© Mira Schroeder
Fashion Week Berlin: BLESS Shop // Montag
Bei Blessens unterm Sofa – Herzlich Willkommen im BLESS HOME
Das Verhältnis von Mode und Kunst ist nicht selten ein komplexbehaftetes, ist die Kunst schon seit Jahrhunderten von offizieller Seite zum Kulturgut erhoben, das es nicht nötig hat, Funktionalität zu liefern, so ist die Mode zu offensichtlich Irdischerem bestimmt – zum Anziehen nämlich. Wie Jan Joswig im im Juni erschienenen Bildband „German Fashion Design 1946-2012“ es so schön kommentiert
Die ganze Kreativität wird verschenkt an ein flatterhaftes Konsumprodukt mit lächerlicher Halbwertszeit.
Meist gehen die Kollaborationen nicht über sehr offensichtliche Marketing-Stunts hinaus, Künstler gestalten Tasche XY oder Signature-Print YZ, ohne jedoch etwas zur inhaltlichen Weiterentwicklung auf beiden Seiten beizutragen.
BLESS Berlin
Und doch es gibt Ausnahmen, nämlich dann, wenn sich die Mode-Designer einer der Hauptstrategien der Kunst, nämlich des andauernden Hinterfragen des Ist-Zustandes, bedienen, um ihre Entwürfe an neuen Guidelines auszurichten, statt nur an dem, was nächste Saison als schön und nützlich empfunden wird. Das von Ines Kaag und Desiree Heiss 1997 gegründete Label Bless ist eine dieser Ausnahmen. Da sie Modedesign studiert haben, ist es wohl irgendwie Mode, eigentlich aber viel mehr. Hier wird nicht zwischen Entwurf und Objekt, Tragbarkeit und Kunst, Design und Leben unterschieden, sondern einfach einmal alles demokratisch durchnummeriert, was dem kreativen Kosmos entspringt. Das macht die Webseite zwar auf den ersten Blick etwas unübersichtlich, aber je mehr man eintaucht, desto mehr verfängt man sich staunend in der Vielfalt der Objekte, egal, ob man sie anziehen kann oder ausstellen.
Das Schönste ist – ab und an darf man sogar zuschauen und persönlichen Einblick nehmen in die Lebens- und Arbeitsweise der zwei, zur Fashion Week seit gestern auch in Berlin. Egal ob Steckdose oder Stiefel, Bett oder Balkonpflanze, Bless hinterfragt und variiert einfach alles, was uns im täglichen Leben umgibt. So ist es nur konsequent, dass sie sich nicht damit begnügen Kleidungsstücke in einem der vielen Showrooms auszustellen, sondern gleich in eine komplett ausgestatte Wohnung einladen, das BLESS HOME, die für die Zeit der Modewoche ihr Zuhause und Arbeitsplatz ist. Willkommen in einem gestalterischen Universum, das keine Disziplingrenzen kennt!
BLESS HOME
ab Montag bis zum 21.01.2012 von 16-20h geöffnet
Oderberger Str. 60 im 3. Hinterhof bei Mira Schröder klingeln.
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Berlin Fashion Week: Nude POP-Up Store // Dienstag
Obwohl der NUDE Pop-UP Store, organisiert von Studenten der HTW-Berlin, sich auf das absolute Minimum bezieht, dessen sich die Mode bedienen kann, nämlich den nackten menschlichen Körper, so ist die Ausstattung der rauen Räume im Hackeschen Quartier extravagant: Direkt auf der rohen Wand angebracht, hat der Berliner Künstler Enrico Nagel hier seine bisher größte Arbeit verwirklicht. Auf 4 Metern Fläche ist hier in tagelanger Kleinarbeit eine Wandcollage entstanden, die sich mit dem Thema des Showrooms – der Mode im Kontext zum nackten Körper und dem Spiel von Verhüllung und Betonung – auseinandersetzt.
Wie immer vereint sich in den Collagen von Nagel technische Perfektion mit fast schon überbordender Ästhetik. 1987 in Berlin geboren, bedient sich der Künstler in seinem Oevre vielfältiger künstlerischen Techniken, von der Malerei bis zur Installation, um betörende Remixe zeitgenössischer medialer Bildwelten zu schaffen. Gerade die künstliche Ästhetik der Modefotografie und Werbung lässt sich, verfremdet und zerstückelt, häufig in seinen Collagen finden. In einen neuen Kontext gesetzt, stecken die glattpolierten Körper und Gesichter nun jedoch voller Geheimnisse – die Figuren wirken verloren auf weißen Hintergründen, in ihrer Nacktheit, ganz ohne schützendes Beiwerk den Blicken der Betrachter preisgegeben.
Unbehandelt und roh, wie der Körper als Fix- und Ausgangspunkt allen Designs, so auch die Ausstattung des Stores und die Materialien der Kollektionen. Begleitet und akzentuiert von Nagels Auseinandersetzung mit dem Thema „NUDE“, sowie Performance und Live-Shootings der einzelnen Labels, werden Kollektionen von Vladimir Karaleev / Franzius / Karolin Kruger / Julice en rêve / 30PaarHaende / Sophie Rowley / bergnerschmidt & OnitdemonProject täglich von 13-21h einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Die große Eröffnung findet am 17.01. ab 20h statt.
NUDE
Opening 17.1.2012 ab 20 Uhr
bis 21.1.2012, täglich von 13-21h
Hackesches Quartier
Litfassplatz 2
10178 Berlin
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Fashion Week Berlin: .HBC Gallery // Mittwoch
Die Künstlerin Daniela Macé Rossiter zum Re-Opening der VUP Lounge und Les Cercles Gallery im .HBC
Daniela Macé Rossiter – klangvoller Name, interessante Fotografien. Um nicht wiederholt nur den immer Gleichen zu huldigen, wagen wir uns einmal vor ins Ungewisse und vertrauen auf die Urteilskraft der HBC-Crew – steht das Kollektiv, das sich schon seit einiger Weile dem ehemaligen Haus Ungarn in der Karl-Liebknecht-Strasse widmet und es innerhalb kürzester Zeit geschafft hat, zu einem der Hotspots in Berlin zu avancieren, doch meistens für zumindest gelungene Unterhaltung zwischen Hochkultur und Hipstertum, Elektronik-Avantgarde und etablierten Hits, Kunst und Kommerz. Auch während der Fashion Week wird hier wieder ordentlich aufgetischt, ein ausgetüfteltes Programm inklusive Guerilla Piano, Low Budget Cinema, dem obligatorischen Pop-Up-Store und oben genannter Kollaboration mit der Cercles Galerie, macht es schwer, die teilnehmenden Künstler theoretisch und qualitativ zu verorten, lässt aber gerade dadurch den Raum, immer wieder eine Überraschung zu erleben.
Frisch von der Kunstuniversität Weißensee und erst süße 25, hat Daniela Macé Rossitier in Sachen Foto, Video und Installation bereits einiges zu bieten, neben Magazin-Editorials auch Ausstellungen in der Forgotten Bar, der Babette Bar in Berlin und der Galerie des Cerclades in Paris. Neben den ganzen schon vorab hierarchisch zugangsbeschränkten und minutiös durchgeplanten Fashion-Week-Dinners scheint ein kleines bisschen Ungewissheit doch sehr verlockend. Und sollte die Kunst nicht zusagen sind die Fashion-Blog-Fotografen und ihre willigen Protagonisten, die im .HBC zum Standard-Inventar gehören, allemal sehenswert.
.HBC Berlin
KARL-LIEBKNECHT-STRASSE 9
10178 BERLIN
Fotos: SUBMERSION Photography slide. Projection on canvas. Installation view at Kosmetiksalon Babette, Berlin Friedrichshain 2010. © http://www.danielamacerossiter.com/
Text: Alisa Ehlert