Foto: Petra Goldmann
ALEXANDER POLZIN: IN DEN KULISSEN DER OPER IN MADRID
Die Fragen zu unserem Interview beantwortet Alexander Polzin nachts aus der Dunkelheit der Opernbühne des Teatro Real Madrid. Der Bildhauer, Maler, Grafiker und Bühnenbildner steht kurz vor der Opernpremiere des Lohengrin am 3. April 2014. Es ist nicht die erste große Oper deren Bühnenbild der in Berlin lebende Künstler entwickelt und gestaltet hat. Alexander Polzin ist jemand mit dem bedeutende Komponisten wie Helmut Lachenmann und György Kurtág gerne zusammenarbeiten. In den letzten Jahren hat er unter anderem das Bühnenbild für Wagners Parsifal bei den Salzburger Osterfestspielen und in Peking entworfen. Musik und Bildende Kunst verbindet er neben der Oper auch für Tanz- und Theaterproduktionen. Entschieden mächtig, aber nie überladen, sind seine Kompositionen – klar in der Farbwahl und handwerklich aufwändig umgesetzt.
Fernab der Oper sind seine Skulpturen, Gemälde und Grafiken in Galerien, Museen wie dem Getty Center in Los Angeles und unter anderem am Potsdamer Platz zu sehen. Dort hängt sein Giordano Bruno aus Bronze sechs Meter lang, kopfüber im Lichthof der S-Bahn. Aus einem einzigen Fichtenstamm herausgeschnitten und dann in Bronze gegossen, erinnert die Skulptur an die Opfer religiöser Gewalt.
In Berlin stellt Alexander Polzin aktuell und noch bis zum 17. April in der Galerie Kornfeld aus. Ganz klar zu sehen ist dort: Dieser Mann hat ein besonders Talent mit Bronze zu arbeiten. Unter anderen stehen hier Skulpturen die einst als Skizzen zu Opernbühnenbildern dienten und gleichzeitig faszinierende Kunstwerke geworden sind. Ihre Bronzehaut schimmert wie Holz. Für den Lohengrin hat er das Bühnenbild aus einem Block herausgeschlagen und damit zum ersten Mal ein Bühnenbild „gebildhauert“.
Bühnenbild für die Oper „Rigoletto“
Bühnenbild für die Oper „La Conquista de México“
ALEXANDER POLZIN ÜBER DIE UNGEWÖHNLICHE ARBEIT AM LOHENGRIN
Alexander, wie geht es dir? Was machst du gerade?
Mir geht es gut – die normale Anspannung während der Endproben für eine große Oper mit einberechnet. Madrid ist eine sehr offene Stadt. Trotz der ökonomischen Krise sind die Bedingungen an der Oper hervorragend, was vor allem an den begeisterten Mitarbeitern hier liegt. Alle verstehen, dass eine solche Aufführung mit Fantasie und Vision zu tun hat. Niemand versteckt sich hinter einer Beamtenmentalität.
Wie hast du das Bühnenbild für den „Lohengrin“ entwickelt?
Diese Arbeit war für mich in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Gerard Mortier hat mich gebeten zunächst einen Raum zu erfinden, bevor wir uns gemeinsam auf die Suche nach einem passenden Regisseur dafür machen. Dazu kommt, dass dies das erste Bühnenbild ist, das ich „gebildhauert“ habe. Ich habe einen Block genommen, der dem Volumen des Bühnenraums entspricht und meinen Entwurf aus ihm herausgeschlagen. Dabei ist ein Ort, vielleicht sogar eine Welt entstanden deren Umsetzung in die Realität einer großen Bühne sehr schwierig war. Es war besonders wichtig den Eindruck des aus einem Stück-Geschlossenen weitgehend zu erhalten.
Was war die größte Herausforderung dabei?
An der Umsetzung haben wir jetzt zwei Jahre gearbeitet. Und nur mit Hilfe der größten Theaterwerkstätten Europas Art for Art in Wien war es möglich diese Vision mit eher bescheidenem Budget umzusetzen. Im Gegensatz zu meiner primären Arbeit als Bildhauer bei der ich hinter verschlossenen Ateliertür nur mir verpflichtet bin, ist die Theaterarbeit eine Herausforderung in einer großen Gruppe. Es gehört viel Glück und Aufwand dazu den Willen eines Dirigenten, Regisseurs, Kostümbildners und der Sänger zusammen zu führen, so dass am Schluss ein Abend herauskommt, der niemanden unterfordert.
Wie bist du zum Bühnenbild gekommen?
Das war für mich ein ganz natürlicher Prozess. Ich habe mich immer sehr für die anderen Künste interessiert. Dabei har sicher auch meine Sozialisation in der DDR eine wesentliche Rolle gespielt. Wichtige relevante Dinge wurden dort mangels einer anderen Öffentlichkeit in den Künsten verhandelt. So habe ich als Teenager mehr als die Hälfte meines 12. Schuljahrs versäumt, um stattdessen die Theaterproben eines großartigen „Hamlet“ zu sehen. Aus diesem Interesse sind viele Verbindungen zu Schriftstellern, Komponisten, Schauspielern und Tänzern entstanden. Eines Tages kam dann ein Freund auf die Idee mich zu fragen, ob ich Lust hätte, mir einen Bühnenraum mit ihm auszudenken.
DOPPELENGEL SKULPTUREN IN DER AUSSTELLUNG BEI KORNFELD
Die Double Angel Skulptur in deiner aktuellen Ausstellung bei Kornfeld mag ich sehr – Wofür steht sie für dich?
Ich kann meine Arbeit nicht beschreiben. Obwohl ich völlig ohne religiösen Hintergrund aufgewachsen bin, beschäftigen mich seit mehr als 20 Jahren immer wieder Engelspersönlichkeiten. Eine der ersten ist in der Ausstellung zu sehen. Der „Gefallene Engel“, der eine Auseinandersetzung mit Barlachs berühmter Bronzefugir in Güstrow ist. Ein weiterer Schritt ist die kleine Engelsfamilie die Requiem heißt. Und nun ist es dieser tänzerische Doppelengel. Er hat für mich mit dem Zusammenhalt unter erschwerten Bedingungen zu tun. In gewisser Weise denke ich an eine Äußerung von Heiner Müller zur Zukunft Europas. Er sagte er glaube nur noch an eine Allianz der Schuldigen. So haben meine beiden Engel jeweils einen nicht mehr brauchbaren Flügel und den übrig gebliebenen versuchen sie zum Schutz des anderen zu gebrauchen. Aber hier fange ich schon an etwas ganz Verbotenes zu tun, in dem ich den Blick des Betrachters mit meinen Vorstellungen einenge.
Das Gemälde zur „Parsifal“ Oper hängt bei Kornfeld, das Bühnenbild dazu gab es bei den Salzburger Osterfestspielen und aktuell in Peking – arbeitest du immer so, dass die „Skizze“ gleich zum Kunstwerk wird?
Es handelt sich dabei weniger um Skizzen als um das Umgehen eines prinzipiellen Problems das ich mit den Bühnenarbeiten habe. Als Bildhauer und Maler spielt für mich der Moment des Festhaltens eine große Rolle. Ein Großteil der Energie die zur Fertigung einer Skulptur notwendig ist, speist sich bei mir aus der vagen Hoffnung, etwas aus dem Fluss der Zeit für einen längeren Augenblick heraus zu reißen. Auf der Bühne ist die Situation eine andere – diese Kunst ist von Beginn an flüchtig. Um mit diesem Spannungsfeld umgehen zu können, versuche ich immer mehr die Arbeiten auch im Ergebnis zu verschränken. Das Gleiche trifft auch auf das Bild „Conquest“ zu, welches die Grundlage für einen 18 Meter breiten Bühnenprospekt in Rihms Oper lieferte.
Was steht als nächstes bei dir an?
Nach der „Lohengrin“ Premiere in Madrid kann ich endlich wieder in mein heimatliches Atelier und werde weiter an einer großen Skulpturen-Serie für Andreas Schiff arbeiten. Außerdem beende ich eine Auftragsarbeit zu „Peer Gynt“ für die Philharmonie in Bergen bei der wieder mehr als 30 Bilder im Zusammenhang einer Bühnenarbeit entstanden sind.
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AKTUELL IST ALEXANDER POLZIN ZU SEHEN BEI…
// Bühnenbild für die Wagner Oper „Lohengrin“ im Teatro Real in Madrid // Premiere am 3. April 2014
// Ausstellung in der Galerie Kornfeld vom 28. Feb – 17. Apr 2014, Di–Sa 11–18 Uhr // Fasanenstrasse 26 // Berlin
ÜBER DEN KÜNSTLER
Nach einer Ausbildung zum Steinmetz begann Alexander Polzin 1991 seine Karriere als freischaffender Bildhauer und Maler mit der Skulptur „Sokrates“, die er für die Universität in Tel Aviv geschaffen hat. Drei Jahre später wurden seine Werke für seine erste Einzelausstellung im Einstein Forum in Potsdam ausgewählt. Werke von Alexander Polzin werden weltweit im Öffentlichen Raum, in Galerien oder Museen wie dem Getty Center in Los Angeles gezeigt. 1996 war er Artist-in-Residence am International Artists House in Herzliya bei Tel Aviv. Polzin arbeitete mit den Komponisten Amos Elkana, Helmut Lachenmann und György Kurtág zusammen, um gemeinsam ihre Musik mit Bildender Kunst zu verbinden.