Birgit Brenner – Schuld, Scham und Gewalt

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Birgit Brenner – Schuld, Scham und Gewalt

Birgit Brenner erzählt Geschichten aus dem Leben. Kopfkino, radikal und emotional. Das jüngste Werk der Künstlerin, „Selbst Schuld“, handelt von einem Messie.

Birgit Brenner

Birgit Brenner: Selbst Schuld

Der Weg zu Birgit Brenners Atelier in Berlin ist gut beschriftet, Hof, Blocknummer, Schild an der Eingangstür, das ist mal ein Unterschied zu anderen Studios, wo man den Weg nur mit Handy-Life-Ansage findet. Sie öffnet gut gelaunt und am liebsten liesse man sich gleich gemütlich auf dem roten Sofa nieder. Aber es geht um ihre nächste Ausstellung bei Eigen und Art und es zieht mich wie magisch zu den Sätzen. Den schönen Sätzen. „Vom Laufsteg zurück ins Dorf“ ist so einer und er ganz allein könnte schon die ganze Geschichte von Scham, Versagen, Dreck und Einsamkeit erzählen, um die es bei „Selbst Schuld“ geht. 

Ich habe eine Datei „Schöne Sätze“, da steht drin, was ich so höre, lese, sonst wie mitkriege, was mir durch den Kopf geht – zunächst themenlos. Dann kristallisiert sich ein Thema heraus, eine Geschichte, die mich interessiert, die ich erzählen will. Bei „Selbst Schuld“ war es die Frau, die sich als Messie einen Schutzraum errichtet.

Schäm dich

Der Blick auf das Innen und das Aussen ist Birgit Brenner wichtig. „Schäm Dich“. Noch so ein Satz. Wer macht es richtig, wer macht es falsch, ist das wirklich immer so eindeutig? Birgit Brenner schreibt die Texte und entscheidet, wie viel davon bildnerisch umgesetzt wird, Bild und Text müssen sich ergänzen. Die Installation ist noch in Arbeit, einmal fertig wird sie in der Galerie über dem Boden hängen, schwarz, wie eine Häuserfront, Theaterbühne, zerstückeltes Aussen. Der Raum ist ohne Grenze, verwinkelt, es wird angebaut und die Geschichte ist erst zu Ende, wenn sie ausgestellt wird. In „Selbst Schuld“ ist es wieder eine Frau, die scheitert, an ihren Ansprüchen an sich selbst, an sexueller Ausbeutung, an Gewalt, aber:

Das Thema Mann-Frau interessiert mich nicht vorrangig. Es geht mir immer um gesellschaftliche Beobachtungen, die ich dann im Kleinen darstelle, am Individuum ist es besser begreifbar. Letztendlich geht es auch um unseren heutigen Trend zur Selbstoptimierung und darum, wie wir mit diesem Druck klar kommen – oder eben nicht.

Wer kennt das nicht? So viele Dinge, die man verpassen kann, so viele Möglichkeiten, die man nutzen sollte. Aber einfach nicht kann. Am Ende steht im schlimmsten Fall Emotionslosigkeit. Auch deshalb wirken Birgit Brenners „Schöne Sätze“ so, sie hauen geradezu rein, Kopfkino, Gefühle, Gedankenketten. Das ist doch gar nicht mein Schicksal, warum rührt es mich?  Sind es fremde Emotionen oder meine eigenen?  

Birgit BrennerBirgit Brenner

Birgit Brenner – der Kunstmarkt und die Frauen

Birgit Brenner hat einen Lehrauftrag an der Akademie Stuttgart, ihre Studenten sind zu 80 Prozent Frauen. Warum in der Oberliga des Kunstmarktes noch immer mehr Männer als Frauen mitspielen, liegt vermutlich auch an den gesellschaftlichen Machtverhältnissen, aber nicht nur. Trotz gleicher oder sogar besserer Leistungen stehen sich Frauen auch selbst im Weg, zum Beispiel, indem sie sich unterschätzen, oder ihr Licht unter den Scheffel stellen.

Männer haben eine andere, deutlich positivere Wahrnehmung ihrer eigenen Leistung, und sie sind besser im networken. Frauen wird oft der objektive, gesellschaftlich relevante Blick abgesprochen. Bei gleicher Arbeitsweise nennt man einen Mann einen Perfektionisten, und die Frau ist verbiestert.

Kunst ist keine Deko

Trotz aller Schwierigkeiten will Birgit Brenner jungen Künstlern Mut machen, ihren Weg zu gehen. Eine gesunde Portion Realismus schadet dabei nicht.

Ein Kunststudium ist nicht das Richtige, wenn man ein bequemes Leben und reich werden will. Man muss radikal sein, Grenzen überschreiten, man darf nicht die innere Deko-Abteilung mit Blick aufs Verkaufen einschalten. Aber es ist machbar. Jeder, der Kunst macht, hat ein Anliegen, das gilt es auszuloten. Disziplin und Fleiss sind ganz wichtig, nach der Akademie interessiert es da draussen niemanden, dass es Dich gibt, davon darf man sich nicht abschrecken lassen.

Sie habe Glück, dass einige ihre Kunst auch kaufen (so was nennt man understatement!), sagt Birgit Brenner und lacht wieder herzlich. Sie und Judy Lybkes Galerie Eigen und Art sind ein eingeschworenes Team, seit über 20 Jahren. Obwohl Birgit Brenner nie den einfachen Weg gegangen ist. Die Ausstellung „Selbst Schuld“ wird vom 13. März bis zum 19. April gezeigt. 

Galerie Eigen + Art: Ausstellung „Selbst Schuld“

vom 13. März bis 19. April 2014
Auguststrasse 26 // 10117 Berlin



Fotos: Graeme Vaughan