Du bist selbst Fotografin, verwendest aber häufig found footage. Vielfach greifst du auf inszenierte Portraits vergangener Jahrzehnte zurück. Was reizt dich daran und wie kam es zu dieser Herangehensweise?
Mit found footage arbeite ich jetzt seit etwa zehn Jahren. Mittlerweile habe ich verschiedene Arbeiten erstellt, die auf fotografischen Portraits basieren. Ich habe viel in Antiquariaten gestöbert und dabei erstaunliche Portraits, besonders von Frauen, gefunden. Ich ging den Fragen nach, die sich mir beim Betrachten der Fotos stellten, und entwickelte daraus Arbeiten zu Themen wie Geschlechterrollen, Schönheitsidealen, der Darstellung der Frau in Fotografien oder dem Totenbild. Der zeitliche Abstand zur Entstehungszeit ist meiner Meinung nach eine gute Voraussetzung, um gesellschaftliche Themen mit Distanz betrachten und reflektieren zu können.
Meine Eingriffe ins Bildmaterial reichen von der Collagetechnik (Schöne Frauen), über die Nachcoloration (Women) bis hin zur plastischen Umsetzung (Photographers masks of death). Mich reizt es, einen Bruch zu visualisieren und damit diese zuvor genannten Themen zu entlarven und ihnen auf humorvolle Weise zu begegnen.
In der Serie Schöne Frauen, die zurzeit im Kunsthaus Erfurt zu sehen ist, kombinierst du Frauenportraits der 20er-50er Jahre mit aktuellen Beauty-Shots. Das offenbart auch ein zeitloses Streben nach gesellschaftlich geprägten Schönheitsidealen. Was fasziniert dich daran?
An den ursprünglichen Portrait-Fotografien konnte ich dieses Bestreben deutlich ablesen, jedoch erfüllten die abgebildeten Frauen dieses Ziel natürlich nur bedingt. Mithilfe der ‚Masken‘, die ich ihnen aufsetze, die perfekt geschminkten Gesichter der Models zeitgenössischer Modemagazine, scheinen sie dem Ideal ein wenig näher. Die Bildteile verschmelzen miteinander, obwohl sie unterschiedlichen Ursprungs sind und auch zeitlich Jahrzehnte auseinander liegen. Faszinierend daran ist, dass wir heute noch am gleichen Punkt sind wie zu allen Zeiten zuvor.
Frauen mussten (auch) in der Fotografie lange um Akzeptanz kämpfen – bis heute heißt es häufig, das weibliche Auge sehe anders. Gibt es einen dezidiert weiblichen Blick in der Fotografie?
Ich bin davon überzeugt, dass es einen weiblichen Blick gibt; auf jeden Fall in Hinsicht auf den weiblichen Körper, Liebe und Sexualität, wie es auch das Thema deiner Ausstellung ist. Die Arbeiten der Ausstellung finde ich sehr berührend, teilweise erotisch oder einfach intensiv. Ich weiß nicht, ob sie genauso von einem Mann hätten sein können!? Der weibliche Blick in der Fotografie … da denke ich zuerst an Cindy Sherman, dann an die Arbeiten von Annette Messager und Sophie Calle. Deren Arbeiten finde ich selbst herausragend und inspirierend.
Woran arbeitest du aktuell? Kannst du uns einen Ausblick auf dein nächstes Projekt geben?
Seit längerem beschäftige ich mich mit einer Serie mit dem Titel Women. Wieder arbeite ich mit gefundenen weiblichen Schwarz-Weiß-Portraits, die ich nach dem Ausdrucken koloriere. Die Frauen auf den Fotos sehen speziell aus. Sie entsprechen keinem weiblichen Rollenklischee, aber trotzdem sieht man, dass sie sich entsprechend der gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen zurecht gemacht haben. Teilweise wirken sie androgyn, das fand ich sehr spannend, und trotzdem betonen sie ihre Weiblichkeit. Dies unterstütze ich durch meine Nachkoloration, die einen gewissen Bruch aufweist und wieder eher wie eine Maske wirkt, die das Klischee betont und dadurch zu brechen versucht.
KUNSTHAUS ERFURT
Ausstellung: 07.04. – 01.06. 2018
Ort: Kunsthaus Erfurt, Michaelisstraße 34, Erfurt
Öffnungszeiten: Dienstag -Freitag 12-18 Uhr u.n.V.
http://www.kunsthaus-erfurt.de/?p=2780
HAUS AM LÜTZOWPLATZ BERLIN
Eröffnung: Freitag, 4. Mai 2018, 19 Uhr
Ausstellung: 5. Mai–17. Juni 2018
Ort: Studiogalerie – Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, Berlin
Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, 11 – 18 Uhr
http://www.hal-berlin.de/ausstellung/kuratiert-von-isabelle-meiffert/
Author: Isabelle Meiffert for ARTBerlin
Photo Credits: Antje Prust und Sabrina Jung