LUKAS FEIREISS. MULTI-TALENT MIT FOKUS
Es gibt Menschen, die sind in einem unheimlich, weil sie ein Leben führen, das von Talenten und deren effizienter Verwirklichung in Form von Berufen und Berufungen leicht übernatürlich anmutet.
Und es gibt Lukas Feireiss. Er selbst hat sich einmal als Creative Bastard bezeichnet, was von seinen Interviewern begeistert und sehr wahrscheinlich auch erleichtert aufgegriffen wurde. Wie sonst bringt man Professor für Raum und Designstrategien, Künstler, Autor, Moderator und Experte für visuelle Kultur und urbane Architektur unter einen Hut? Das Wort Kurator allein scheint da zu simpel.
Der Mann hat sein Studio in den alten Ritter Butzke Werken am Moritzplatz von Berlin Kreuzberg von wo aus auch Jan Kage sein multidimensionales Reich steuert. Lukas ist allerdings nicht allzu oft Zuhause, da die Objekte seiner Expertise in Metropolen wie Rio, Mumbai oder NYC liegen. Man ruft ihn dorthin, wenn man wissen und diskutieren möchte, wie sich der urbane Raum an den Schnittstellen von Architektur, Kunst und visueller Kultur gerade verändert. Herr Feireiss moderiert dann wahlweise Panels mit Daniel Liebeskind, Tomás Saraceno oder Sasha Waltz, kuratiert Ausstellungen (z.B. im MADE in Berlin), produziert selber Kunst (mit Vorliebe Collagen), schreibt ein Buch über die Architektur von Orten des Glaubens (CLOSER TO GOD) oder ein pop-kulturelles Manifesto aus Song-Zitaten (LA DI DA DI).
Und dann ist er auch noch verdammt attraktiv, stellen wir fest, als wir auf seiner Couch im Studio Lukas Feireiss um 10 Uhr morgens eiskalte Cola trinken.
LUKAS FEIREISS: BERLIN HAT DIESEN EXTREMEN LUXUS AN WEITE
Lukas, wie kommt man von vergleichenden Religionswissenschaften und Philosophie zur Architektur?
Ich wollte eigentlich immer Kunst studieren und bin eher per Zufall bei diesem Studiengang gelandet. An den Religionswissenschaften hat mich das Rauschhafte und Ekstatische sowie die Askese und das Schweigen interessiert. Über die Beschäftigung mit der Philosophie bin ich dann in den Architekturdiskurs gerutscht. Nach meinem geisteswissenschaftlichen Studium war ich jedoch durstig nach praktischer Erfahrung. Theorie ist in meinen Augen ein Vehikel für den kreativen Prozess. Theorie braucht die Praxis als Reibungsfläche mit der Realität.
Das Studio Lukas Feireiss hat der gebürtige West-Berliner vor fünf Jahren in Berlin gegründet, richtig Erfolg gehabt mit seiner Arbeit, die er u.a. als Critical Cut-Up oder kreative Theorie bezeichnet, hatte Lukas aber erst einmal im Ausland. Insbesondere in den Niederlanden und Österreich aber auch in den Staaten, Indien und Brasilien. All diese Orte haben verstanden, wie interessant und relevant die Schnittstelle zwischen Architektur, Kunst und Philosophie für die Zukunft ihrer Städte sein kann.
Wie steht es im Moment um Berlin und die urbane Kultur dieser Stadt?
Ich denke Berlin lebt von seinen Widersprüchen und Gegensätzen. Zudem hat Berlin diesem extremen Luxus an Raum und Weite. Man könnte rein theoretisch vier Mal so viele Menschen hier unterbringen. Eine Stadt wie Mumbai ist zum Beispiel nur ein Drittel so groß wie Berlin hat aber rund 20 Millionen Einwohner. Das muss man sich mal vor Augen führen. Darüber hinaus, lässt die Stadt in Kombination mit dem rotzigen Charme der Berliner, außergewöhnlich viel Freiheit zu. Berlin bietet Möglichkeitsraum für viele und vieles. Jedoch befindet sich die Stadtentwicklung mit den stetig steigenden Mietspiegel momentan an einem Scheidepunkt. Genau die Charakteristika, die Berlin so attraktiv machen, laufen Gefahr verloren zu gehen.
Was passiert gerade in der Architektur? Siehst du ein weltweites Phänomen?
Nun, die Hardware ist in meinen Augen in den meisten großen Städten im Grunde die gleiche aber die Software ist anders. Die Herausforderungen liegen heute in der Verbindung des Formellen und Informellen der Städte. Es geht um die Fähigkeit urbane Realitäten und architektonische Typologien neu zu denken und zu programmieren.
KUNST, KÜNSTLER. PRODUKTIVITÄT UND LIEBLINGSORTE
Welche Künstler beobachtest du?
Ich bin ein Fan von Olafur Eliasson. Mich beeindruckt jedoch nicht nur die Sensibilität seiner Kunst im Raum im Allgemeinen, sondern vielmehr seine unglaubliche Neugier gegenüber jungen Künstlern. In seinem Studio Eliasson / Institut für Raumexperimente fördert er junge Talente wie Julius von Bismarck und Raul Walch und sucht immer wieder den offenen Kontakt und Austausch mit anderen Kreativen. Auch die Arbeit von Tomás Saraceno, Erwin Wurm und Tom Sachs berührt mich sehr. Aber die Liste ist natürlich endlos lang.
Du bekommst so unglaublich viele Dinge auf die Reihe. Wie teilst du dir deinen Tag ein?
Eigentlich stinknormal. Ich stehe um 7:00 Uhr auf, mache Frühstück für meinen Sohn und bringe ihn um 8:00 Uhr zur Schule.
Dann versuche ich noch Sport zu treiben und gegen 10:00 Uhr im Studio zu sein. Dort arbeite ich dann eigentlich immer an drei bis vier Projekten parallel. Mittagessen mit Freunden und dann weiter bis zum Nachmittag. Und circa alle zwei Wochen muss ich arbeitstechnisch für ein oder zwei Tage fort. Entscheidend ist mit den richtigen Leuten zusammenzuarbeiten und einfach in den Prozess zu vertrauen.
Und wann machst du selber Kunst, deine Collagen?
Zu meinen Collagen komme ich immer dann, wenn ich bei anderen Arbeiten fest stecke. Das ist ein kathartischer Prozess. Sie macht meinen Kopf frei. Ich führe gerne Dinge zusammen, die eigentlich nicht zusammen gehören. In der Konfrontation entstehen dann neue gewollte oder ungewollte Bedeutungsebenen. Das gilt für meine Kunst als auch für alle anderen Projekte. Wenn man zu routiniert wird, wird es gefährlich.
Was sind deine Lieblingsplätze in Berlin?
Die Krumme Lange gehört zu meinen absoluten Lieblingsorten in der Stadt. Ein Spaziergang um den See tut zu jeder Jahreszeit gut. Zum Essen gehe ich gerne zu Fratelli La Bionda am Marheineke Platz in Kreuzberg. Einfach und gute italienische Küche. Das ist so etwas wie mein Stammlokal in der Stadt.
Und deine Lieblingsorte weltweit?
Die Riviera Küste im Großen und Ganzen, Bar San Calisto in Rom, Hotel und Bar Bazar in Rotterdam, Hotel Amour in Paris. Los Angeles.
Feireiss ist ein alter Name. Er stand vor vielen Jahren für Feuereisen und den Schmied. Wir finden er passt zu Lukas.
Meet Lukas Feireiss: Bücher / Ausstellungen / Projekte
- Ich habe gerade zwei sehr schöne Publikationen fertiggestellt. Zum einen ein Theorieband beim Ambra Verlag in Wien zur zeitgenössischen Raumtheorie und Praxis SPACE MATTERS. EXPLORING SPATIAL THEORY AND PRACTICE TODAY. Zum anderen LADIDADI. THE ECLECTIC MANIFESTO, ein pop-kulturelles Manifesto aus Songzitaten, das wir in einer Auflage von 100 Stück in Handarbeit gefertigt haben.
- Ende August nehme ich als Künstler an einer kleinen Gruppenausstellung mit dem Titel TANNHÄUSER TOR bei Laura Mars in Berlin teil.
- Im September moderiere ich beim International Architecture Education Summit im ANCB (www.ancb.de) und kuratiere / moderiere das internationale Symposium SOCIAL DESIGN-PUBLIC ACTION an der Universität für angewandte Kunst Wien. Darüber hinaus agiere als Herausgeber einer umfangreichen Begleitpublikation zum Symposium.
- Unterrichten werde ich das Wintersemester wohl an der Rietveld Académie in Amsterdam.
Bitte schaut auf http://www.studiolukasfeireiss.com/ für alle Updates und Termine