Anish Kapoor: Symphony for a Beloved Sun
Schwarze Förderbänder, die im Nichts enden. Eine grosse, tiefrote Scheibe schwebt wie eine riesige Sonne unter der Lichtkuppel. Der Boden ist mit Wachs bedeckt, ebenfalls blutrot. Plötzlich rumpelt es gewaltig und erst jetzt erschliesst sich, was hier passiert. Die Bänder fahren grosse Wachsklumpen langsam nach oben, dann stürzen sie mehrere Meter in die Tiefe. Ich muss an Ikarus denken, der abstürzte, weil seine Flügel aus Wachs der Sonne zu nahe kamen. Aber halt! Bevor ich hier Bedeutung assoziiere, erst mal etwas Grundsätzliches vom Meister selbst, der im Gespräch gerne und oft über sich selbst lacht…
Ich habe als Künstler nichts zu sagen. Mit meinen Skulpturen setze ich einen Prozess in Gang, Skulptur ist immer Prozess. Und dieser Prozess bringt dann so etwas wie Bedeutung zum Vorschein.
Anish Kapoor – Kunst und Politik
Berlin in den 20er Jahren, Charlie Chaplins „Moderne Zeiten“, die Massenmorde des 20. Jahrhunderts – man kann in diese monumentale Skulptur im Lichthof viele Bezüge hineinlesen. Auch die ganz besondere Geschichte des Martin-Gropius-Baus selbst, bis hin zu der legendären Zeitgeist-Ausstellung mit Joseph Beuys 1982, spielte eine Rolle. Sicher ist, dass der in London lebende Kapoor – trotz seiner Tiefstapelei – eine Menge nachdenkt über den Raum, den er mit seiner Kunst füllt. Und über die Aussagen, die er damit macht. Übrigens auch zu aktuellen politischen Themen. Mit einer Parodie des Gangnam Style Video setzte er sich für den chinesischen Künstler Ai Weiwei ein.
Anish Kapoor in Berlin – Zwischen Bildhauerei und Malerei
Anish Kapoor lässt das Material sprechen und spielt mit ihm. Der Künstler arbeitet mit Wachs, Beton, Kunststoffen, Holz, Metall, Spiegeln und immer wieder Farbpigmenten. Da werden bei „Shooting into the Corner“ Wachsklumpen aus einer Kanone in eine Ecke geschossen. Besucher werden in Zerrspiegel förmlich hineingezogen, das eigentliche Bild ist die Reflexion, im „Der Tod des Leviathan“ quillt, einem Gedärm gleich, ein riesiger Plastikschlauch durch die Räume. Man staunt und schwebt, man denkt und fühlt. Sind das spirituelle Welten? Auch da schmunzelt Kapoor und winkt erst mal ab
Also, es ist nicht so, dass man Montags ins Atelier geht und sagt, jetzt schaffe ich etwas Spirituelles. Das ist unvermeidlich ein Teil meiner Arbeit. Gerade, weil ich mich für den dunklen Raum in der Farbe interessiere, da, wo das Monster hervorlugt. Ich denke, das ist ein sehr fruchtbarer und lebendiger Ort.
Besonders die Farbe Rot zieht sich wie ein buchstäblich roter Faden durch sein Werk. In Indien, dem Geburtsland Kapoors, steht Rot für Reinheit, für das Leben und für Vitalität. Der Kurator der Ausstellung, Sir Norman Rosenthal, nennt Kapoor einen Ausnahme-Künstler, einen Perfektionisten mit vollständig eigener Sprache, am Ende gar ein Medium. Aber da muss Anish Kapoor schon wieder herzlich lachen.
Anish Kapoor im Martin-Gropius-Bau
Eröffnung: 18. Mai 2013
Laufzeit der Ausstellung bis zum 24. November 2013
Öffnungszeiten: MI bis MO 10:00–19:00 // DI geschlossen