Seit 2010 ist David Baum als Editor-at-large in der Chefredaktion des Lifestylemagazins „GQ“ in München tätig, ab Juni wird der Österreicher für seine neue Aufgabe als Autor für den „Stern“ nach Hamburg ziehen. Aber auch in Berlin hat Baum einige Jahre verbracht, wo er für die Magazine „Qvest“, „Tempo“ und „Liebling“ schrieb. Bis heute ist es ihm nicht so ganz gelungen, die Stadt so ganz zu verlassen. Auch wenn sein journalistischer Schwerpunkt in großen Reportagen und Porträts liegt, hat David Baum viele Künstler interviewt – darunter Julian Schnabel, Hermann Nitsch, Jorinde Voigt oder Jeff Koons, der mit ihm einen anekdotenreichen Nachmittag in der Münchner Glyptothek verbrachte. Seine allererste journalistische Veröffentlichung drehte sich bereits um einen Künstler, als 17-Jähriger schrieb Baum ein Porträt über den Kärntner Künstler Werner Berg in der „Weltkunst“.
Was sind deine drei Highlights auf dem diesjährigen Gallery Weekend und warum?
Am meisten freue ich mich lustigerweise auf keine Ausstellung, sondern auf einen Film, der im Rahmen des Gallery Weekend Premiere feiert. Michael Schindhelm hat eine Dokumentation über Uli Sigg gedreht, der neben Dieter Meier zu jenen Schweizern gehört, die man auch als eifersüchtiger Österreicher bedingungslos bewundern muss. Was der schon alles gemacht hat im Leben: schweizerischer Meister im Rudern, erfolgreicher Unternehmer, Top-Journalist und weil er dort einen großen Teil seines Lebens verbracht hat, wurde er sogar Botschafter in seinem Sehnsuchtsland China. Er gilt als Wegbereiter des eigenartigen Bahnbrechens der Marktwirtschaft in der Volksrepublik und als einer der wichtigsten Sammler und Mäzene vor allem zeitgenössischer chinesischer Kunst, die er auf seinem Schloss Mauensee und im Hongkonger Museum of Visual Culture der Öffentlichkeit zugängig macht. Am Samstag feiert der Film, in dem auch prominente chinesische Künstler wie Neoberliner Ai Wei Wie, Zen Fanzhi oder Cao Fei eine große Rolle spielen, im Cinema Paris Premiere und man darf hoffen, dass Sigg persönlich anwesend sein wird.
Cinema Paris Kurfürstendamm 211, 10719 Berlin Screening and Premiere of the movie »The Chineses Lives of Uli Sigg«
www.ulisiggmovie.com
Die ikono- wie auch pornographischen Motive des „Tom Of Finland“ erfreuen sich gerade wieder großer Beliebtheit, was mitunter DJ Hell geschuldet ist, der für sein neues Album „Zukunftsmusik“ die Zeichnungen in kunstvollen Videoclips zum Leben erwecken ließ.
Dass die Bilder sich überhaupt als Kunstwerke durchgesetzt haben, hat einige Zeit gedauert, und ist auch dem deutschen Verleger Benedikt Taschen zu verdanken, der sie mit einem eigenen Bildband der szenefremden Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. Das skandinavische Künstlerduo Elmgreen & Dragset, das zurzeit viel in Berlin zu sehen sind, hat 2009 die Bilder auf der Biennale Venedig präsentiert und ihnen Eingang vom Darkroom in den Musentempel ermöglicht. Touko Laaksen, der Künstler hinter „Tom of Finland“ hat das alles leider nicht mehr erlebt, er ist 1991 verstorben. Der Salon Dahlmann und die Galerie Judin widmen ihm zwei Ausstellungen.
Salon Dahlmann | Miettinen Collection »Touko Laaksonen. The Man behind Tom of Finland. Loves and Lves«
Marburger Straße 3, 10789 Berlin Thu – Sun | noon – 6pm (During GWB) www.salon-dahlmann.de
Seit ewigen Zeiten fasziniert mich Cosima von Bonin. Diese ferne Kippenberger-Welt aus der sie und ihr Mann Michael Krebber einmal aufgebrochen sind, die Zusammenarbeit mit unseren Hamburger Musikidolen Dirk von Lowtzow und Moritz von Oswald, der schwarze Monolith, den sie mit Roger Bundschuh an das obere Ende der Linienstraße gesetzt hat und in dem mein Freund Friedrich Liechtenstein einziehen durfte, die Plüschtiere, die uns alle zu heimlichen Furrys werden ließ – all das übt eine wundersame Faszination aus. Die Galerie Neu präsentiert in ihrem Projektraum MD72 ihre „Early Works“.
Cosima von Bonin, Early Works, at Galerie Neu, Mehringdamm 72, 10961 Berlin http://www.galerieneu.net/
Abseits des Gallery Weekends besuche ich die Ausstellung der Wanddekorationsobjekte des als Universalgenie verrufenen Rafael Horzon in seinem Laden in der Torstraße. Allerdings verbittet sich der Meister, dass man seine neuerdings neongelb leuchtenden Werke auch nur in die Nähe von Kunst rückt, weshalb ich diese keinesfalls hier erwähnen darf.
Horzons Wanddekorationsobjekte, Torstrasse 94, 10119 Berlin
Dein Geheimtipp für zwischendurch, wenn Augen und Füße müde werden?
Als wir vor genau zehn Jahren an der Neuauflage von „Tempo“ in der Chausseestraße bastelten, bin ich – weil Stuckrad immer sehr laut telefonierte – in die Stille des Dorotheenstädtischen Friedhof geflohen. Seitdem ist das einer meiner Lieblingsorte von Mitte. Obwohl hier Berlins Geistesgrößen die Ewigkeit miteinander verbringen, stören einen wenige andere Besucher und man hat seine heilige Ruhe. Ich persönlich gehe am liebsten zu Heiner Müller, der statt eines Weihwasserkessels einen Aschenbecher auf der Grabplatte montiert hat. Manchmal liegt auch eine Zigarrenkippe darin, offenbar kommen andere und halten rauchend einseitig Zwiesprache. Direkt nebenan liegt Minetti, dem Thomas Bernhard ein eigenes Stück gewidmet hat. Gert Voss wusste die allerschönsten Minetti-Anekdoten zu erzählen. Peymann habe als Regisseur seine liebe Not mit Minetti gehabt, der sich nicht nur von der junge Kollegin in seinem Spiel desavouiert gefühlt habe, sondern auch von einem zum Bühnenbild gehörigen Kanarienvogel. Angeblich wurde das Tier sogar mit Schafmitteln betäubt, um nicht in Minettis Kunstpausen hinein zu tirilieren. Jedesmal wenn an diesem Grab stehe muss ich an diese Geschichte denken und muss lachen – natürlich viel zu laut.
Wem das alles zu morbide ist, empfehle ich ins Nobelhardt & Schmutzig zu gehen, und zwar unbedingt alleine. Es folgt ein meditativer kulinarischer Abend mit sehr besonderen Gerichten wie Lammzunge, Eisenkrauttörtchen oder in Rohmilchsahne gebadeten Chicorees – und mit etwas Glück legt Billy Wagner wie bei meinem letzten Besuch die gesamte „Sign o’ the Times“ von Prince auf.
Welcher Künstler sticht für Dich besonders heraus in diesem Jahr?
Anselm Reyle, der an diesem Wochenende einer der Headliner in der Galerie Johann König ist. Man kennt ja seine Geschichte, die sich anhört, als hätte sie sich Rainald Götz ausgedacht. Die Spitzenzeiten seiner Karriere müssen atemberaubend gewesen sein, allein die Produktion mancher Skulpturen ging in die Millionen, er beschäftigte Heerscharen an Assistenten und fand Gefallen daran, dass ihm dieser Riesenpparat auch anfing zu engleiten. Er hat diese Kunstfabrik immer als eine Art Experiment gesehen, das natürlich auch ein mögliches Scheitern implizierte. Wie in einem antiken Drama geht es zu Ende, die Finanzkrise kommt, die Kunstmarktspekulanten treten auf, schließlich: große Selbsterkenntnis, und der Rückzug des Hauptcharakters 2014 von der großen Bühne des Kunstbetriebs.
Nun also ein neues Kapitel, Reyle kehrt er mit einer beinahe poetischen Installation zurück. Drei gigantische Mobiles sollen motorbetrieben in der Kirche St. Agnes, in der sich die Galerie König bekanntermaßen befindet, von der Decke schweben. Ich durfte schon einen Blick in die Skizzen wagen. Eine Raute, ein Kreis und ein Quadrat werden es sein und wenn der Plan aufgeht, Leichtigkeit und Massivität gleichermaßen präsent sein lassen. Dazu zeigt König auch neue Arbeiten aus dem malerischen Werk Reyles, natürlich spielen wieder Materialien dabei eine Rolle, Chromfolie, Blattsilber.
Anselm Reyle König Galerie | St. Agnes Alexandrinenstr.. 118-121 10969 BERLIN www.koeniggalerie.com
Wohin gehst du abends zum Dinner oder Feiern?
Wie alle ehemaligen Berlinbewohner laufe ich an die einstigen Stammtische zurück, die in meinem Fall phantasieloserweise das Borchardt, die Paris Bar und das Grill Royal sind. Zudem steht die schönste Bar Berlins „Saint Jean“ in der Steinstraße auf dem Plan. Meine Lieblingsberlinerin Patricia Horzon trug mir zudem auf, das Restaurant „Wild Things“ in Neukölln dringend aufzusuchen und die dortige angeblich sehr geheime Mescal-Bar zu erkunden, was ich natürlich befolgen werde.
Wild Things, Weserstraße 172, 12045 Berlin, Telefon: 030 62731567