Kunstmesse 

Art Basel 2011. Schockverliebt

Die VIP Vernissage der Art Basel 2011 hat gezeigt, dass dieses Jahr alles anders ist. Die Krise, die nie auf dem Kunstmarkt angekommen war, ist vorbei. Innerhalb der ersten Art Basel Stunden ging Kunst in Millionenhöhe an Sammler aus der ganzen Welt. Was waren die Kunst Highlights, die herben Enttäuschungen und die Neu-Entdeckungen auf der Art Basel 2011?

Art Basel 2011

Sudarshan Shetty. Art Basel 2011


Art Basel 2011

Robert Longo. Art Basel 2011

Art Basel 2011

Art Basel 2011

Nicolas Berggruen

Nicolas Berggruen

Art Basel 2011 Art Basel 2011 Kunsthalle

Art Basel 2011 Gagosian Gallery

Gagosian Gallery. Art Basel 2011

Art Basel 2011Art Basel 2011

Art Basel 2011

I need to buy something. Das waren die letzten Worte der hoch- und in rotlila toupierten Lady, die ich, neben ihr in einem der weichen VIP Lounge-Sessel lümmelnd, vernahm. Sprach sie und entschwebte mit der Rolltreppe in den Contemporary Floor der 42. Art Basel. Zuvor hatte sie die Reiseroute der nächsten Tage mit ihren heranströmenden Anhängern besprochen. Shanghai, Peking, ein Abstecher nach Brüssel, dann die Hochzeit in Mexiko. Und zwischendurch eben die Art Basel, Kunst mitnehmen.

Auf ihre Art stand die Dame für die Aura, die diese Art Basel umwehte. Unbedingter Wille zur Investition in die Kunst und damit die eigene Sammlung, gemischt mit einer Aufgeregtheit wie ich sie selten auf einer Kunstmesse fühlen konnte, waren die Leitmotive der 42. Art Basel. Über 300 Galerien aus 35 Ländern zeigten 3.500 Künstler.

Art Basel 2011: Tumult auf der VIP Vernissage

Als die Türen des lang gestreckten grauen Messegebäudes am Dienstagvormittag zur Art Basel FIRST CHOICE Preview aufgingen, stürzte sich die vereinte VIP Sammlerschaft auf die Rolltreppe und hinein in den Kunstkaufrausch, der sich an diesen Tagen manchmal wie eine Orgie anfühlen sollte. Bereits in der ersten Stunde gingen Werke in Millionenhöhe in Privat- und Museumssammlungen.

Leslie Waddington von der Londoner Galerie Waddington/Custot kommentierte:

We’ve had fantastic interest in things priced over a million dollars

und verkaufte prompt in den ersten Minuten zwei Arbeiten von Josef Albers für je $400,000.

Art Basel 2011 Robert Longo

Art Basel 2011: Art Unlimited im wahrsten Sinne des Wortes

Zu wenig Platz scheint übrigens bei den privaten Sammlern keine Rolle mehr zu spielen. Seitdem  es schick geworden ist, eigene Ausstellungsräume à la Thomas Olbricht oder Boros zu errichten, gingen selbst die überdimensionalen Arbeiten auf der ART UNLIMITED weg wie warme Semmel. So zum Beispiel der Fred Sandback bei David Zwirner, eine aus schwarzen Fäden gespannte, geometrische Raumstudie für rund 500 000 Dollar.

Art Basel 2011

Art Basel 2011

Extrem hohe Qualität, extrem hohe Preise, war das Fazit von Daniel von Schacky, Leiter der Abteilung für zeitgenössische Kunst in der Villa Grisebach. Teilweise sind die Werke auf der Art Basel mehr als ein Drittel höher als auf dem normalen Markt, hörte ich später beim Dinner mit den Galeristen der Cream Gallery.

Art Basel 2011

Aber. Das. Macht. Doch. Nichts. Die Kunstwelt war bereit zu investieren und wie ich finde zurecht. Acht Stunden verbrachte ich an diesem Dienstag allein im Erdgeschoss der Art Basel. Hier stellt die Crème de la Crème der Galerien aus, so sieht es zumindest die Jury der wichtigsten Kunstmesse auf diesem Planeten. Der Schwerpunkt liegt auf der MODERNE und was ich sah, verschlug mir nicht selten den Atem. Sorgfältig zusammengestellte Kunst, die teilweise in einem großartigen Dialog zwischen mehreren Künstlern einer Galerie präsentiert wurde. Bei artnet vermutet Gesine Borcherdt, dass der Ausschluss von Judy Lybke und seiner eigen+art, die Galerien dazu angespornt haben mag, die im Vergleich lasche Präsentation vom letzten Jahr zu toppen.

Art Basel 2011

Und dies blieb nicht ohne Wirkung. Wie Energieströme flossen die Sammler durch die Art Basel Gänge und steuerten gezielt die vorher sorgfältig auf der Messelandkarte markierten Galerieboxen an. Man wusste, was man wollte und man wollte es sofort. Nicht selten jedoch flogen die Augen zu Werken und Künstlern, die kein Kreuzchen auf der Karte erhalten hatten. So mancher Sammler mag durch diese Spontankäufe seine Sammlung um neue Positionen erweitert haben.

Art Basel 2011

Art Basel 2011: Verwirrtheit auf dem Contemporary Floor

Das Künstler- und Sammlerpaar Fré und Jacqueline Ilgen beobachtete, dass schon in der Versenkung verschwunden geglaubte Künstler bei mehreren Galerien wieder aufgetaucht waren, was darauf schließen lässt, dass diese in nicht allzu langer Zeit eine Museumsausstellung haben werden.

Im Erdgeschoss der Art Basel wird nichts dem Zufall überlassen.

Ganz im Gegenteil zum ersten Stock. CONTEMPORARY nennt sich dieser und da es nun mal die Art Basel ist, habe ich ein Feuerwerk aus beeindruckenden zeitgenössischen Werken erwartet. Nach einer Stunde dort oben, war ich jedoch verwirrt. Obwohl ich ganz bestimmt keine Kunstexpertin bin, plädiere ich dafür das gesamte Stockwerk in „marktgetriebenen Zufall“ umzubenennen. Ich habe dort so gut wie nichts gesehen, was sich nach einer Haltung, Aussage oder zumindest ästhetisch überzeugend angefühlt hätte. Von Magie ganz zu schweigen.

Jane, eine etablierte Kunsthändlerin aus Toronto, liefert mir später an der Pommestheke auf dem Flughafen ihre Erklärung für das Versagen der Contemporary Etage. Es läge an der VERWIRRTHEIT der Kunstkenner und der wahnsinnigen Dichte der zeitgenössischen Künstler, die es so schwer mache, die Spreu vom Weizen zu unterscheiden. Von den im ersten Stock der Art Basel präsentierten Künstlern würde sicher nur ein Fünftel in den nächsten fünf Jahren noch relevant sein, aber wer das ist, das weiss im Moment keiner. Das müsste sich erst formen und beweisen. Im Erdgeschoss sei das bereits geschehen. Wer hier präsentiert wird, der hat seinen Ewigkeitsstatus bereits am Revers heften.

Art Basel 2011

Die besten Satelliten der Art Basel

Das erschien mir einleuchtend, bis ich einen Tag später den Gegenbeweis traf. The Solo Project ist eine der kleineren Satellitenmessen, die sich um die Art Basel ranken. In einem überdachten Sportstadium außerhalb des Stadtzentrums wird sie präsentiert und ist naturgemäß nicht überlaufen. Zu Unrecht. Während es für die Scope und die Liste Kritik in Richtung „WEICHSPÜLKUNST“ hagelte, war sie für mich einer der Höhepunkte der Kunststationen in Basel.  Zumindest gilt das für ihre rechte Hälfte. Hier zog es mich in beinahe jeden Stand hinein.

Art Basel 2011

Gebannt war ich von dem koreanischen Shootingstar der A&B Gallery und seinen „Lines of Energies“.  Wie Mandalas wirken seine Gebilde, die sich zwischen Installation und Malerei bewegen. Der Künstler presst Lagen von Hanji, dünnes traditionelles koreanisches Papier, und kalligraphische Schriftzeichen aufeinander, schneidet aus ihnen Stifte heraus und klebt diese dann auf Leinwand. Seine Gebilde erzählen Geschichten von den essenziellen Dingen, die wir nur zu oft nicht ansehen können, sondern nur fühlen. Geburt, Tod, Gefühle, Energie. Er selbst nennt das MARKS OF LIFE CULTIVATED BY ENDURANCE: LOOKING AT THE WINDOW OF CIRCULATION. Jeong Hak Seo selbst war anwesend und signierte mir seinen Katalog.

Art Basel 2011

Großartig auch die Werke von Maik Wolf  bei der Berliner Galerie Michael Schultz. Großformatige Gemälde einer Architektur, die durch Morbidität und surrealistische Tiefe bestechen. Urbane Gebäude voller Egozentrik in einer trostlosen Kulisse, die mich sehr an das karge Bergland von Tibet erinnert haben. Trifft mitten in die Stirn.

Art Basel 2011

Art Basel: Entdeckungen

Und nun, zum Schluss, will ich Euch noch von meiner ersten großen Kunstliebe erzählen.  So muss es wohl sein, wenn man sich schockverliebt. Stockstarr stand ich still, als ich zurück auf der Art Basel einen Wald erblickte, dessen grau-weiss colorierten ihre dunklen Arme in den Himmel hebenden Bäume mich direkt ins Herz traf. Robert Longo hatte mich erwischt. Und liess mich nicht mehr los. Die Genialität mit der er seine Bilder zeichnet, die auf den ersten Blick wie eine beeindruckenden Schwarz-Weiss Fotografie wirken, hat mich tief berührt. Das Leuchten in seinen Bildern ist in mir hängen geblieben.

Art Basel 2011

Art Basel 2011

Als ich mit einer seiner Galeristin in die kleine Kammer verschwand, um noch mehr von ihm zu sehen, bröckelte meine erste naive Begeisterung aber ein wenig. Viele seiner Motive wie Kathedralen und Flugzeuge überzeugten mich nicht. Aber umunstritten bleibt, dass seine Werke eine unglaubliche Kraft haben. Was mir am nächsten Tag auf der ART UNLIMITED noch einmal bewusst wurde. Robert Longos Arbeiten gehen nicht ohne Grund in Millionenhöhe über die Galerietheke.

Ob die rotlila Lady das ebenso gesehen hat, weiss ich nicht. Aber irgendwie wünsche ich mir, dass Robert Longos leuchtender Wald einen Platz an einer stilleren Wand als die ihres Lofts in Shanghai bekommen hat.

Art Basel 2011

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