Moshe Gershuni in der Neuen Nationalgalerie bevor sie schließt
Es sind die allerletzten Wochen, Ende Dezember schließt die Berliner Neue Nationalgalerie für einige Jahre, eine General-Überholung steht an. Eines der schönsten Berliner Museen, mit großartigen Ausstellungen, man denke nur an die legendäre MOMA-Schau oder die Gerhard-Richter Ausstellung vor zwei Jahren, die beide absolute Publikumsrenner waren. Quasi auf leisen Sohlen kommt dagegen die letzte Ausstellung vor der Schließung daher: Moshe Gershuni ist in seiner Heimat Israel zwar ein Star, aber im Ausland kennt man ihn kaum. Keine Retrospektive, aber doch eine umfassende Schau, die erste Einzelausstellung in einem europäischen Museum seit mehr als 30 Jahren.
Moshe Gershuni’s Ausstellung: No Father, No Mother
Kein Vater, keine Mutter? Das klingt nach einem schlimmen Schicksal. Bei einem 1936 geborenen Israeli lässt es gleich düstere Gedanken an Holocaust und Krieg aufkommen. Tatsächlich steht es eher für die Suche Gershunis nach einem persönlichen, künstlerischen und politischen Standort. Udo Kittelmann, Direktor der Nationalgalerie:
Der Titel der Ausstellung „No Father, No Mother“ bezieht sich auf ein Zitat aus Georg Büchners Woyczek. (Anmerkung: Ein Märchen vom armen, aber guten Waisenkind). Und natürlich hat dies auch autobiographische Züge, nicht in dem Sinne, dass hier ein Waisenkind spricht, aber doch ein Künstler, der immer nach seiner Identität, seiner Herkunft, seiner Heimat gesucht hat.
Gershuni – Zuhause in der europäischen Literatur und Musik
Ein Zitat aus einem deutschen Drama des 19. Jahrhunderts! Moshe Gershuni ist zweifellos in der europäischen Literatur und Musik zuhause. In einem Werkzyklus „übersetzt“ Moshe Gershuni die „Vier Ernsten Gesänge“ – ein Liederzyklus von Johannes Brahms – in ausdrucksstarke Malerei, mit Zitaten aus der Bibel, die Teil des Bildes werden: „Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ Seine Bilder sind eruptiv, mit kräftigen Farben, Rot spielt eine große Rolle. Mit Erstaunen sieht man Hakenkreuze, Davidsterne und den islamischen Halbmond vereint. Ory Dessau, Co-Kurator der Ausstellung:
Moshe Gershuni hat als Maler keinen Pinsel benutzt, er arbeitete am Boden auf allen Vieren und brachte die Farbe mit den Händen aufs Papier. So haben diese Bilder etwas sehr Unmittelbares und stehen gleichzeitig an der Grenze zwischen Malerei und Performance.
Konzept, Performance, Malerei
Der in Tel Aviv geborene Moshe Gershuni war zunächst Konzept- und Performance-Künstler, bis er sich in den Achtzigern der Malerei zuwandte. 1980 vertrat er Israel mit einem Beitrag, der sich mit dem Holocaust beschäftigte, auf der Biennale in Venedig. In seinen Bildern benutzt er Symbole des Judentums und des Islam, viele Werke sind mit hebräischen Inschriften versehen. In seiner Heimat hatte er sich immer wieder in die politische Diskussion eingemischt und die Besatzungspolitik der israelischen Regierung angeprangert. Die Ausstellung wird im November von einem Rahmenprogramm zu Fragen der jüdischen Identität und Heimat begleitet und läuft bis zum 31. Dezember 2014.
Fotos: © Moshe Gershuni, courtesy Givon Art Gallery Tel Aviv / Portrait Foto ganz oben: © Uri Gershuni