Upon Paper: Kein Magazin – eine Erscheinung
Endlich: ein großmäuligeres Bekenntnis zum Medium „Zeitschrift“ gab es wohl noch nicht. Die Liebling, Gott hab sie selig, war ein Zwerg gegen das, was heute Abend Premiere feiert. Upon Paper sprengt den Rahmen. Den Rahmen des Transportierbaren. (Ute, ich hab’s nicht geschafft, das Teil auf dem Fahrrad nach Hause zu transportieren…). Den Rahmen des günstig Produzierbaren (Bogen-Offset, frequenzmoduliertes Raster, 170-Gramm-Papier haben ihren Preis und der Initator des Projekts, der Papierproduzent Hahnemühle, der seit mehr als vier Jahrhunderten Künstlerpapiere bester Provenienz herstellt, hat seinen Anspruch.) Den Rahmen des Lesbaren. (2100 Gramm, 49 mal 69 Zentimeter kann man nicht mehr einfach im Sitzen blättern, der Coffeetable reicht auch nicht mehr. Klar im Vorteil sind Besitzer des Buchständers von Philippe Starck, den der Taschen Verlag für seine Sumo-Reihe empfiehlt.)
Den Texten von Upon Paper fehlt noch Verve
Wenn das Lesen im Stehen die Kulturtechnik der Zukunft sein soll, müssen die Texte der nachlassenden körperlichen Spannkraft natürlich entgegenwirken. Upon Paper ist da offenbar noch auf der Suche. Die erste Ausgabe steht unter dem Motto Los Angeles. Das ist gut gewählt, das Mammutprogramm der Ausstellungsreihe „Pacific Standard Time“ gastiert gerade mit einer Überblicksschau über die kalifornische Kunst der 1950er bis 1980er Jahre im Martin-Gropius-Bau und überhaupt ist L.A., wie auch jene, die noch nie dort waren, die Stadt gern jovial abkürzen, seit einigen Jahren wieder der Ort, der die Aufmerksamkeit fokussiert. Auf die Avantgarde der Gegenwart setzt Upon Paper aber zu wenig. Besonders die Texte ergehen sich in gut abgesteckten Feldern: Skateboarder-Nostalgie, Kunst-Rückblick, West-Coast-Jazz, New Hollywood, Old Hollywood, Beach Boys und noch mehr Surf-Nostalgie, auch Wim Wenders war schon in Los Angeles, na klar, Jack Kerouac darf natürlich auch nicht fehlen, ebenso wenig der obligatorische Fashion-Essay.
Mut zum frequenzmodulierten Raster – Upon Paper
Spannend wird Upon Paper erst da, wo es die Möglichkeiten des Formats und der Druckqualität ausreizt. Vollflächige Fotografien, ein intensiv hockneyblauer David Hockney, Dokumentarisches von Tobias Zielony oder Mirko Martin, Architektur-Kunst-Crossover mit Veronika Kellndorfer und Johnston Mark Lee oder die hyperrealistische Malerei Peter Cains – eine Wiederentdeckung! Holger Homann, der Chefredakteur von Upon Paper, ist selber Fotograf. Da erscheint es fast ein wenig mutlos, wie selten er sein Medium in seinem neuen Medium die schiere Größe ausspielen lässt. Trotzdem macht es neugierig auf die nächsten Ausgaben, denn immerhin ist Upon Paper nicht schon so fertig wie andere Neulancierungen auf dem Sektor. Man merkt dem Projekt an, dass es noch im Prozess ist. Und auch zwischen den Machern, Homann, CD Helder Suffenplan, Onlinechef Paul Hetherington auf der Kreativseite und dem bestimmt streitbaren Geschäftsführer von Hahnemühle und Mitherausgeber, Michael Sikiera, auf der anderen Seite.
Thema der zweiten Ausgabe, die Anfang September erscheinen soll, ist „Color“. Da wird das Team von Upon Paper hoffentlich weniger enzyklopädisch vorgehen, als dem eigenen Anspruch couragiert Farbe verleihen. „This is not a magazine“, schreibt Homann im Vorwort. Wenn es kein Magazin sein soll, sondern etwas Neues, ein Produkt, das dem Material Papier neue Kraft verleihen soll, braucht es schon etwas mehr Verve. Für das Debut zählt aber auf jeden Fall der Wille, es überhaupt gemacht zu haben.
This is not a magazine.
Upon Paper – Magazin Launch und Eröffnung der ersten Ausstellung im Berliner Showroom
Samstag, 31. März 2012, 20 Uhr
Max-Beer-Straße 25
10119 Berlin
Upon Paper erscheint im Hatje Cantz Verlag