KATRIN FRIDRIKS MALT ALS WÜRDE POLLOCK GOLF SPIELEN

Künstlerinterview 

KATRIN FRIDRIKS MALT ALS WÜRDE POLLOCK GOLF SPIELEN

Katrin Fridriks eröffnet heute (21.11.14) bei Circle Culture Gallery mit Stendhal Syndrome eine Ausstellung, die uns high macht. Wie malt man so überwältigend?

Achtung Überwältigungsgefahr! Katrin Fridriks in der Circle Culture Gallery

Reizüberflutung durch unfassbare Schönheit im Angesicht von Architektur, Kultur und Kunst kann zu Panikattacken, Wahrnehmungsstörungen und wahnhaften Bewusstseinsveränderungen führen. Allgemein als Stendhal-Syndrom bekannt und berühmt geworden durch das überwältigende Gefühl, das europäische Intellektuelle bei ihrer Grand Tour durch Italien überkam.

Wenn du nicht bewusst wahrnimmst, kannst du das Leben nicht genießen.

Sagt Katrin Fridriks.

Katrin Fridriks

Es ist Montagmittag, Katrin Fridriks steht in den langgestreckten Hallen der Circle Culture Gallery und raucht eine Zigarette. Sie ist müde, hat nur drei Stunden geschlafen.

Ich brauche immer viel Zeit um die Titel für meine Arbeiten zu finden.

sagt die Künstlerin mit den wilden isländischen Wurzeln, die aktuell in Paris lebt.

Es ist der Montag vor der Eröffnung ihrer Ausstellung STENDHAL SYNDROME am heutigen Freitag (21.11.2014) die mit Sicherheit einen Höhepunkt in ihrem Schaffen verkörpert. Auch weil sie mehrere Werksgruppen zusammen bringt, die im Moment noch großformatig an den Wänden lehnen. Zu sehen sind Arbeiten aus den fortlaufenden Serien Riding Awareness (2013), Gene & Ethics und der neusten Serie Stendhal Syndrome (2014).

Ich überlasse es Johann in welcher Anordnung diese genau und schlau an den Wänden befestigt werden sollen,

Johann Haehling von Lanzenauer ist ihr Berliner Galerist mit dem sie seit 2011 eng zusammen arbeitet. Die letzte Solo Show in der circleculture Gallery Berlin wurde zweimal verlängert und doppelt verkauft.

KATRIN FRIDRIKS: I THROW PAINT LIKE SPEED 

Katrin FridriksKatrin Fridriks: Stendhal Syndrome

Die Skulptur-artigen Gemälde bersten vor Energie. Jedes für sich zieht den Blick magnetisch an. Sowohl aus der Makro- als auch der Mikroperspektive betrachtet, faszinieren ihre Arbeiten – und zwar nicht nur durch ihre Schönheit sondern auch durch die technisch brillant gemalten dynamischen Verläufe in Farbe und Schwarz-Weiss.

Wie genau Fridriks die Farbe aufträgt oder vielleicht sollten wir besser schreiben „die Farbe auf die Leinwand wirft“, bleibt ihr Geheimnis. Sie hat dazu verschiedene physikalische und chemische Methoden erfunden. Eine davon ist das Drehen des Bildes, wenn die Farbe noch frisch ist. Ein anderer Bestandteil ihrer Technik ist sicherlich ihr Wissen als studierte Architektin und dem Studium der japanischen Kalligraphie.

Ich bin mal gefragt geworden wie ich meine Technik beschreiben würde. Und da ist mir eingefallen, dass es ist als würde Pollock Golf spielen. I throw paint like speed. Momentan arbeite ich an einer Weiterentwicklung meiner Techniken. Treibe die Idee vom Zugang über den Mikro- und den Makrokosmos weiter. Das ist körperlich extrem anstrengend. Wir reden immerhin von mehr las hundert Liter Farbe auf meterhohen Leinwänden.

Katrin FridriksIN ISLAND FEHLEN EIGENTLICH NUR NOCH DIE DINOSAURIER

Was Katrin Fridriks erschafft heißt formal „konzeptuelle Malerei“, die sie oft in architektonisch aufwendig gestalteten Räumen installiert. Das Ergebnis ist allerdings immer größer als dreidimensional.

Ich stelle Fragen zu unserer Gegenwart und versuche sie mittels Schönheit zu vermitteln. Ich will nicht mit dem erhobenen Zeigefinger darauf zeigen, was wir eventuell gerade nicht so Gutes mit der Erde anfangen. Es ist mehr eine Einladung, die eigene Erfahrung damit zu machen. Ich gebe nur kleine Hinweise. Auch was die Antworten darauf betrifft.

Katrin ist mit der wilden Natur Islands aufgewachsen. Die Insel mit der energetischen Kraft, die sich aus der einmaligen Mischung von Vulkanen, Gletschern, Meer, Bergen, Wind, Feuer, Wasser und der offiziellen Anerkennung von Naturgeistern speist, ist ein entscheidender Teil von ihrer Annäherung an unsere Wahrnehmung von Leben, ethischem Handeln, Raum und Zeit.

In Island wächst du mit einem Gefühl der Ehrfurcht vor der Erhabenheit der Natur und dem Leben auf. Dieses Gefühl ist immer in mir.

DAS HIGHLIGHT VON STENDHAL SYNDROME

Fridriks: Stendhal-Syndrome-exhibition_2014_photo_Cédric-Pierre---Fridriks-WorkshopFoto: Katrin Fridriks: Gene & Ethics Stardust Master, 2014, 280 x 180 cm, Magnifying glass installation, Courtesy: Cédric-Pierre, Fridriks Workshop

Das Kernstück der Ausstellung ist ihre raumgreifende Arbeit „Perception of the Stendhal Syndrome”, die Katrin hier zum ersten Mal zeigt. Das liegt auch daran, dass die überdimensionale 1,70 m hohe Lupe, die von der Decke hängt über fünf Jahre lang von Hand geschliffen werden musste. Wer durch sie auf das dahinter befestigte Werk aus der Serie „Gene & Ethics” (280 x 180 cm) blickt, fliegt in ein Universum hinein das einem (guten) Trip gleicht.

Die geringste Änderung der Perspektive entwirft ein komplett anderes Bild und damit sieht jeder Betrachter etwas anderes. Genau eben wie in unserer Realität, die damit nicht selten zum Konflikt führt. Flüchtig, verwirrend, berührend, trifft es ganz gut.

RIDING AWARENESS MACHT UNS FERTIG

Katrin-Fridriks-Stendhal-Syndrome-exhibition_2014Credit: Cédric-Pierre, Fridriks-Workshop

Wir stehen fassungslos vor der Arbeit „Riding Awereness – Noble Messengers“ (2013) die noch „falsch herum“ auf dem Boden steht. Aus einem bestimmten Blickwinkel verlängert sie sich ins Unendliche – wir sehen einen farbexplodierten Swoosh in Form eines verzerrten Gesichts an dem wir Düsenjet-artig vorbei rauschen. Klingt etwas mühsam, ist aber auch schwer zu beschreiben und nur live richtig zu erleben.

Was technisch so fasziniert, ist die Tatsache, dass die einzelnen Stehlen der Arbeit waren von Anfang an getrennt voneinander, auch wenn die Arbeit in der Exaktheit der Übergänge so aussieht als hätte die Künstlerin zunächst eine Leinwand bemalt und sie dann auseinander geschnitten.

Ich muss nicht den einfachsten Weg gehen.

AUSSTELLUNG: ERÖFFNUNG UND LAUFZEIT 

Eröffnung: 21. November 2014, 19-21 Uhr
Circle Culture Gallery / Potsdamer Straße 68 / 10785 Berlin-Tiergarten
Öffnungszeiten: Dienstag: 14–18 Uhr / Mittwoch bis Samstag: 12–18 Uhr 
Laufzeit bis 14. Februar 2015

Fotos für ARTberlin: Shirin Ourmutchi