Vitales Echo: Bernd Koberling und seine Schüler

 

Vitales Echo: Bernd Koberling und seine Schüler

Doppelinterview mit dem bekannten Maler Professor Bernd Koberling und seinem Schüler Peter Stauss – zur Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien „Vitales Echo“ ab 17.11.2016

Im Atelier von Bernd Koberling

Bernd Koberlings Ruf nach Malerei, frei, beweglich, impulsiv und zugleich höchst präzise findet sein Echo in den Werken seiner Schüler. Seine Bilder lassen die weitschweifende Hand des Künstlers erahnen und erinnern an botanische Formen – mal filigran, mal kraftvoll und dynamisch. Die Natur wie sie sich im künstlerischen Ausdruck seiner Bilder spiegelt, ist gleichzeitig Ausdruck einer sehr persönlichen mentalen Landschaft, „wir als ein Teil der Natur“.

Nun widmet das Künstlerhaus Bethanien dem ehemaligen Professor der Berliner Universität der Künste und einigen seiner Schüler eine Ausstellung. Wir treffen ihn zusammen mit dem Maler Peter Stauss in seinem Atelier in der Köpenicker Straße in Berlin.

Bernd Koberling in seinem Atelier, Foto: Katrin Leisch

Bernd Koberling in seinem Atelier, Foto: Kathrin Leisch

Vorab versichert er uns, dass er eigentlich nicht viel von Interviews halte, entpuppt sich aber im Folgenden dennoch als sehr mitteilsamer Gesprächspartner der detailreich und energetisch Erinnerungen wach werden lässt und eindringlich über die Malerei zu philosophieren weiß.

Seit seiner Studienzeit besucht ihn Peter Stauss in seinem Atelier. Seitdem hat er alle wichtigen Phasen in Koberling’s Schaffen miterlebt: beginnend mit den schwarzen Ölbildern der „Blaubeeren“, den in Island entstandenen Aquarellserien, den sich daraus entwickelnden liquiden Acrylbildern auf Aluminiumuntergründen, bis hin zu einer neuen Serie von Ölbildern auf Leinwand, „Großer Strom“.

Es ist eben eine “never-ending story, die Malerei. Wie einatmen und wieder ausatmen,

erklärt Koberling, ist die künstlerische Produktion immer im Zyklus von Krise und Erneuerung begriffen:

Krisis heißt auf alt griechisch Entscheidung, wo das Alte nicht mehr ganz zutrifft und das Neue noch nicht richtig angefangen hat. Nur aus diesem Konflikt entstehen neue Formen und intensive Bilder,- eigentlich bin ich ein Krisenliebhaber!

Bilder der letzten Jahre im Atelier, Foto: Katrin Leisch

Bilder der letzten Jahre im Atelier, Foto: Katrin Leisch

Davon scheint auch der Werdegang des Künstlers bestimmt zu sein: Als Koberling, Jahrgang 1938, ein Jahr alt ist, zetteln die Nationalsozialisten den Zweiten Weltkrieg an, als Kind erlebt er die Bombenangriffe auf Berlin und die harten Jahre danach. Als “furchtbarer Gymnasiast” verlässt er ohne Abitur die Schule und beginnt daraufhin eine Kochlehre.

Schon damals malt er intuitiv was ihn fasziniert, Formen, Farben und Strukturen der ihn umgebenden, lebendigen Welt. Er lernt den jungen progressiven Maler Manfred Laber kennen, der ihn mit der bildnerischen Grammatik  vertraut macht und ihm so wichtige Maler wie Ernst Wilhelm Nay und Emilio Vedova nahe bringt.

Seine Hochschulzeit beschreibt Koberling als enttäuschend, possitiv findet er aber bis heute in dieser Sammelstelle mit anderen jungen Künstlern wie Schönebeck, Baselitz, Hödicke und anderen in regem Gedankenaustausch gestanden zu haben.

Bis heute scheint mir die Hochschule ihre wichtige Bedeutung darin zu haben, dass sie eine Gesellschaft in der Gesellschaft bildet.

Das damalige Professorentum konnte dem jungen Feuerkopf Koberling wenig weiter helfen, aber die historische Ausstellung Pollock und der abstrakte Expressionismus, 1968 in der damaligen Hochschule für bildende Künste war für ihn als jungen Maler eine Offenbarung.

„Leicht über dem Wasserspiegel“, Bernd Koberling , 2012, Quelle: Sprengel Museum

„Leicht über dem Wasserspiegel“, Bernd Koberling , 2012, Quelle: Sprengel Museum


Wenn ich heute an die abstrakten Expressionisten denke, scheinen mir besonders Gorky und De Kooning im Besitz von Malerei zu sein. Damals in den späten 60iger und 70er Jahren konzentrierte sich die deutsche Kunstlandschaft jedoch stark im Rheinland, auf die Zentren Köln und Düsseldorf, auf die Ideen- Kunst, die konzeptuelle Skulptur und die überragende Künstlerpersönlichkeit von Beuys.

Wenn auch als „Malschwein“ oder „naiver Paysageist  vom Dienst“ gemieden, wurde Koberling dennoch als Gastprofessor an die Kunstakademie Düsseldorf und die Hochschule für bildende Künste in Hamburg  berufen, weil die emotionale und erlebte Malerei wohl doch nicht zu übersehen war und begann auf Verständnis zu stoßen. „Der Fehler fängt schon an“, so Beuys, „wenn einer sich anschickt Keilrahmen und Leinwand zu kaufen“.

Als Peter Stauss dann im Aufnahmegespräch zu Koberlings Fachklasse  ausgerechnet Joseph Beuys als seinen liebsten Künstler angibt, glaubt er es sei um ihn geschehen. Keiner könnte dem bedingungslosen Maler Koberling ferner liegen. Wie falsch er damit liegt, offenbart ihm seine Aufnahme in die Klasse und er erkennt in den darauffolgenden Jahren, was Koberling’s abstrakte Naturbilder und die Beuyssche Sensibilität fundamental verbinden.

Das Atelier von Bernd Koberling, Foto: Katrin Leisch

Das Atelier von Bernd Koberling, Foto: Katrin Leisch


Es ist die Beweglichkeit der Materialien, die in der Arbeit von Beuys so wichtig ist, als Bedingung für Transformation. Die Thematisierung von Aggregatzuständen und anderen chemischen Vorgängen. Später habe ich dann gesehen, dass es dieses Moment auch in der Malerei von Koberling gibt, dass er wie kaum ein Maler zuvor im Liquiden und Chemischen denkt.

Denn während Künstler, wie Koberlings Freund Dieter Roth, das Chemische der Verwesung, der Korrosion und Ausblühung mit wirklichen Materialien zum Ausdruck bringen, nutzt Koberling Pinsel und Farbe, um diese Liquidität auf den zweidimensionalen Bildraum zu übersetzen.Somit war die Farbe als bloße Farbmasse in Koberling’s Unterricht auch immer tabu, genauso wie die Farbe in ihrer illustrativen Funktion. 

Vielfältig, beweglich, soll die Malerei sein. Das großartigste an ihr ist die Chance zum Impuls, die Imagination, komplexe Empfindungen sinnlich sichtbar zu machen.

Sich an seine Studientage erinnernd, lenkt Stauss ein:

Der emotionale Impuls braucht aber auch eine sehr entwickelte Struktur. Sicher, je mehr Freiheit man sich herausnimmt, desto mehr Disziplin braucht man.

Offenheit, dabei enorme Präzision und Reflektion – das sind die Begriffpaare die Peter Stauss von Koberling gelernt hat.

Selbstironisch beschreibt sich Koberling als unerbittlichen Lehrer, gleichsam einem preußischen Ästhetikkommissar, besonders wenn es um die Fläche und den Farbraum geht. Gnadenlos jätet er jegliche Spur von Nachahmerei und Oberflächlichkeit aus:

Malerei ist keine intellektuelle sondern eine intuitive Angelegenheit und fordert vielmehr bildnerische Intelligenz. Und dafür war ich gerne Sprungbrett, um das Springen zu üben, hab ich mich als Trampolin zur Verfügung gestellt. Aber: Wer seine Individualität nicht wahrnimmt ist ein Verräter!

“Die Bilder suchen sich ihren Maler aus - bestimmte Ideen der Zeit die in der Luft liegen, sie sind als Aufgabe da. Man muss malen, was man malen muss, wo man eine Aufgabe sieht.“ - Bernd Koberling, Foto: Katrin Leisch

“Die Bilder suchen sich ihren Maler aus – bestimmte Ideen der Zeit die in der Luft liegen, sie sind als Aufgabe da. Man muss malen, was man malen muss, wo man eine Aufgabe sieht.“ – Bernd Koberling, Foto: Katrin Leisch

Die Rettung vor der superfiziellen Abstraktion sind dabei der Gegenstand und seine Inhalte, die außerhalb der Malerei liegen und ihr Motor sind. Ähnlich wie bei den Romantikern des 18. Jahrhunderts, suchten auch die Neo-expressionisten, zu denen Koberling allgemein gezählt wird, den künstlerischen Ausdruck der Naturempfindung nicht im Naturalismus. Ihr Realismus richtete sich auf die Wirklichkeit, die keine physikalischen Vorbilder hat. Koberling, dessen Bilder auf der Grenze zur Abstraktion schweben, übersetzt die Erfahrung nordischer Landschaften in eine visuelle Sprache. Bei Koberling, der jedes Jahr nach Island reist, ist es die Natur und „die Natur der Malerei“, die ihn dazu treibt, zu malen.

Dabei malt sich noch kein Bild aus reiner Naturempfindung, da sind sich beide Künstler einig. Es ist eine Art innerer Drang, eine Berufung, die Koberling umgeben von unzähligen glattgeschliffenen Steinen, endlosem Pflanzengeflechten und seinen Blüten im großen Gletscherflussbett, verspürt.

Die Bilder suchen sich ihren Maler aus – bestimmte Ideen der Zeit die in der Luft liegen, sie sind als Aufgabe da. Man muss malen, was man malen muss, wo man eine Aufgabe sieht.

Einmal hätte er sich bei einem Freund ausgelassen, wie viele Aquarelle er doch hätte malen können, wäre er nicht jahrelang brusthoch im Wasser beim Fliegenfischen gewesen. Da erwiderte dieser:

Wenn du nicht im Wasser gestanden hättest, dann hättest du anschließend diese Aquarelle gar nicht gemalt!

Heute bekennt sich der Maler mit Berliner Witz zur Natur:

Und wenn man mir dann unterstellt, ich sei nicht modern und nicht in der Großstadt angekommen, dann bin ich eben an dieser Stelle mehr eine Art von Neandertaler. Die größte Klarheit und die tiefsten Glücksgefühle habe ich, wenn ich mich in der Natur aufhalte.

Die größte Klarheit und die tiefsten Glücksgefühle habe ich, wenn ich mich in der Natur aufhalte.” - Bernd Koberling, Foto: Katrin Leisch

Die größte Klarheit und die tiefsten Glücksgefühle habe ich, wenn ich mich in der Natur aufhalte.” – Bernd Koberling, Foto: Katrin Leisch

In einer Zeit in der die visuelle Kultur und die Kunst von Pop Art, der Pictures Generation und Werbung beherrscht wurde, war Bernd Koberling mit seiner konsequenten malerischen Position visionär.

Es hat mich dann doch schon gewundert, dass man mich dann als den im Landschaftlichen Zurückgebliebenen empfunden hat, wobei ja das eigentlich der Boden ist, auf dem wir leben und ohne den wir eigentlich einpacken können, wenn wir ihn nicht erhalten,

sinniert Koberling vor einem seiner Gemälde. 

Damit ist Koberlings Kunst heute im höchsten Maße zeitgenössisch. Die Natur ist für 79% der Weltbevölkerung nur in ihrer domestizierten Form in städtischen Parks und Balkonpflanzen noch alltäglich. Was nicht in greifbarer Nähe ist, wird schonungslos ausgebeutet oder gerodet. Vielleicht wird die Kunst diese Probleme nicht lösen können, aber sie ist wohl dazu in der Lage sie visuell wertzuschätzen. Bernd Koberling hält uns vor, was es noch zu bewahren gibt.

Bernd Koberling und sein ehemaliger Schüler Peter Stauss, Foto: Katrin Leisch

Bernd Koberling und sein ehemaliger Schüler Peter Stauss, Foto: Katrin Leisch


Ausstellung im Künstlerhaus Bethanien : Vitales Echo

Gruppenausstellung mit Bechtold, Fobbe, Hirsig, Kabitzke, Kannenberg, Kimura, Koberling, Meiran, Saks, Stauss, Steingrímur, Streuli, Zorzor
Laufzeit 17. November 2016 bis 11. Dezember 2016
Künstlerhaus Bethanien / Kottbusser Strasse 10, Berlin Kreuzberg