Andreas Mühe im Gespräch

INTERVIEW 

Andreas Mühe im Gespräch

Vollig zu Recht und eigentlich endlich gibt es eine Andreas Mühe Einzelausstellung in den Deichtorhallen. Der Berliner Künstler wurde nach alle Regeln der Kunst besprochen und in einer Kolumne in der ART auch absurd kritisiert. Warum? Weil Andreas Mühe sich mit Gegenwart und Vergangenheit der Deutschen Geschichte auseinander setzt, weil er Pathos und Distanz (so der Titel der Ausstellung) als Stilmittel einsetzt.
Andreas Toelke hat sich fur ARTBerlin mit Andreas Mühe unterhalten.

Andreas Mühe, photo credit: www.florianbuettner.com

Bei aller formalen, perfektionistischen Glätte, berühren die Arbeiten von Andreas Mühe. Berühren? Wahlweise nach subjektiver Wahrnehmung können auch Vokablen wie „erschreckend“ oder „schockierend“ verwendet werden.

In aller Offenheit: Leni Riefenstahl erschreckt auch. Jetzt. Ihre „Kunst“ war Propaganda und erst heute in ihrer Wirkung und ihrem Impetus wirklich lesbar. Andreas Mühe agiert aus seiner, unserer Zeit, aus seiner Sensibilität. Dabei ist einer der spannensten Aspekte, dass er Glätte als Verfremdung nutzt. Ist sie per se. Bei Riefenstahl sollte sie eine ideale Wirklichkeit (?) dokumentieren. Bei Andreas Mühe ist sie der Schutz vor Brutalität, vor der Unmittelbarkeit von Macht.

Das sind zum einen die oft besprochen Porträts stilisierter SS Männer in romatischer Kulisse, es geht aber bis in die direkte Gegenwart. „Angie“ im Auto von hinten an den ikonischen Orten, Helmut Kohl aus der ferne vor dem Brandenburger Tor. Symbole und Wirklichkeit in einem. Das Mühe mit den unterschiedlichen Sujets keinerlei Berührungsängste hat, sie aber gleichzeitig unberühbar macht, das irritiert den Betrachter. Und das ist Glätte perdue, das Bild, das Foto fängt ein, zwingt zum hischauen. „Die wahren Abenteuer sind im Kopf.“ hat André Heller mal gesungen und wer sich nicht auf das Abenteuer bei der Betrachtung der Arbeiten von Andreas Mühe einlässt – der könnte sich seiner Wahrnehmung von „Deutsch“ hingebeben.

Mühe macht ein Angebot. Eines, das erst Mal „schön“ ist.

Andreas Mühe, photo credit: www.florianbuettner.com

Apropos schön: im Rahmen einer Charity Auktion für den Flüchtlingshilfe Verein Be an Angel hat Andreas Mühe einen Arbeit gespendet. Das Motiv: eine Lichtung mitten im Wald. Eine Gruppe von Menschen aus der Ferne, die bepackt über die Lichtung wandert. Die Arbeit entstand 2015, als die Grenzen, als humaniätere Akt der Regierung offen, waren. Ob es echte Flüchtlinge sind oder die echte Kanzlerin (wie in einer anderen Serie) ist irrelevant. Es ist Kunst, die Pathos und Distanz „entfrostet“ – wenn es der Betachter zu lässt.

Entweder ganz weit weg oder ganz nah dran – was macht die Qualität der Extreme aus?

Ganz nah dran. Man muss es spüren.

Bist Du ein politischer Künstler?

Ja . Das Zeitgeschehen um mich herum beeinflusst natürlich meine Arbeit und spielt mit rein. Das ist in der heutigen Zeit ja fast unumgänglich.

Was hat die eigene Biografie mit einer gefallenen Mauer mit deiner Sicht durch den Sucher zu tun? Und hat sie das überhaupt?

Das politische Sensibilisieren der ersten Jahre durch eine Diktatur hat sicherlich geprägt und wird auch immer bestehen bleiben. Es gehört ja auch ein Stück dazu, zu mir als Person und als Künstler.

Ganz allgemein: Wie gehst Du mit Kritik um?

Ich freu mich immer, dass sich alle die Arbeit machen. Und sich bemühen mich sozusagen zu besprechen. Das sollte man grundsätzlich anerkennen.

Andreas Mühe, photo credit: www.florianbuettner.com

Das mediale Intresse an Deiner Auststellung in den Deichtorhallen ist überbordend. Aber was nicht gefragt wurde: Was bedeute diese Ausstellung für Dich?

Hamburg meine Liebe = FC Grundlach = Fotografie = die heiligen Hallen. Es spielt alles zusammen. Und es freut mich natürlich.

Letztes Jahr hast Du als Reaktion auf den Flüchtlingsstrom eine Serie aus Wald Motiven gemacht. Warum?

Meinst Du die Wald Serie I, II und II? Wie der Titel der Werkserie besagt, handelt es sich hier nicht um eine Flüchtlingsserie. Es handelt sich hier auch um eine Familie beim Sonntagsspaziergang, bei einem Ausflug.

Die spendest eine Arbeit aus der Serie der Be an Angel e.V. – einer Organisation die Flüchtlingen hilft. Ist es wirklich nötig freiwillige Initiatvien zu unterstützen? Eigentlich ist doch alles staatlich geregelt….

Es geht um ein gemeinsames Zusammenleben. Alle Projekte, die Integration und die Form der Assimilierung fördern, sind unbedingt zu unterstützen. Deutschland kann sich ein Nebenherlaufen ganz einfach nicht mehr leisten.

Was steht als nächstes an?

Deutschland 8 in China.

ANDREAS MÜHE − PATHOS ALS DISTANZ

19. MAI − 20. AUGUST 2017 IM HAUS DER PHOTOGRAPHIE www.deichtorhallen.de

ANDREAS MÜHE – PAVILLION | Ausstellung in Bad Gastein | sommer.frische.kunst 30. Juli .-31. August 2017
Öffnungszeiten: Mi-So | 11.00-14.30 Uhr
Kaiser-Wilhelm-Promenade, Bad Gastein

www.sommer.frische.kunst.de

BE AN ANGEL CHARITY AUCTION*

*(Die Charity Aktion für Be an Angel e.V. findet am 07. Juli in Berlin bei BOCCI auf der Kantstrasse 79 statt. 20 Arbeiten zeitgenössischer Künster von u.a. von Marc Qiunn, Ralf Ziervogel, Mia Florentine Weiss, Philip Fürhofer. Telefongebote sind möglich. Katalog, Infos & Einladungen: http://beanangel.direct)

Photo credit: www.florianbuettner.com

Autor: Andreas Toelke