Die Bötzow Brauerei liegt mitten in der Stadt auf der Prenzlauer Allee, nur wenige Meter vom Soho House entfernt, und doch hat man das Gefühl, ganz weit weg zu sein, fast schon in einer anderen Zeitzone. Die Brauerei eröffnete 1885 und überlebte den Ersten sowie den Zweiten Weltkrieg, bis es 1949 zur Stilllegung kam. In den folgenden Jahren wurden die Räume mit den hohen Decken und gelb-braunen Steinwänden auf verschiedenste Weisen genutzt, ab 2001 dank legendärer Veranstaltungen des Club Deep von der Partyszene entdeckt und gerne als abgerockte Ausstellungslocation oder Filmkulisse in Szene gesetzt.
Foto: Goetz Diergarten: O.T. (Bötzow) 3, 2011. courtesy the artist
Die Bötzow Brauerei wird neu bespielt
Bis heute herrscht in der alten Brauerei eine gewisse nostalgische, fast pittoreske Anmutung und man spürt etwas wie Liebe durch die geschichtsträchtigen Räume fließen. Auch Unternehmer Prof. Hans Georg Näder hat sein Herz an das Bötzow Gelände verloren und es 2010 zu seinem Eigentum gemacht. Seine Vorstellungen von einer nachhaltigen Nutzung werden immer konkreter – die Rede ist von Umbauarbeiten, Läden und Büros, Lofts und Freizeitangeboten. Der rote Faden des Gesamtkonzepts aber bleiben Kunst und Kultur, das verspricht Sebastian Peichl, Geschäftsführer der Agentur Wunderblock und für die Kommunikation der
Bötzow Brauerei verantwortlich. Um den Zustand vor der Veränderung zu dokumentieren, wurde ein Fotowettbewerb ausgerufen: 18 Studenten der bekannten Berliner OSTKREUZSCHULE FÜR FOTOGRAFIE bekamen ein halbes Jahr lang Zugang zum Gelände und inszenierten es aus ihrer individuellen Perspektive und bei völliger künstlerischer Freiheit.
Dass die Ostkreuz Studenten hier Plätze entdeckt haben, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte, ist unvorstellbar!
schwärmt Sebastian Peichl, der das Areal in- und auswendig kennt.
Foto: Josef Fischnaller für Michalsky in Bötzow Berlin
Interview mit Götz Diergarten
Nicht minder begeistert vom Projekt war Fotograf GÖTZ DIERGARTEN, weshalb er sich zusätzlich zu seiner Funktion als Juror im Wettbewerb entschied, selbst auf Spurensuche zu gehen. Von der Muse geküsst, verbrachte er weitaus mehr Stunden in dem verwinkelten Gebäude, als ursprünglich geplant. Natürlich standen seine Bilder nicht in Konkurrenz mit denen der Studenten und dennoch gibt er zu:
Am Anfang empfand ich einen enormen Druck.
Ich dachte: Ich kann hier keinen Diergarten liefern!
Götz, warum war dieses Projekt so eine Herausforderung für dich?
Normalerweise wähle ich meine Themen selbst. Jetzt wurde ich eingeladen, mich auf einem bestimmten und lokal begrenzten Gebiet auszutoben, hatte Freiheiten, aber konnte nichts ganz Eigenes daraus machen. Auf Bötzow herrscht etwas Malerisches, was in meinen Bildern eigentlich nicht im Vordergrund steht. Dennoch habe ich meinen Ansatz hierauf angewendet und bin noch ein ganzes Stück weiter gegangen, mit Landschaftsaufnahmen etwa – so etwas hat noch nie jemand von mir gesehen! Letztendlich bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
Ich habe zum ersten Mal seit 12 Jahren ‚im Auftrag Kunst’ fotografiert!
Was hältst du von den Arbeiten des Wettbewerbs mit der Ostkreuzschule für Fotografie?
Ich bin beeindruckt von der Qualität! So sehr, dass ich mich dafür eingesetzt habe, einen zweiten 3. Platz zu vergeben – es wäre schade gewesen, diese gelungene, vierte Arbeit nicht zu ehren. Wir waren so überzeugt von den Ergebnissen, dass im oberen Teil der Ausstellung ein Bild jedes einzelnen Teilnehmers zu sehen ist, obwohl eigentlich nur die Siegerwerke gezeigt werden sollten. Eines muss man ganz klar sagen: Die Studenten sind fotografisch und technisch mindestens so gut wie ich. Meine Angst, es würden Welten aufeinanderprallen, erwies sich als völlig unbegründet.
Foto: Götz Diergarten: O.T (Bötzow) 6, 2011. courtesy the artist
Was sind deine liebsten Arbeiten der Ausstellung?
Es ist interessant, wir alle haben einstimmig für den ersten Platz abgestimmt, die beeindruckende Arbeit von YAWIRA, einer erst 25-jährigen! Von meinen eigenen Bildern hat vor allem der Pferdestall eine spezielle Bedeutung für mich: Meine Frau ist Tierärztin und Reiterin und da ich so viel arbeite, sehen wir uns im Moment nicht sehr oft. Bei der Aufnahme denke ich ganz stark an sie.
Foto: YAWIRA: O.T., courtesy the artist
Ausstellung Auf Bötzow
21. Juni bis 28. Juli 2012, Do – So 12 – 18 Uhr
Atelierhaus, Prenzlauer Allee 242, 10405 Berlin
Ausgewählten Arbeiten von Götz Diergarten und den Studenten der Ostkreuzschule für Fotografie sind in gebundener Form zu erwerben. Preis pro Katalog 29 Euro, beide Kataloge zusammen 50 Euro über www.boetzowberlin.de.
Text: Laura Pomer
Fotos: Eva Kaczor