Foto: Andreas Feininger: 42nd Street View, 1942, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, ©Andreas Feininger Archive c/o Zeppelin Museum Friedrichshafen
Andreas Feininger: Selbstgebaute Apparate
Aus dem Nebel ragen Wolkenkratzer empor, Wolkenkratzer, ein Wort, das allein schon Sehnsucht, Unendlichkeit und Übermut assoziiert, und der Nebel ist Rauch, Dampf, er wabert aus den Schloten der Fabriken, verbindet sich mit dem Smog, zerstäubt sich im Gegenlicht der Sonne, der Nebel transportiert das Großstadtlicht, das Licht ist Traum ist Metropole ist Vision von einem Morgen, immer noch.
Andreas Feininger heißt der Fotograf, der uns diese Bildikone von Stadt schenkte, es gibt wohl kaum eine Aufnahme von New York, die öfter gezeigt, auf Plakate gedruckt, als Postkarte verschickt wurde. Abzüge befinden sich in den wichtigsten Sammlungen der Welt, gerade wird ein Vintage-Print im Rahmen der Ausstellung „New York Photography 1890–1950“ im Bucerius Kunst Forum in Hamburg präsentiert. Andreas Feininger hat sie „42nd Street“ genannt, doch von der Straße selbst ist nicht viel zu sehen. Es geht eher um eine Verortung der flächig wirkenden und wie Bauklötze nebeneinander gestellten Hochhäuser, den Grauabstufungen von zartgrau bis grauschwarz, die durch den Titel eine Adresse bekommen, und durch die Nähe zum Betrachter beinahe so etwas wie Vertrautheit. Denn obwohl Andreas Feininger in New Jersey stand, als er die Skyline fotografierte, in Weehawken, um es genau zu sagen, sind die Türme zum Greifen nah, ist das Wasser nur ein schmaler Streifen, die Hafenanlagen gestochen scharf. Die Eklärung: Andreas Feininger hatte sich seine Kamera selbst gebaut, mit riesigem Teleobjektiv, und eine sehr lange Brennweite verwendet. Er war ein Bastler, ein Experte auch im Labor. Später produzierte die Firma Liesegang sogar einige seiner selbst entworfenen Apparate.
Andreas Feininger: Vom Bauhaus nach New York
Geboren wurde Andreas Bernhard Lyonel Feininger 1906 in Paris, als Sohn des Malers Lyonel Feininger, der auch am Bauhaus lehrte. Dort absolvierte Andreas Feininger eine Lehrer als Kunst-Tischler, studierte dann Architektur in Zerbst und arbeitete erst in Hamburg, dann in Paris bei Le Corbusier. Doch weil er mit seinem amerikanischen Pass weder in Deutschland noch in Frankreich eine Arbeitsgenehmigung bekam, emigrierte er mit seiner schwedischen Freundin Wysse Hägg erst nach Stockholm und später nach New York. Dort kam er bei der renommierten Zeitschrift LIFE als festangestellter Bildjournalist unter und blieb bei ihr von 1943 bis 1962.
Immer wieder hielt er New York in seinen Bildern fest, die Brooklyn Bridge bei Nacht, glänzende Dampflocks im Bahnhof, eine wuselige 5th Avenue zur Lunchtime, auch das Capitol in Washington oder eine Texaco-Tankstelle im Nirgendwo, nur selten machte er Porträts, eines kennt man dennoch, es zeigt den jungen Fotojournalisten Dennis Stock, der seine Kamera vors Gesicht hält. Was man noch kennt, sind seine Naturaufnahme in Makro-Optik, seltsame Gebilde, erleuchtete Adern vor Schwarz, dekorative Tabelaus. Was der Autodidakt Feininger alles über Fotografie wusste, hat er aufgeschrieben und ist in den Bildungskanon der Fotoschulen eingegangen (z.B. „That’s Photography“, Hatje Cantz, oder „Die hohe Schule der Fotografie“, Heyne). Doch mehr als seine Ratschläge über die richtige Bildbeurteilung (Klarheit, Einfachheit von Form, „interessant und kühn“, etc.) waren seine Bilder selbst: „Fotografie ist eine Bildsprache, die einzige Sprache, die überall in der Welt verstanden werden kann,“ sagte er. 1999 starb Andreas Feininger in New York.
Foto: Andreas Feininger: Self-Portrait, 1946, Whitney Museum of American Art
Nadine Barth stellt jede Woche eine Arbeit von ausgewählten Fotografie-Ikonen vor. In der Serie bereits erschienen sind u.a. Künstler wie Arnold Newman, Dorothea Lange, Stephen Shore, Hiroshi Sugimoto, F.C. Gundlach und Philip-Lorca di Corcia.