In Pius Fox Atelier in Neukölln
Ankunft vor einem Wohnhaus in Neukölln, direkt neben einem Gemüsehändler. Es herrscht ein wildes Treiben aus vorbeibretternden Autos und Frauen mit orangen, superdünnen Tüten voller Obst und Gemüse. Das Wetter schwankt zwischen dichtem Hagel und strahlendem Sonnenschein. Das Atelier von Pius Fox liegt im Hinterhaus. Inmitten von sechs Namen am Briefkasten des Gemeinschaftsateliers finden wir den von Pius Fox. Er öffnet die Tür.
Der 31-jährige Maler sieht ein bisschen aus wie ein Rockstar mit schwarzem T-Shirt und Lederjacke. Pius ist in Berlin geboren, hat an der UDK Malerei studiert und ist gegen Ende seines Kunststudiums gut gefragt in den Kunstmarkt eingestiegen. In Berlin arbeitet er mit der Galerie Martin Mertens zusammen und wird dort am 25. April seine neuste Ausstellung eröffnen. „Slumber“ – Schlummern – wird sie heißen.
Pius Fox Atelier in Neukölln ist lichtdurchflutet, mit einem großen Arbeitstisch in der Mitte. An jeder Wand und aufgereiht auf dem Boden befinden sich fertige und halbfertige Bilder zwischen Paletten mit angemischten Farben. Dazwischen Stifte, Pinsel, leere Marmeladengläser, Whiskey und Zitronenverbenen Tee.
Pius‘ abstrakte, teils figürliche Malerei mit einer für ihn typisch zart gedeckten Farbpallette hat das, was gute Malerei ausmacht. Sie zieht in die Tiefe, macht aus glatten Linien Weite, aus geometrischen Formen Mystik. Die kleinformatigen Bilder an der großen, weiß getünchten Backsteinwand ziehen uns mit ihrer Räumlichkeit in den Bann: hier ein endloser Blick in die Tiefe, dort Fenster in eine abgeschlossene Geborgenheit. Wir tragen ein paar Klappstühle zusammen und Pius bietet Wasser mit Cranberrysaft an.
Respekt vor der Abstrakten Malerei?
Pius, manche bewundern dich, weil du dich so souverän und erfolgreich an das große Thema der abstrakten Malerei heran gewagt hast. Hattest du vor ihr großen Respekt?
Nein hatte und habe ich nicht. Ich bin an das Thema nie intellektuell rangegangen, sondern habe mich mit ihm schon früh praktisch auseinander gesetzt, ohne Berührungsängste. Alles fing in meiner Schulzeit an, als mich meine Freundin zu Jungendkunstkursen in der Zitadelle Spandau geschleppt hat. Dort habe ich meinen ersten Ort für die Malerei gefunden.
Hast du denn Helden in der Malerei?
Die großen Meister der Renaissance: Piero della Francesca oder Giotto di Bondone, zu denen finde ich immer wieder zurück. Früher habe ich mich konkreter an den Renaissance-Bildern abgearbeitet, mittlerweile versuche ich auf anderem Wege an sie heranzukommen, was trotzdem ziemlich aussichtslos ist. Außerdem schätze ich Matisse und Richard Diebenkorn – mir wird immer wieder gesagt, dass ich ähnlich male wie er.
Ich will innerhalb von Grenzen frei sein.
Als wir deine Bilder im Internet sahen, dachten wir sie seien fundamental groß. Du malst aber meistens im Kleinformat – warum?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man zu Beginn oft nach dem Großen sucht. Am liebsten den Betrachter mit großer Malerei umhauen will. Ausgehend von Vorstellungen über die Kunst der Moderne. Damit bin ich für mich nicht weitergekommen. Mir ging es darum, erstmal Grenzen festzulegen um innerhalb von Grenzen freier zu sein. Im Kleinformat konnte ich Tiefe und den Sog der Flächen intensiver darstellen, die Mittel viel besser kontrollieren und Sachen ausprobieren. Das Bild wird zum Fenster, ein wichtiges Motiv für mich. Bei Großformaten fühlt es sich schnell „all over“ an. Wenn man davor steht, sieht man mitunter einfach nur Material. Ich muss mich ständig damit beschäftigen, wie sich das Bild im Raum und wie sich der Mensch davor verhält und von welchem Standpunkt man das Bild idealerweise anschaut.
Deine Bilder sind sehr grafisch, sorgsam komponiert. Gehst du an das Malen analytisch ran?
Früher habe ich immer ohne Skizzen gearbeitet und einfach beim Malen geschaut wo die Reise hingeht. Mittlerweile arbeite ich bei manchen Bildern mit einer Skizze. Aber das Ende wird doch völlig anders als geplant. An manchen Arbeiten arbeite ich scheinbar ewig, obwohl das Bildgerüst längst steht. Trotzdem ändere ich es noch tausendmal, überarbeite einzelne Striche und habe mich schon oft gefragt, warum ich das tue.
Und, hast du eine Antwort gefunden?
Das ist der spannende Punkt. Ein Bild, selbst ein abstraktes Bild, kann sein Sujet den ganzen Arbeitsprozess entlang behalten. Aber ob der Rand in altrosa oder graugrün, der dunkle Strich in blaues oder violettes Schwarz getaucht ist, entscheidet über etwas, das sich der Sprache entzieht. „Wie“ etwas dargestellt wird, ist die Aufgabe des Malers. Ich suche nach einer internen Bildlogik, einem Bildzusammenhang, der unabhängig von abstrakten oder gegenständlichen Bildern, viel mit dem zu tun hat, was ich sehe und wahrnehme. Angetrieben werde ich dabei von einer Unzufriedenheit.
Wie gehst du mit Frustration und Scheitern um?
Scheitern ist eine große Kraft, um etwas zu durchdringen und sich selbst zu überwinden. Wenn ich Dinge nicht hinkriege, wurmt mich das sehr, es lässt mich nicht los. Mir ist es wichtig meine Grenzen festzulegen und gegen sie anzukämpfen. Sie wieder aufzubrechen und sie neu festzulegen. Einen Triumph über mein Scheitern zu feiern.
Machst du das in deinem Leben generell?
Ich versuche Kunst und Leben, so gut oder schlecht es eben geht, voneinander zu trennen. Aber ja, bei beidem geht es mir um das Aufbrechen von Strukturen. Ich reflektiere viel darüber, „wie“ ich arbeite und „wie“ ich bin. Diese Fragen sind mir wichtiger geworden, als die Überlegung „was“ ich bin oder „was“ ich male. In der Uni-Zeit hatte ich einige Krisen, als meine Identität noch völlig mit der Kunst verknüpft war. Als Beispiel: Du gibst alles in ein Bild hinein und die Leute schauen es nicht mal an. Wo führt das hin, wenn das mein Leben ausmacht? Problematisch wird es, wenn du mit der Kunst Probleme lösen willst, die du mit ihr nicht lösen kannst.
Wie das Malen mit dem Schlafen zusammenhängt
Mit was beschäftigst du dich gerade?
Mit dem Verhältnis von inneren zu gemalten Bildern. Und wie das Malen mit dem Schlafen zusammen hängt. Ich fühle mich manchmal nach langen Maltagen ausgeschlafener als vorher.
Kannst du uns etwas zur Idee hinter deiner Ausstellung in der Galerie Martin Mertens erzählen, die am 25. April eröffnet?
Der Titel der Ausstellung ist „Slumber“. Ich habe ihn gewählt, da ich viele Bildideen kurz vor dem Einschlafen bekomme und innerlich nicht aufhören kann zu Malen. Der Zustand ist Quelle der Inspiration, gleichzeitig verhindert er aber, dass man in den Bereich des Unterbewusstseins kommt, der so erholsam ist. In das Unbewusste, das sich einer Logik von Sprache und Ausdruck entzieht. Und hier ist wieder die Analogie zum Malen, das Schlummern ist die Skizze einer Idee, der Traum ist die Malerei mit allen Widerständen des Ausdrucks.
Ausstellung „Slumber“ – Galerie Martin Mertens
Opening: 25. April 2015 / 18 – 21 Uhr
Laufzeit der Ausstellung: bis 30. Mai 2015
Sonderöffnungszeiten zum Gallery Weekend Berlin
Fr. 1. Mai und Sa. 2. Mai 11:00 – 21:00 Uhr
So. 3. Mai 11:00 – 18:00 Uhr und nach Vereinbarung
Linienstrasse 148 / Berlin
Was die Galerie ausmacht und welche Künstler sie vertritt, findet ihr ihm ARTberlin Galerieführer Galerie Martin Mertens
Text: Helen von der Höden / Fotos: Tobias Laukemper für ARTberlin