Deine Videoarbeit D. I. L. F., die aktuell im Kunsthaus Erfurt gezeigt wird, läuft auf einem Laptop auf einer Matratze. Besucher_innen sind eingeladen, sich hinzulegen und Kopfhörer aufzusetzen, um sie zu erfahren. So wird eine intime Situation hergestellt, in die man komplett eintaucht. Das beschreiben viele Besucher_innen als sehr besonders; manchen ist es auch unangenehm, weil sie sich in einer öffentlichen Ausstellung mitunter sehr erotische Bilder ansehen. Welche Rolle spielen die Betrachter_innen in deinen Arbeiten?
Ohne Zuschauer_innen sind meine Arbeiten unvollständig. Mich interessiert an Kunst das Moment des gemeinsamen Erlebens, ich versuche (im metaphorischen und auch realen Sinne) Räume zu erschaffen, die in ihrer Ambivalenz empowernd wirken können. Dann kann Kunst zu einem emanzipatorischen Akt werden, in dem andere Herangehensweisen und Gefühle real erfahrbar sind. Mein Background in Performance und Theater beeinflusst mich da sehr; ich glaube, ich kann gar nicht anders denken, als immer auch die Zuschauer_innen in Bewegung bringen zu wollen und sie zu Mitbeteiligten zu machen. Bei D. I. L. F. genieße ich es, wenn Zuschauer_innen wirklich auf der Matratze verweilen und – auch wenn das nun provokant klingen mag – mit der Arbeit zu einem weiteren Werk verschmelzen. Vielleicht spüren die Besucher_innen, wie radikal ich mich selbst in meine Projekte hineinbegebe, meinen Körper benutze und in Bewegung bringe, und in ihrem Eintauchen entsteht eine große Intimität.
Die Arbeit setzt sich mit Geschlechterkonstruktionen und Rollenbildern auseinander und entwickelt Bilder jenseits von Heteronormativität. Das sind Themen, an denen du schon viele Jahre arbeitest. Was hat sich dahingehend innerhalb der letzten Jahre in der Kunstszene getan?
Diese Themen waren immer präsent, sie wurden aber lange als eher abseitig eingestuft, in Offspaces verschoben und marginalisiert. Es gibt ein geringes Bewusstsein der Öffentlichkeit dafür, dass Geschlechterverhältnisse ALLE betreffen; also schon längst als Thema den Mainstream besetzen sollten, was für mich unbedingt ein positiv besetzter Begriff sein kann. Die derzeitige Aufmerksamkeit in der Gesellschaft sehe ich ambivalent, sie ist voller Trigger und unterkomplexen Beiträgen, ermöglicht aber gleichzeitig eine Chance, sich diesem Diskurs nicht mehr entziehen zu können, oder ihn als irrelevant oder kunstfeindlich einzustufen. Die strukturellen Ungleichheiten der Gesellschaft finden sich auch in der Kunstszene – ich hoffe, dass die Debatte uns intersektional und queerfeministisch in Aktion treten lässt. Wenn sich nachhaltig machtkritische Strukturen jenseits des langweiligen und überholten Patriarchats ausbilden könnten, würden meiner Meinung nach alle profitieren. The Future is nonbinary!
Im Spin-Off der Ausstellung, The Female Gaze – On Body, Love, and Sex II, im Haus am Lützowplatz/Studiogalerie zeigst du eine neue Arbeit, Mein Fell Mein Pferd Mein Hase – The Bunny Triptychon. Was erwartet die Besucher_innen dort?
In D. I. L. F. habe ich aus dem Female Gaze heraus eine imaginierte Männlichkeit inszeniert, in The Bunny Triptychon werfe ich diesen Blick wieder zurück auf das Subjekt und widme mich dem Reclaiming eines Archetypus weiblicher Identität: dem jungen Mädchen. Die beiden Arbeiten sind verwandt, vielleicht ist das Bunny auch das Lovechild des D. I. L. F.s. Es geht wieder um fiktionale Genderidentitäten, um behauptete Mythologien, und ein Spiel mit sinnlichen Empfindungen und Gewohnheiten.
KUNSTHAUS ERFURT
Ausstellung: 07.04. – 01.06. 2018
Ort: Kunsthaus Erfurt, Michaelisstraße 34, Erfurt
Öffnungszeiten: Dienstag -Freitag 12-18 Uhr u.n.V.
http://www.kunsthaus-erfurt.de/?p=2780
HAUS AM LÜTZOWPLATZ BERLIN
Eröffnung: Freitag, 4. Mai 2018, 19 Uhr
Ausstellung: 5. Mai–17. Juni 2018
Ort: Studiogalerie – Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, 11 – 18 Uhr
http://www.hal-berlin.de/ausstellung/kuratiert-von-isabelle-meiffert/
Author: Isabelle Meiffert for ARTBerlin
Header Photo: Antje Prust, Mein Fell Mein Pferd Mein Hase – The Bunny Triptychon, 2018, Videostill