – dem Ausstellungstitel gemäß überreicht „From NYC with Love“. Auch in der surrealen Malerei von Daniel Ludwig findet sich solch Erwärmendes. Aber auch ein Bruch. Der Kontrast entsteht hier nicht in den Arbeiten selbst, sondern im Außen, im Gegenüber mit der gegenwärtigen US-amerikanischen Welt. With Love – schlicht und die wesentliche Essenz. Ich freue mich auf die Begegnung mit den Werken.
Galerie Friedmann Hahn Anne Leone, Daniel Ludwig – From NYC with Love Part Three Ausstellungszeitraum 08. September bis 29. Oktober 2016
Und ja, eine große Freude über Christian Jankowski! Konzept- und Aktionskünstler. Im Spannungsfeld zwischen Künstlern, Kunstinstitutionen, Medien und Gesellschaft kritisch unterwegs. Suchend und untersuchend. Schon Anfang der 90er beeindruckte mich „Die Jagd“: Jankowski erlegte in einem Supermarkt Joghurtbecher, Brot und ein tiefgefrorenes Hähnchen mit Pfeil und Bogen. Dann sein Videofilm „Kunstmarkt TV“, in dem ein Teleshopping-Moderator Arbeiten von Jeff Koons und Franz West anbot, die sich in nichts von den üblichen Fernseh-Verkaufsaktionen für Küchenmixer und Schlankheitspillen unterschied. Nun eine Schau aus mehreren Arbeiten im Haus am Lützowplatz. Darunter auch Kunst-am-Bau an der Außenfassade. Die farbigen Schriftzüge aus Aluminium wurden von Jankowski eigentlich für den Kunst-am-Bau-Wettbewerb des BER-Flughafens entwickelt. In der Ausschreibung hieß es: „Ein wichtiger visueller und emotionaler Bezugspunkt“ werde gesucht: „Die Kunst soll an dieser Stelle ein Zeichen setzen“. Jankowski zeigt die Beliebigkeit dieser Anforderung. Statt am neuen Flughafen, greift er sich die Schriftzüge und setzt sie auf das Haus am Lützowplatz. Berechtigt bissiger Hinweis. Anregend. Und es regt auf. Gut so!
Christian Jankowski Haus am Lützowplatz Opening: Mittwoch, 14. September 2016, 19:00
Wohin gehst du gerne zum feiern oder essen während der Artweek, hast du besondere Lieblingsorte?
Jenseits der Einladungen zu Openings und Art Dinner, lasse ich mich am Liebsten in mir noch unbekannte Orte mitnehmen, gerade in Berlin ist das großartig. Restaurants, Bars. Auf der Art Week gibt es alte und neue Begegnungen. Eine verdammt schöne Zeit. Die Eindrücke in der Kunst sind ja sehr geballt und viel. Gut so, aber falls es doch mal zu viel wird: Neulich entdeckte ich einen Raum im Brandenburger Tor, den Raum der Stille. Jeder kann rein, ohne Eintritt, einzige Bedingung: Stille. Hier sitzt man mit Unbekannten und schweigt. So lange man will. Draußen der Trubel. Ein faszinierender Ort. Ich denke das könnte gut tun, in der Stille sortiert sich bekanntlich die Fülle der Eindrücke, es setzt sich das Wesentliche durch.
Dein bester Moment auf der letzten Artweek?
Als ich erfahren habe, dass ich Preisträgerin des Berlin Hyp Kunstpreises der Positions werde. Ich arbeite nicht als Künstlerin, um Preise zu bekommen, aber eine Auszeichnung ist eine so heftige krasse tiefe Freude, denn sie impliziert die Sichtbarmachung der Kunst, insbesondere wenn wie hier eine Einzelausstellung der Bestandteil des Preises ist. Kunst ist ja Dialog. Mit sich selbst, mit Menschen, dem Betrachter.
Und dafür muss Kunst gesehen werden können – damit der Dialog weitergeht, und wir alle nicht aufhören hinter die Dinge blicken zu wollen.