Wir stehen im weitläufigem Berliner Atelier von Martin Eder und erleben wie es ist, wenn man als Künstler Deadline Stress hat. Martin Eder steht zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Eröffnung seiner neuen Ausstellung bei EIGEN + ART. Mit ASYMMETRIE wird er die Kunstwelt überraschen, denn das Herzstück der Ausstellung sind nicht die gewohnten, großformatigen Ölbilder, sondern sechs bizarr durchlöcherte Aluminiumskulpturen, die auf Sockeln aus schwarzen Monolithen ins Nichts starren.
Die Köpfe sind wie ein Zustand, wie eine Idee, die im kalten Wasser erstarrt ist.
Martin Eder hat zum ersten Mal in seinem Leben das kausale Arbeiten aufgegeben. Er hat das Bild vom fertigen Bild in seinem Kopf gelöscht und die Kraft der Eingebung gebeten ihn zur Quintessenz seines Schaffens zu führen und von dort direkt weiter zum essenziellen Wesenkern des Menschen. Martin Eder sucht in vielen seinen Arbeiten nach der Essenz, dem Wesen des Menschen. Dieses Mal ist er dafür zu seinem eigenen hinab getaucht. Wie fühlt man sich, wenn man dem Inneren Raum gibt?
Man lacht die ganze Zeit, sagt Martin Eder.
Interview mit Martin Eder
MARTIN, WIE FÜHLT SICH DAS AN OHNE PLAN ZU ARBEITEN?
Es ist unheimlich lustig, man hat immer gute Laune dabei. Man kann sich auf sich selber sehr gut verlassen und braucht keine Kontrolle. Wenn man in der Kunst erfolgreich sein will, dann ist Kontrolle genau das Falsche. Hinter Kontrolle steht ja oft Angst.
HAST DU DAS VON ANFANG AN SO GEPLANT?
Ich habe aufgeben, nach einem Plan zu funktionieren. Früher habe ich immer Ausstellungspläne entworfen, die ich dann abarbeiten musste. Das kausale Arbeiten habe ich dieses Mal völlig aufgegeben, weil es mir keinen Spaß mehr macht.
Ich wollte nicht mehr mein eigener Angestellter in meinem eigenen komischen Film sein.
UND DAS GING EINFACH SO?
Nein, das war für mich ganz schwierig.
WIE HAST DU LOSGELASSEN? MEDITATION? JOGGEN?
Man muss Störfaktoren abstellen. Ganz banale wie das Telefon aber auch die im Gehirn. Wenn man seine Störfaktoren erkennt, dann findet man einen Teil seines Selbstbildes. Man sieht aber auch, wie bekloppt die Welt eigentlich ist und in was für Zwänge man sich begibt.
Das sind dann viele, viele Befreiungsschläge und dann, plötzlich, geht es alles wie von selber.
WAS WAREN DENN DEINE STÖRFAKTOREN?
Es wird so viel sinnlose Zeit im Leben mit Nichts verplempert. Zum Beispiel mit Zeitsaugern wie Facebook oder Leute, die dir um drei Uhr Morgens die Story vom Pferd erzählen. Wenn man das alles abschaltet, dann muss man nur noch die Tür aufmachen.
IST DEIN ATELIER DER RAUM ZUM ABSCHALTEN?
Unbedingt, ich bin immer nur hier. Aber im Unterschied zu früher freiwillig.
WAS GENAU MEINST DU MIT DER QUINTESSENZ, AUS DER DEINE SKULPTUREN FÜR DIE ASSYMETRIE SERIE ENTSTANDEN SIND?
Ich wollte den einen Tropfen aus all den Arbeiten auspressen, die ich vorher gemacht habe. Die Nackten, die Katzen, die Wunsch- und Ist-Zustände der Personen, die in meinen Arbeiten abgebildet sind. Wenn man diese immer weiter ausgekocht und reduziert, dann kommt man am Schluss zu Portraits. Die Aluminiumköpfe sind Portraits. Sie sind wie ein Gedanke, eine Idee, die man direkt in kaltes Wasser gießt.
Das geht so weit, dass man das Optische des Portraits weglässt.
SIND DIE KÖPFE EINE NACHSTUFE ZU DEN BILDERN?
Die Köpfe sind nicht 1:1 zu den Bildern zu zuordnen, aber sie sind die Bilder eingekocht als Marmelade. Diesen Zustand kann man sich so vorstellen, dass man kurz vorm Einschlafen alle Bilder noch mal träumt und dann bleibt so ein Gedanke. Das ist es, für mich zumindest.
UND JETZT HAST DU ZU VIELE ARBEITEN.
Zuviel klingt jetzt so negativ. Aber ich muss nicht alle ausstellen.
Im Prinzip könnte ich die Ausstellung einfach weglassen. Das was jetzt kommt, langweilt mich.
HAST DU GAR KEINE ANGST DAVOR, DASS DIE LEUTE AUF DEINE SKULPTUREN ABLEHNEND REAGIEREN?
Klar habe ich auch Angst vor der Ausstellung. Ich habe so viele Bilder gemalt und jetzt zeige ich nur zehn Köpfe und eine Holzfigur. Die werden alle denken: spinnt der jetzt wo sind denn die Bilder?
IST DAS NICHT WIEDER EIN BEWUSSTER BRUCH VON DIR MIT DEN ERWARTUNGEN DES MARKTES?
Nee. Ich wollte mal was Langweiliges machen. Nehmt zum Beispiel die Einladungskarte mit dem nackten Hintern. Alle werden sagen: Wow! krass, ein Hintern! Das wird die krasse Show, was da sonst noch alles kommen wird!
Nichts kommt. Es gibt diese Spirale in immer etwas noch Krasseres. Das ist langweilig. Ich möchte was Stilles machen, ein paar Köpfchen hinlegen. Sonst wird man wahnsinnig.
BEKOMMST DU DENN AUCH NEGATIVE REAKTIONEN AUF DEINE KUNST?
Klar, ich kriege 90% Hassbekundungen.
WAS GLAUBST DU, LEHNEN DIESE LEUTE AN DEINER KUNST AB?
Ich glaube sie lehnen meine Arbeiten ab, weil sie selber so berührt von ihnen sind und sie dabei erwischt werden, so wie beim Wichsen. Und dann schnell: Bettdecke darüber. Die Leute enttarnen sich selbst, das ärgert sie. Sie finden es intuitiv gut, aber sie dürfen es nicht gut finden.
MUSS MAN EIGENTLICH EIN LEBEN LANG KÜNSTLER SEIN?
Nein. Ich höre jeden Abend auf und fange jeden Morgen von vorne an.
Als die schwere Stahltür von Martin Eders Atelier hinter uns in ihr Schloss einrastet, sind wir berauscht. Schuld daran ist nicht allein der scharfe Lösungsmittelgeruch der Ölfarben, sondern die Intensität, das Entschiedene, das Leidenschaftliche und Ironische, vor allem aber die Wahrhaftigkeit, die Eder ausstrahlt. Danke für diese Begegnung mit Deinem Wesen Martin Eder.
Fotos: Tatjana Bilger
Video: Letters are my friends