Der Schatz von Morton Bartlett
So muss es sein, wenn man einen Schatz findet. Nach dem Tod von Morton Bartlett 1992 entdeckte die Kunsthändlerin Marion Harris in Bartletts Haus in Boston mehrere Kisten, die seit 30 Jahren niemand mehr geöffnet hatte. Darin 15 lebensechte Kinder-Gipspuppen, Zeichnungen, Kleider, und über 200 Fotografien. Der Werbefotograf hatte – als reines Hobby – die beweglichen Figuren in mühsamer Handarbeit in den 40er und 50er Jahren selbst angefertigt und dann in verschiedenen Posen vor der Kamera inszeniert. Manche Fotos wirken so echt, dass es geradezu unheimlich ist.
Morton Bartlett gilt, obwohl die Bilder zu Lebzeiten nie ausgestellt wurden, als Vorreiter der inszenierten Portraits. Wohl kein Zufall also, dass ausgerechnet Cindy Sherman von ihm begeistert ist und seine Fotos sammelt. Es sind 12 Mädchen und 3 Jungen, eine eigene kleine Familie, die das Haus ihres Schöpfers bevölkerte. Bartlett war als Waisenkind aufgewachsen, und zeitlebens unverheiratet und kinderlos geblieben. So kann man glauben, dass die Figuren tatsächlich mehr für ihn waren, als blosses Handwerkszeug für seine Fotografie.
Manche der Posen wirken heute wegen ihrer sexuellen Anspielungen irritierend, aber man geht davon aus, dass die Fotos damals in aller Unschuld entstanden – vor allem aus Interesse für die technischen und künstlerischen Möglichkeiten der Fotografie. Tatsächlich hat Morton Bartlett meisterhaft mit seiner Kamera und dem Licht experimentiert.
Die Ausstellung im Hamburger Bahnhof zeigt auch einen kurzen Dokumentar-Film zur Entdeckungsgeschichte der Figuren und den wenigen Spuren des Lebens von Morton Bartlett. Die Autorin von „Lost Family“ ist Emily Harris, die Tochter von Marion Harris, ohne die die Meisterwerke von Morton Bartlett nie gefunden worden wären. „Secret Universe“ III ist noch bis zum 23. September 2012 zu sehen. Harris
Morton Bartlett Ausstellung im Hamburger Bahnhof
Secret Universe III.
Hamburger Bahnhof
11. Mai bis 23. September 2012
Text: Katrin Schirner