JAN KAGES SCHAU FENSTER
Fast keiner der Kreuzberger läuft an ihm einfach so vorbei. Der überdimensional große, spärlich bekleidete Mann im Kunstprojektraum SCHAU FENSTER der Lobeckstrasse 30-35 bekommt die irritierten Blicke zu spüren. Mit seinem the white male complex, No. 2, einer drei Meter hohen und zehn Meter langen Installation, hat der Künstler Thomas “Kelvin” Eller ironisch ins Herz getroffen. Dann taucht Jan Kage, der Macher des SCHAU FENSTER, Kurator, Moderator, Musiker, Autor, Partyorganisator und fester Bestandteil der undogmatischen Berliner Kunstszene auf und begrüßt mich mit einem kräftigen Handschlag.
JAN KAGE: ICH KURATIERE DIE KURATOREN
Da der Morgen noch früh und die Lider schwer sind, traben wir erstmal zum Käffchen in die Kantine im Hinterhof Nummer 2 der hinter dem SCHAU FENSTER liegenden Butzke Werke aka Künstlerhaus AQUA Carré Berlin, wo sich in über 80 Ateliers Berliner Künstler und Kreativschaffenden angesiedelt haben.
In der Kantine kennen dann natürlich alle alle. Der Küchenchef wird mit Namen begrüßt und während wir zwei Mal Kaffee ordern, befestigt Jan Kage geschwind das Plakat für die kommende Party Arty vol. 40 an diversen Säulen im Raum. Schon klar, wer fünf verschiedene Rollen und Jobs mit Leichtigkeit und trockenem Humor jongliert, der lässt kein Vakuum aufkommen.
Jan Kage moderiert die Radiosendung RADIO ARTY auf flux.fm, befragt zusammen mit dem KUNST MAGAZIN in der Bar Tausend private Sammler in einem monatlichen Panel, tut das Gleiche mit internationalen Sammlern im me collectors room von Thomas Olbricht zum Gallery Weekend, rappt in seiner eigenen Band und bringt mit der PARTY ARTY alles zusammen was Kunst, Musik und deren verschiedenen Stilblüten sein will. Die meisten kennen ihn allerdings als Experten für Urban und Street Art. Aber das Gesamtpaket ist ja auch nicht so einfach zu memorieren.
Mit dem dampfenden Kaffee in der Hand versinken wir in der zu weichen Couchecke und beginnen ein flottes Gespräch, das Jan lässig mit beinahe druckreifen aber charmanten Antworten, sozusagen, moderator-souverän, mit steuert.
Jan, du bewegst dich zwischen allen möglichen kulturellen Welten – was bedeutet das für die Auswahl der Künstler im SCHAU FENSTER? Gibt es da für dich als Kurator überhaupt feste Kriterien?
Also, es ist eher so, dass ich die Kuratoren kuratiere und diese laden Künstler aus den unterschiedlichsten Ecken ein. Jeder bringt sein eigenes Publikum mit. Wir kreiieren damit im SCHAU FENSTER eine interessante Überlagerung. Da überschneiden sich auf einmal verschiedene Kreise, was nicht so oft geschieht in der Berliner Kunst- und Kreativszene.
Die kommende Ausstellung Me, myself and I am 8. März im SCHAU FENSTER kuratiert zum Beispiel die Künstlerin Danielle de Piciotto. Sie hat 18 Künstler/innen gebeten, sich mit der in Vergessenheit geratenen Kunstform der Selbsterkenntnis und der eigenen Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.
Wer oder was reizt dich an Kunst und Künstlern?
Ich bin an der Haltung interessiert. Können ist gut und kann helfen. Doch wenn du mir nichts zu sagen hast, schau ich mir auch nicht dein toll gemaltes Bild an. Attitude – darauf kommt es an. Und da gibt es im jeden Stil etwas Spannendes. Wie es auch in jedem Stil Belangloses, Nachgemaltes, Epigonenhaftes gibt.
Wie definierst du eine solche Non-Haltung?
Es gibt so viele, die einfach nur imitieren. Die versuchen, ein Stencil wie Bansky hinzubekommen, oder so zu malen wie Daniel Richter. Aber ein Künstler muss einen eigenen unverkennbar Stil entwickeln. Das ist doch viel aufregender als ein technisch perfektes Bild, Ich suche nachdem, wo etwas abweicht, eine abseitige Ecke hervorschaut und Seitenpfade beschritten werden. Das zieht mich viel mehr an als das, was sofort reingeht und gefällt. Es gibt zwar wunderbaren Bubble Gum Pop. Aber abfahren tue ich auf die Abweichungen, da wo der Beat nicht sauber geschnitten ist, wo die Gitarre etwas verzerrt ist, wo ein Element Dreck reinkommt.
DIE PARTY ARTY VON JAN KAGE: VERGISS DIE SZENE-POLIZEI
Als Jan Kage vor zehn Jahren zum ersten Mal seine PARTY ARTY ins Leben rief, war diese gleichbedeutend mit einem waghalsigen Projekt in der sonst so sauber getrennten Musik- und Kiezszene in Berlin. Neben Ausstellung, Lesebühne und Live Konzert gab es sowohl einen Hip Hop als auch einen Techno Floor- was eigentlich den Tod einer jeden Party in den Augen der Berliner bedeutete.
Ich bin ja eigentlich Musiker und Schreiber. Als ich mit der PARTY ART anfing, habe ich noch viel HipHop gemacht und war gelangweilt von den ganzen Regeln, die jede Subkultur für sich mit sich bringt. Klar, sie ist nicht unwichtig, sonst entsteht der Stil ja gar nicht, aber die Dynamik dahinter ist bei jedem Stil die Gleiche. Es nimmt seinen Beginn mit ein paar Pionieren, die sich an einer Definition versuchen. Meistens sind diese noch sehr open minded. Dann kommt die zweite Generation, die es dann stilistisch fest zurrt. Und in der dritten Generation schält sich dann eine Art Szene-Polizei heraus: Plötzlich hat eine Snar so zu klingeln, eine Sprühdose muss so gehalten werden, eine Hose so sitzen. Da werden sich Mützen aufgesetzt, die von einer Sportart sind, von der sie nicht mal die drei Grundregeln kennen. Trag doch ein Herta-Shirt, wenn du real sein willst und nicht eine LA Lakers Mütze.
Das hat mich irgendwann nur noch gelangweilt und mir kam der Gedanke: Nö, ich mach jetzt eine Partyreihe mit einem Hiphop und einem Techno Floor. Zwei Welten die sich früher nicht mit dem Arsch angeschaut haben. Da kann sich der eine im Rausch auf den anderen Floor verirren und im Idealfall ein Erweckungserlebnis haben. Oder halt auch nicht.
Ich meine, im Grunde geht doch alles auf Africa Lambada zurück und vielleicht Kraftwerk. Es sind doch die gleichen Roots.
So wie der Detroit House?
Ja genau! Das ist eigentlich auch Black Music. Diese ganzen Kategorien sind doch wahnsinnig, Und total ethnifizierend.
Wie hast du deine Musiker und Künstler für PARTY ARTY bekommen?
Am Anfang haben die Künstler einfach ausgestellt, nur die DJs haben eine kleine Gage bekommen. Im Berliner Club Lovelite gab es damals noch einen sozialistischen Einheitslohn von 100 €. Der Tenor lautete: Ob du bekannt oder unbekannt bist – entweder du bist dabei oder nicht. Doch die meisten waren dabei, denn das Prinzip gefiel. Und die Künstler haben sich für diese eine Nacht genau so viel Mühe gegeben, wie für eine vierwöchige Ausstellung. Nach drei Jahren war es dann an der Zeit den Künstlern etwas zurückzugeben. Wir kehrten das Prinzip um und eröffneten die PARTY ARTY GALLERY im Festsaal Kreuzberg. Dort haben wir die Ausstellungen von zwei Künstler als Battle inszeniert. Natürlich immer mit viel Humor und Augenzwinkern. Jetzt waren es die Musiker und DJs, die umsonst Musik machten.
Was macht ihr am 14. März zum Zehnjährigen im Prinz Charles?
Das Motto der Party Arty vol. 40 ist „Upcycling“, also das Umnutzen, Verfeinern und Veredeln von Alltagsgegenständen und Ausrangiertem, das wir feiern und diskutieren werden.
Welche Künstler hast du dazu geholt?
Daniel Chluba zeigt seine WellnessSkulptur – einen 40° warmen Jacuzzi-Pool, den er aus zwei Dixi-Toiletten gebaut hat. 44 Flavours nutzen für ihre dekonstruktivistischen Urban Art Skulpturen Europaletten, Kanthölzer und Bretter, die sie zu verschachtelten Installationen arrangieren und farbig anmalen. Thomas Mahmoud widmet sich seit seinem Ausstieg als Sänger der Gruppe Von Spar der Dekonstruktion von Beats und der Klangforschung. Mit seinem Alter Ego Re:Spule durchsucht er seine alten Festplatten nach Sounds und Beats, die er zu einem Dubstep-Set mixt – sowohl tanzbar als auch extrem anregend. Und T.Raumschmiere ist seit jeher der Musiker, der Punk zu Elektro veredelt – oder umgekehrt, ganz wie man das sehen will.
OPENING SCHAU FENSTER: „Me, Myself and I“
Opening: Freitag, 8.3./ Ab 19 Uhr
Laufzeit: 9.3. – 29.3.
Lobeckstraße 30-35 / 10969 Berlin
PARTY ARTY VOL. 4 @ Prince Charles
Prinzenstraße 85F / 10969 Berlin