Editionen und Multiples – Kunst ohne Original
Editionen erleben gerade eine triumphale Wiedergeburt und es ist kein Zufall, dass dies gleichzeitig mit der Demokratisierung des Kunstmarkts durch neue digitale Sales Plattformen sowie einem global gestiegenen Kunstinteresse einhergeht. Am einen Ende des Editionmarkts steht dabei LUMAS. Am anderen Ende jene Galerien, die mit Editionen handeln und dabei den Normen des Kunstmarkts folgen, die da heißen: enge Zusammenarbeit mit dem Künstler, persönliche Beziehung mit dem Sammler und exklusiv für die Edition angefertigte Arbeiten.
Mainstream schmiegt sich so nah wie nirgendwo anders auf dem Kunstmarkt an Avantgarde. Was bedeutet dies für das soziale Standing eine Galerie, die Editionen verkauft? Wird man von anderen Galeristen dafür belächelt, weil man „nur“ eine Edition und kein Original vertreibt? Wie stehen die Künstler zu einer Edition und wer sind die Sammler, die sie kaufen? Sind Editionen nur der Einstieg in das Kunst Sammeln oder eine eigene Gattung?
Alfons Klosterfelde, der als junger Galerist in alter Familientradition die Helga Maria Klosterfelde Galerie in der Potsdamer Strasse weiter führt, ist der richtige Mann für Antworten hierauf.
Helga Maria Klosterfelde: Eine Editionsgalerie im Familienbesitz
Hineingeboren wurde Alfons Klosterfelde in eine Familie, die für und von der Kunst lebt. Seine Mutter Helga Maria Klosterfelde verkauft seit 22 Jahren Editionen und Multiples von bekannten Künstlern in der Helga Maria Klosterfelde Edition in Hamburg. Alfons älterer Bruder, Martin Klosterfelde, führt die erfolgreiche Galerie KLOSTERFELDE, die in unmittelbarer Nähe der Editionsgalerie liegt, seit immerhin 15 Jahren. Und Alfons? Der studierte erst einmal Jura, um sich nach seinem Abschluss dann doch der Kunst zu zuwenden und die Berlin Version der Helga Maria Klosterfelde Galerie zu übernehmen.
Die Begeisterung für die Kunst ist eigentlich von Helga Maria auf mich übergesprungen.
bekundet er den Wechsel vom Recht zur Kunst als er uns mit einer Flasche Heilwasser vor dem alten Holzinventar des ehemaligen Schreibwarenladens aus dem 19. Jahrhunderts empfängt. Kleine Schubladen, dunkelhölzerne Fächer voll mit Kunstpublikationen und eine Ladentheke, vor der, noch eingepackt, die Charity Arbeit von Rirkrit Tiravanija für die Flutopfer in Thailand lehnt. Gegenüber bricht sich das Licht im Glas einer Edition. Jorinde Voigt bedeckt mit ihren algorhythmischen Notations-Zeichnungen „Gardens of Pleasure“ die Galeriewand. Wir sind, und wir wagen das zu behaupten, in der schönsten Galerie Berlins oder zumindest der im neuen Galerienviertel um die Potsdamer Strasse angekommen.
Alfons, in lässiger Wollhose, T-Shirt und blauen Jacket, lehnt entspannt und gleichzeitig hochkonzentriert vor dem alten Holz und beantwortet unsere Fragen mit einer Mischung aus Diplomatie und sympathischer Ungestümtheit, die er meistens im Anschluss zu mildern versucht. „Es ist so und auch so“ wird zum Leitsatz in dieser Stunde werden.
Alfons Klosterfelde über Künstlerauswahl, Sammler und sein Selbstverständnis als Galerist
Alfons, wie bist Du an die wunderschönen Räume der Galerie gekommen?
Mein Bruder Martin hat seine KLOSTERFELDE Galerie zwei Häuser von hier entfernt und wir sind täglich an den schönen Räumen hier vorbeigelaufen, in denen seit 100 Jahren ein toller alter Schreibwarenladen war. Als dieser leer stand, haben wir dies als phantastische Möglichkeit gesehen uns zu verändern.
Wie wählst Du die Künstler für die Galerie aus?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Aber immer hat es damit zu tun, dass wir die Leidenschaft mit dem Künstler für seine Kunst teilen und dass sich der Künstler auch für das Thema Edition begeistern kann. Wir gehen nicht nur nach großen Namen, das Projekt muss gefallen, es muss zusammen passen und in unser Programm passen: Viele verschiedene Künstler, viele verschiedene Medien.
Viele Künstler, die wir vertreten, kennt meine Mutter Helga Maria Klosterfelde seit Jahren. So ist das zum Beispiel mit Hanne Darboven, Rosemarie Trockel oder auch Mat Mullican. Die Zusammenarbeit mit ihnen entwickelt sich auf dieser Basis immer weiter. Aber ich durchstreife auch Ateliers, Ausstellungen, Kunsthochschulen und Kunstmessen auf der Suche nach jungen Künstlern.
Wie möchtest Du als Galerist wahrgenommen werden?
Es geht um das, was ich mache und nicht um mich. Es interessiert mich nicht besonders mich als Person darzustellen und so die Leute von der Galerie zu überzeugen. Ich wünsche mir, dass die Leute denken, da macht jemand tolle Arbeit mit spannenden Künstlern und deswegen in die Galerie kommen.
Aber Du bist doch da draussen, das Bild nicht.
Ja, es ist natürlich einfacher mit sich als Person zu kommunizieren, aber ich bin das nicht.
Wer sammelt Editionen? Gibt es ein bestimmtes Sammlerprofil?
Editionen funktionieren natürlich generell als Einstieg in das Kunstsammeln, aber wir verkaufen vor allem an Sammler, die sich auf Editionen spezialisiert haben. Diese Sammler begeistern sich für die Besonderheit von Editionen und Multiples.
Zum Beispiel?
Beim Sammeln von Editionen spielt das Material eine große Rolle und die Tatsache, dass der Künstler anders an eine Edition als an eine Einzelarbeit herangeht. Oft setzt er sich dabei auch inhaltlich mit dem Thema „Auflage“ auseinander. Jorinde Voigt, die hier gegenüber hängt, hat zum Beispiel aus ihrem aktuellen Werkkörper, also an dem Punkt, wo sie sich gerade mit ihrer Arbeit befindet, Elemente heraus genommen und daraus die Edition entwickelt.
Wie stehen eigentlich Künstler zu Editionen? Muss man sie dazu überreden`
Hmm, meistens kommt die Anfrage von unserer Seite. Aber da Helga Maria schon so lange Editionen macht und seit vielen Jahren mit Künstlern zusammen arbeitet, kommt es auch vor, dass ein Künstler auf uns zukommt. Nicht selten ist dabei der Verleger – also ich als Galerist – involviert in den künstlerischen Entstehungsprozess. Ich entwickle dann gemeinsam mit dem Künstler die Edition. Das eröffnet ganz andere Möglichkeiten.
Klosterfelde Editionen: Spezialrolle auf Kunstmessen
Geht Ihr mit der Editionsgalerie auch auf Messen?
Ja, wir gehen seit drei Jahren auf die Art Basel, wo Helga Maria bereits in den 90er Jahren vertreten war. Auf der Art Basel gibt es einen eigenen Editionssektor, in dem 15-20 reine Editionsgalerien ausstellen.
Kämpft man als Editionsgalerie mit Gegenwind von anderen Galerien?
Nein, eigentlich nicht. Der Editionshandel wird von den Kollegen anerkannt und sogar unterstützt.
Ihr wart auch auf der abc (art berlin contemporary) vertreten. Wie stehst Du zu dem neuen Format?
Die abc entwickelt sich ja gerade erst und wenn Veränderungen stattfinden, dann gibt es immer Stimmen, die sagen: „oh nee“, oder „naja vielleicht“, oder eben „super endlich verändert sich etwas.“. Wir haben uns ja den Stand mit Martin Klosterfelde geteilt und für mich war die abc eine gute Veranstaltung und ich sage hier bewusst nicht „Messe“. Natürlich birgt das neue Format – Ausstellung als Messe – Potential zur Verbesserung und zwar im Sinne einer deutlicheren Positionierung. Vor allem im Vorfeld, damit man genauer weiss, warum es sich dabei handelt. Meiner Meinung nach sollte sich die abc in beide Richtungen mehr entwickeln.
VIP art fair und digitale Kommunikation für die Galerie
Nutzt ihr Digitale Kommunikation für den Kunsthandel? Seid Ihr zum Beispiel bei der VIP artfair dabei?
Wir arbeiten natürlich mit der Website, Maillings und nutzen seit Neustem Facebook. An der VIP artfair werden wir nicht teilnehmen.
Warum nicht?
Es ist zum einen eine unternehmerische Entscheidung, eben nur die Art Basel zu machen. Aber zum anderen beobachte ich die digitale Entwicklung im Kunstmarkt und bin davon noch nicht überzeugt.
Ihr habt derzeit 65 Facebook Fans, das ist nicht viel. Wie nutzt Ihr Facebook für die Galerie?
Ich habe befürchtet, dass diese Frage kommt. Für mich ist das noch ein Versuchsmoment, das ist die erste Stufe.
Ich sehe das so: Wenn nur eine Person das gut findet, was ich hier poste und sich daraus etwas entwickelt, dann reicht das schon. Ich finde es übrigens toll, wenn über Facebook mehr Leute zum Opening kommen. Es ist doch super, wenn es so voll ist, dass man kaum mehr in die Galerie hinein passt. Am Ende geht es doch nicht immer nur darum etwas zu verkaufen. Wir haben ja auch einen Bildungs- oder einen Bereicherungsauftrag.
Würdet Ihr Kunst auch online verkaufen?
Nein, nicht direkt. Ich will als Galerist immer auch persönlichen Kontakt habe und der Vermittler sein
Vielen Dank!
Was genau sind eigentlich Editionen?
Entstanden ist die Edition aus den so genannten Multiples. „Das Multiple stellt Originale in Serien her. Das heisst: die Objekte sind nicht einem Original nachgebaut, sondern selbst original. Sie sind nicht nur vervielfältigt, sondern in sich selbst vielfältig.“ Nach diesem Kernsatz, den Daniel Spoerri und Karl Gerstner mit der Gründung der Edition MAT (Multiplication d’Art Transformable) im Jahr 1959 formuliert haben, gilt das Multiple als eigene Kunstgattung. Eine Linie, die von Marcel Duchamp ausgeht (Ready-made „Flaschentrockner“ 1914), mit der Edition MAT einen Namen („Multiples“) und eine Logistik erhielt, von Fluxus-Künstlern geprägt, von Pop Art-Künstlern popularisiert und von Joseph Beuys als Schiene für seine „Vehikel zur Verbreitung von Ideen“ ausgebaut und zur Bildung „sozialer Skulpturen“ eingesetzt wurde.
Fotos: Nicolas Schwaiger
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