Um Punkt 11 Uhr strömen vor der Art Basel Messehalle die Massen und der Regen. Es ist wie vor einem Pop-Konzert, nur der Zwirn ist feiner: Im Getümmel kaum von Schirmen geschützt, drängen elegante Frauen in cremefarbenen Kostümen aus Frankreich, plaudernde Kunsthändler in dunklen Maßanzügen aus Großbritannien, deutsche Sammlerinnen in Trenchcoat und durchnässten Ballerinen, ein amerikanischer Museumsdirektor mit rotem Schal, internationale Kuratoren und viele andere Protagonisten der Kunstwelt in die Halle der 43. Art Basel.
Ulrike Nesemeier und Galerist Nicolai Gerner-Mathisen bei Gerhardsen Gerner, Berlin/Oslo
Was auf dem Art Basel Dinner geschah
Nur wir sind zu spät, was fast unvermeintlich war. Rückblende zum Abend vor der Eröffnung: Das Art Basel Dinner der Berliner Galerie Klosterfelde und Klosterfelde Editonen am Vorabend im Restaurant Birseckerhof war international besetzt und dauerte lange. Im Eingang feierten drei Reihen geladene Gäste der Züricher Galerie Mai 36. Die andere Hälfte des Restaurants besetzten die Gäste von Martin Klosterfelde: Charles Asprey, Kunstsammler und Verleger der Kunstzeitschrift Picpus, unterhielt am Ende des Tisches freudig drei blondierte Ladies mittleren Alters. Mir gegenüber sitzt eine Künstlerin, die im Berliner Tiergarten ihr Atelier hat und gerne auch einmal auf der Art Basel ausgestellt werden würde – bis dahin betreibt sie Konkurrenzbeobachtung. Meine Tischnachbarin erzählt mir von ihrem vorletzten Job im Team der Documenta-Künstlerin Julie Mehretu in New York. Die hochkomplexen Gemälde der äthiopischen Künstlerin sind architektonische und urbanistische Pläne, deren Pinselführung immer wieder an Kalligraphie erinnert.
Das Dessert lassen wir ausfallen, nach dem Kaffee stehen die meisten Gäste rasch auf, um vor der Kunsthalle letzte Drinks zu nehmen und erste Informationen für den Messe-Wettlauf zu sammeln.
Meine Verabredung mit einer Berliner Galeristin scheitert, weil sie in ihrer Hotelbar Tracy Enim kennen gelernt hat. Macht nichts, hinter der Kunsthalle wummern die Bässe durch die laue Baseler Nacht und alle drängen sich an der Bar oder auf der Tanzfläche.
Weit nach Mitternacht ziehen einige Feierwütige noch in eine ehemalige Rotlichtbar – ich lasse mich in die Plastikledersitze eines Taxis plumpsen, und der Fahrer redet auf mich ein über die gestiegenen Immobilien- und Mietpreise in Schwiizerdütsch, viel verstehe ich an diesem Abend nicht mehr, nicke aber brav. Eines wird klar: Die Immobilienpreise scheinen rasant gestiegen zu sein.
Basel ist nicht die Stadt der Experimente, ob Immobilien oder Kunst, es regiert der Kommerz.
Art Basel Eröffnung
Am Art Basel Messemorgen weckt mich die SMS mit britischer Vorwahl. Ein Bekannter einer Bekannten braucht Infos zum Hotel – Übernachtungsmöglichkeiten sind ein großes Thema in Basel. Auf dem Weg zum Treffen mit ihm, dem Kunsthändler, im Messeturm stellte ich – mit Hilfe von iPhone und Google – fest:
Ich bin mit dem Ex-Freund von Courtney Love und dem Patensohn von Camilla Parker Bowles verabredet. Und das in einer Person! Sachen gibt’s, die gibt es nur in Basel.
Ich lasse also die Massen einziehen, übergebe meine Mappe mit Unterlagen dem gutaussehenden britischen Adeligen, dem Courtney Love ganz sicher nachtrauert, und mache mich auf den Weg zur größten Kunstmesse der Welt. Mehr als 300 Galerien aus 36 Ländern und sechs Kontinenten stellen mehr als 2500 Künstler in Basel aus. Allein 73 Galerien sind aus den USA gekommen, 50 aus Deutschland, 31 aus der Schweiz, 30 aus Grossbritannien, 27 aus Frankreich und 15 aus Italien. Vom 14. Juni bis 17. Juni öffnet die Art Basel für alle Besucher, neu eingeführt wurde ein zweiter Preview -Tag. Die Tickets werden neuerdings beim Hinein- und Herausgehen gescannt, die 1970 gegründete Messe hat ihr Besucherkonzept überarbeitet, versucht VIP-Listen abzugleichen, um Mehrfacheinladungen zu vermeiden.
Alles wird exklusiver, auch die exklusivste Kunstmesse der Welt.
Zwei Arbeiten von Shirana Shahbazi bei Galerie Bob van Orsouw
Art Basel: Kunst, Künstler und Preise auf der Kunstmesse
Ob das Anstehen und Warten für die First Choice Karte lohnt, wird sich zeigen. In der Haupthalle im Erdgeschoss werden die Werke der Klassischen Moderne immer spärlicher. Einige zeitgenössische Künstler wie zum Beispiel Matt Mullican, Julian Opie oder Hans-Peter Feldmann finden sich gleichzeitig unten bei den Klassikern und oben auf dem Contemporary Floor wieder.
Klassiker gibt es aber noch genug:
Basel im Erdgeschoss ist das abwechslungsreichste Museum der Welt.
Das teuerste Bild: Mark Rothko, „Untitled“, 1954, bei der Galerie Marlborough Fine Art, London, sollte 62 Millionen Euro kosten.
Und das mit den höchsten Werten. Marlborough Fine Art bietet das teuerste Werk der Messe an: Mark Rothkos „Untiteld“-Gemälde von 1954. Am dritten Tag der Messe wird es für 78 Millionen Dollar verkauft. Ein großformatiges abstraktes Gerhard Richter-Gemälde „A.B. Courbet“ von 1986 verkauft die Pace Gallery für 25 Millionen Dollar. Die Galerie Hauser & Wirth überlässt in den ersten Stunden der Messe Louise Bourgeois Bronze „Arched Figure“ von 1993 einem Sammler für 2 Millionen Dollar. „Dies war ein Rekordjahr für unsere Galerie.
Wir haben Werke von mehr als 20 Künstlern verkauft, sagt Iwan Wirth am Ende der Woche.
Judy Lybke beschreibt die Technik von Matthias Weischer
Judy Lybke ist mit EIGEN + ART wieder dabei
Judy Lybke mit EIGEN + ART (Leipzig/Berlin) ist – im letzten Jahr nach zehn Jahren kontinuierlicher Teilnahme wegen angeblichen Platzmangels nicht zur Art Basel zugelassen – wieder dabei, ebenso Mehdi Chouakri. Lybke verkauft gleich zwei Bilder von Neo Rauch für je 720 000 Euro. Aurel Scheibler schickt Alice Neels Porträt „Elsie Rubin“ von 1960 für 500 000 Dollar nach China. Der monothematische Stand von Neugerriemschneider aus Berlin ist gewagt und gelungen: Sharon Lockhart zeigt ein Video, in dem Noa Eshkol tanzt. Eine Israelin, die 2007 verstarb und der die Künstlerin hier zusammen mit Fotos und wunderbar komponierten, genähten Stoffbildern ein Denkmal setzt.
Parallelen zur Documenta 13 in Kassel gibt es auch: Julie Mehretus „Siren“ bei Marian Goodman oder Pierre Huyghes „Apparaissance“ bei Esther Schipper – ein helles Fellgschöpf, dessen Kopf im Boden zu versinken scheint, ganz anders als die stolze Frau mit Bienenstockkopf im Kasseler Auen-Park.
Auf was Nina Fischer-Keese in den unendlichen Hallen der ART UNLIMITED und den ART STATEMENTS getroffen ist, erfahrt ihr in Teil 2 unseres Art Basels Lagebericht in den nächsten Tagen. Bis dahin: Enjoy the summer!
Text & Fotos: Nina Fischer-Keese